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Aufflammender Nationalismus in Polen

In vielen Ländern Europas erfahren Rechtsextremisten in Zeiten der Krise regen Zulauf. Das gilt auch für Polen. Seit den Ausschreitungen am Nationalfeiertag vor drei Wochen wird dort über den erstarkenden Nationalismus debattiert.

Von Sabine Adler |
    Niemand konnte Sagen, was schlimmer war: die Ausschreitungen am Tag der Unabhängigkeit am 11. November, die die schwersten seit Jahren waren und bei denen über 170 Personen festgenommen sowie mehr als 20 Polizisten verletzt worden sind, oder war es die Ankündigung der Nationalisten, eine eigene Partei zu gründen?

    Artur Zawisza, einer der nationalistischen Organisatoren des Marsches, Vizechef von Verband der Soldaten der Nationalen Streitkräften, strotzte vor Zufriedenheit, als er im Radio am nächsten Tag wegen der beabsichtigten Parteigründung interviewt wurde:

    "Herzlich willkommen am Morgen nach dem Unabhängigkeitstag und nach der Verkündung der Gründung der Nationalen Bewegung – begrüßte er ausführlich die Hörer."

    Mehrere nationalistische Bewegungen, darunter die Allpolnische Jugend und der Block der nationalistischen Radikalen, hatten beschlossen, eine landesweite nationalistische Organisation ins Leben zu rufen. Ihr Vorbild: die Jobbik-Partei in Ungarn, die 2003 entstand und bereits drittstärkste Kraft im Parlament ist. Artur Zawiszas Soldatenverband ist mit von der Partie und erklärte, wie die sogenannten Patrioten den Schwung des Unabhängigkeitsmarsches nutzen wollen. Er war die bislang größte nationalistische Veranstaltung in Polen. Mehrere Zehntausend Anhänger waren in Warschau dem Ruf "Polen den Polen" gefolgt.

    "Der gestrige Unabhängigkeitsmarsch ist nicht zu Ende. Er fängt gerade an, denn es kristallisiert sich soeben die Nationale Bewegung heraus. Willkommen sind alle Patrioten, Vertreter verschiedener Generationen, Fans und Kämpfer. Wir streben eine neue polnische Unabhängigkeit an, eine, bei der allein die polnische weiß-rote Flagge über den Behörden flattert, ohne die illegale Fahne der Europäischen Union."

    Przemyswaw Holocher ist Chef der nationalistischen Radikalen. Erst 25 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder. Seine Frau unterstützt seine politische Tätigkeit. Anna Holocher, 26 Jahre, alt gilt als militante Abtreibungsgegnerin, die, wie die entsprechende Organisation Prolife abtreibende Ärzte mit Hitler und Mütter, die eine Schwangerschaft abbrechen, mit Mörderinnen vergleicht.
    Ihr Mann versteht sich als Nationalist, seitdem er 15 Jahre alt ist, also schon zehn Jahre.

    Ein Freund hatte ihm Literatur über die Vereinigung Schwadron 97 gegeben, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurde und antisemitisch eingestellt war. Das ist auch Holocher, der außer gegen Juden auch etwas gegen Einwanderer und Homosexuelle hat. Ihnen soll mit der neuen Nationalistischen Bewegung das Leben schwer gemacht werden. Was die politische Klasse Polens aber vor allem aufhorchen ließ, war das deklarierte Ziel, die Republik des Runden Tisches abzuschaffen, also die Gesellschaft, wie sie nach dem Kommunismus entstanden ist.

    Während dies einige Beobachter für unvereinbar mit der Verfassung halten, blieb Justizminister Gowin erstaunlich ruhig: Die Nationalisten hätten ja nicht die Demokratie als Ganzes abschaffen wollen, somit sieht er keinen Grund einzuschreiten, jedenfalls nicht in Form eines Parteienverbots, zumal die gesamtpolnische nationalistische Bewegung über ihre Ankündigung vor knapp einem Monat bislang nicht hinaus gekommen ist. Ex-Ministerpräsident Leszek Miller vom Bund der demokratischen Linken, SDL, und die Bewegung Palikot, die sich erklärtermaßen mit Homosexuellen solidarisiert und die in Polen starke katholische Kirche immer wieder mit antiklerikalen Aktionen provoziert – beide sehen deutlich mehr Handlungsbedarf. Sie haben sich im Kampf gegen die Nationalisten und Faschisten zusammengeschlossen.

    "Das ist unsere Antwort auf die immer aktiver werdenden nationalistischen, extremistischen und faschistischen Gruppierungen in Polen und Europa. Das Schlimmste, was jetzt passieren kann, ist, dem gleichgültig zuzusehen. Die, denen das gleichgültig ist, werden bald Opfer sein. Man muss also reagieren, und das laut und deutlich ansprechen, Stellung beziehen."

    Andere Beobachter sehen die Partei von Jaroswaw Kaczynski in der Pflicht, Recht und Gerechtigkeit könnte das leisten, was in Deutschland die CSU unter Franz Josef Strauß als ihre Aufgabe sah: Rechts von ihr keinen Platz zu lassen. Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich, denn ehemalige Mitglieder von Kaczynskis PiS sind heute Mitglied in nationalistischen Bewegungen wie Artur Zawisza von den sogenannten Soldaten der nationalen Streitkräfte, der die neue gesamtpolnische Nationalistische Partei mit aufbauen will.

    Serie - Rechtsextremismus in Europa:

    Teil 1 Dänemark: Einbindung statt Ausgrenzung - Warum Dänemark auf Parteiverbote verzichtet