Für die Mädchen ist es das Schönste: Wenn die Erzieherin eine Karaoke-CD einlegt, sind die drei Siebenjährigen nicht zu bremsen. Sie singen einen Pop-Song - auf Russisch. Sie sind Russinnen wie die meisten der 76 Kinder aus der Kindertagesstätte Raduga. Der Alltag in Joschka Ola ist russisch geprägt, die Mari stellen in der Hauptstadt ihrer eigenen Republik gerade ein Viertel der Bevölkerung. Zu dieser Minderheit gehört auch die Erzieherin Nina Maximova. Ihr Anliegen ist es, den Kindern die marische Kultur nahezubringen.
"Wie heißt das wichtigste Theater in Mari El? Was, das wisst ihr nicht? Es ist das Majorov-Schketan-Nationaltheater, da kann man marische und russische Theaterstücke sehen. Und unser Puppentheater kennt ihr auch nicht? Ja, erzählt man euch denn in der Schule nichts darüber? Das ist aber sehr schade. Na, dann sollt ihr es hier erfahren."
Nina Maximova ist eine kleine Frau um die 50, ihr rot getöntes Haar hat sie zu einem üppigen Dutt aufgesteckt. In Joschka-Ola kennt sie fast jeder. Sie gilt als politische Aktivistin, die die Anliegen ihrer marischen Landsleute mit außergewöhnlicher Hartnäckigkeit vertritt. Jede Woche schreibt sie Beschwerden und Bittbriefe an Behörden, Ministerien und Staatsanwaltschaft, sie bietet Unterstützung gegen Beamtenwillkür, organisiert Kulturfestivals und Interessenvertretungen. Die Nichtregierungsorganisation Mari Ushem, in dessen Vorstand sie sitzt, war früher ein reiner Kulturverein. Doch seit Präsident Markelov die Republik Mari El mit autoritärer Hand regiert, vertritt Mari Ushem zunehmend politische Positionen.
"Jeder Achte ist in Mari El arbeitslos. Jedes Jahr verlassen zehntausend Menschen die Republik, um in St. Petersburg oder in Moskau zu arbeiten. Wie viele zurückgelassene Familien gibt es hier, und in welchem Zustand sind heute die marischen Dörfer? Das zu sehen, tut mir in der Seele weh. Warum vertritt auf politischer Ebene niemand die Interessen der Mari? Abgesehen von Landwirtschafts- und Kulturministerium sind alle Minsterposten von Russen besetzt. Warum sind die kritischen Zeitungen geschlossen worden? Warum? Warum? Warum?"
Die Hochphase der marischen Nationalbewegung, die die 90er Jahre geprägt hatte, war im Jahr 2000 vorbei: In Moskau trat Wladimir Putin seine Präsidentschaft an, in Mari-El kam der Russe Wladimir Markelov in einem umstrittenen Wahlverfahren an die Macht. Seitdem lebt gefährlich, wer mit kritischen Positionen an die Öffentlichkeit tritt. Markelovs erste Amtszeit begann mit einer Mordserie an kritischen Journalisten. Eine Entlassungswelle in Behörden und Institutionen traf diejenigen, die sich im Wahlkampf für den Gegenkandidaten engagiert hatten. Überdurchschnittlich viele ethnische Mari verloren ihre öffentlichen Ämter. 2004 wurde Markelov wiedergewählt.
"Es waren schreckliche Wahlen. Meinen Freund haben sie nachts auf der Straße zusammengeschlagen. Ljudmilla Borissovna, die Leiterin unseres Ortsverreins, ist an einem Herzanfall gestorben, nachdem man sie mit Gewalt zu einer freiwilligen Kündigung zwingen wollte. Und wie sie dann die Stimmzettel manipuliert haben! Dafür haben wir Beweise. Aber als die Wahl vorbei war, hat das schon keinen mehr interessiert.!"
Auch Nina Maximovas Chef hat seiner streitbaren Mitarbeiterin schon mit Kündigung gedroht. Zwei Anzeigen hat sie bekommen wegen "Anstachelung zum Rassenhass". Mari Ushem wurden die Geschäftsräume gekündigt. Ob sich die politische Lage in Mari El jetzt im Wahlkampf zu den Duma-Wahlen wieder zuspitzt? Dazu äußert sich Nina Maximova nicht gern. Vorbereitet aber ist sie auf alles.
""Wenn das Ausmaß an Gesetzesverletzungen weiter so zunimmt wie bisher, dann wird es unser Volk sehr schwer haben. Wir alle wollen Russland groß sehen. Und dafür werden wir alles tun. Das ist unser Ziel. Das ist unsere Aufgabe."
Programmtipp: "Gesichter Europas", Deutschlandfunk, 3. November, 11.05 Uhr: "Aufbegehren in Joschkar-Ola - Der Kampf der Mari in Russland"
"Wie heißt das wichtigste Theater in Mari El? Was, das wisst ihr nicht? Es ist das Majorov-Schketan-Nationaltheater, da kann man marische und russische Theaterstücke sehen. Und unser Puppentheater kennt ihr auch nicht? Ja, erzählt man euch denn in der Schule nichts darüber? Das ist aber sehr schade. Na, dann sollt ihr es hier erfahren."
Nina Maximova ist eine kleine Frau um die 50, ihr rot getöntes Haar hat sie zu einem üppigen Dutt aufgesteckt. In Joschka-Ola kennt sie fast jeder. Sie gilt als politische Aktivistin, die die Anliegen ihrer marischen Landsleute mit außergewöhnlicher Hartnäckigkeit vertritt. Jede Woche schreibt sie Beschwerden und Bittbriefe an Behörden, Ministerien und Staatsanwaltschaft, sie bietet Unterstützung gegen Beamtenwillkür, organisiert Kulturfestivals und Interessenvertretungen. Die Nichtregierungsorganisation Mari Ushem, in dessen Vorstand sie sitzt, war früher ein reiner Kulturverein. Doch seit Präsident Markelov die Republik Mari El mit autoritärer Hand regiert, vertritt Mari Ushem zunehmend politische Positionen.
"Jeder Achte ist in Mari El arbeitslos. Jedes Jahr verlassen zehntausend Menschen die Republik, um in St. Petersburg oder in Moskau zu arbeiten. Wie viele zurückgelassene Familien gibt es hier, und in welchem Zustand sind heute die marischen Dörfer? Das zu sehen, tut mir in der Seele weh. Warum vertritt auf politischer Ebene niemand die Interessen der Mari? Abgesehen von Landwirtschafts- und Kulturministerium sind alle Minsterposten von Russen besetzt. Warum sind die kritischen Zeitungen geschlossen worden? Warum? Warum? Warum?"
Die Hochphase der marischen Nationalbewegung, die die 90er Jahre geprägt hatte, war im Jahr 2000 vorbei: In Moskau trat Wladimir Putin seine Präsidentschaft an, in Mari-El kam der Russe Wladimir Markelov in einem umstrittenen Wahlverfahren an die Macht. Seitdem lebt gefährlich, wer mit kritischen Positionen an die Öffentlichkeit tritt. Markelovs erste Amtszeit begann mit einer Mordserie an kritischen Journalisten. Eine Entlassungswelle in Behörden und Institutionen traf diejenigen, die sich im Wahlkampf für den Gegenkandidaten engagiert hatten. Überdurchschnittlich viele ethnische Mari verloren ihre öffentlichen Ämter. 2004 wurde Markelov wiedergewählt.
"Es waren schreckliche Wahlen. Meinen Freund haben sie nachts auf der Straße zusammengeschlagen. Ljudmilla Borissovna, die Leiterin unseres Ortsverreins, ist an einem Herzanfall gestorben, nachdem man sie mit Gewalt zu einer freiwilligen Kündigung zwingen wollte. Und wie sie dann die Stimmzettel manipuliert haben! Dafür haben wir Beweise. Aber als die Wahl vorbei war, hat das schon keinen mehr interessiert.!"
Auch Nina Maximovas Chef hat seiner streitbaren Mitarbeiterin schon mit Kündigung gedroht. Zwei Anzeigen hat sie bekommen wegen "Anstachelung zum Rassenhass". Mari Ushem wurden die Geschäftsräume gekündigt. Ob sich die politische Lage in Mari El jetzt im Wahlkampf zu den Duma-Wahlen wieder zuspitzt? Dazu äußert sich Nina Maximova nicht gern. Vorbereitet aber ist sie auf alles.
""Wenn das Ausmaß an Gesetzesverletzungen weiter so zunimmt wie bisher, dann wird es unser Volk sehr schwer haben. Wir alle wollen Russland groß sehen. Und dafür werden wir alles tun. Das ist unser Ziel. Das ist unsere Aufgabe."
Programmtipp: "Gesichter Europas", Deutschlandfunk, 3. November, 11.05 Uhr: "Aufbegehren in Joschkar-Ola - Der Kampf der Mari in Russland"