Burkhard Birke: Der chinesische Drache erwacht aus seinem Schlaf und zeigt immer mehr die Zähne - wird er demnächst auch Feuer speien? Etwas überraschend wurde heute von offizieller Seite die Zahl des neuen Verteidigungsetats, zwei Tage vor dem Auftakt des Volkskongresses, bereits publik gemacht. Um sage und schreibe zwölf Prozent will die Volksrepublik ihre Militärausgaben steigern. Ein deutliches Signal? Am Telefon begrüße ich den Chinaexperten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Dr. Frank Umbach. Herr Umbach, eben klang ja an, dass diese erhöhten Militärausgaben zur Weiterbildung entlassener Soldaten ausgegeben werden sollen. Steckt da nicht mehr hinter dieser, gemessen am 9,5-prozentigen Wirtschaftswachstum, überproportionalen Steigerung der Militärausgaben?
Frank Umbach: Zunächst mal, diese Steigerung im zweistelligen Bereich ist nicht neu, sondern wir haben in den letzten 15 Jahren fast jedes Jahr, mit ein oder zwei Ausnahmen, eine Steigerung gehabt, teilweise sogar bis zu 17 Prozent. Sie lag in den letzten Jahren in der Regel immer über dem Wirtschaftswachstum, was mit Sicherheit eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Die offiziellen Begründungen sind sicherlich nicht falsch, aber natürlich fließt auch zusätzliches Geld in entsprechende Waffenkäufe und dies manifestiert sich in einer stetigen Aufrüstung, die das regionale militärische Gleichgewicht in Ostasien und insbesondere gegenüber Taiwan zunehmend verändert und aus Sicht der Nachbarstaaten als solches auch gewertet wird.
Birke: Herr Umbach, auf dem Volkskongress soll ja ein Anti-Sezessionsgesetz verabschiedet werden, also die Wiedervereinigung mit Taiwan sozusagen noch einmal gesetzlich verankert werden. Zeigt der Drache Volksrepublik hier Taiwan und zeigt er auch den USA ganz bewusst die Zähne?
Umbach: Das ist ganz sicher so. China hat inzwischen faktisch wahrscheinlich sogar den drittgrößten Verteidigungshaushalt der Welt und die gesamten Militärplanungen sind auf einen potenziellen Konflikt mit Taiwan vorbereitet. Das heißt nicht unbedingt, dass China diesen Konflikt sucht, aber die politische Führung steht innenpolitisch unter Druck, nach der Rückkehr von Hongkong und Macau ist das erklärte Ziel die Wiedervereinigung mit Taiwan. Dem Ziel ist man aber nicht näher gekommen, sondern die Zeichen auf taiwanesischer Seite zeigen in die gegensätzliche Richtung, wo man eher eine Unabhängigkeit befürwortet. Und dies ist auch nicht nur ein Problem des gegenwärtigen Präsidenten Chen Shui-pien, der eine solche Politik vollführt, sondern es spiegelt eine gewisse Grundstimmung in der Bevölkerung wider.
Birke: Herr Umbach, das geopolitische Umfeld ist also etwas spannungsgeladen, könnte man sagen. Wie ist denn in einem solchen Umfeld die Äußerung von Kanzler Schröder und anderer EU-Politiker zu verstehen, das Waffenembargo möge möglichst rasch aufgehoben werden?
Umbach: Nun, es spiegelt im Grunde genommen einerseits die Problematik wider, dass sehr oft die Politik vonseiten von Präsidenten und auch des Kanzleramtes fast ausschließlich durch die wirtschaftliche Brille gesehen wird. Außensicherheitspolitische Aspekte der regionalen, auch sicherheitspolitische Balance spielen sehr oft in der Tagespolitik keine Rolle. Man glaubt, dass der chinesische Vorstoß ganz allein aus politisch-symbolischen Gründen erfolgt, ohne aber den Zusammenhang zu sehen mit der Aufrüstung, ohne den Taiwan-Konflikt sich wirklich nahe anzuschauen und ohne auch zu sehen, dass China ein Interesse daran hat, Rüstungsimporte zu diversifizieren und insbesondere Dinge aus Europa zu bekommen, die China zum Beispiel auch nicht vonseiten Russlands erhält.
Birke: Die Aufhebung des Embargos wäre also Ihrer Meinung nach, Herr Umbach, mehr als nur ein symbolischer Akt, denn es heißt ja, dass ohnehin viele rüstungsfähige Güter exportiert würden, dass es vielleicht gar nicht viel ausmachen würde, wenn man es nun formell aufhebt?
Umbach: Wenn Sie sich das Volumen der europäischen Rüstungsexporte anschauen, dann ist dies noch immer relativ gering, namentlich gegenüber den russischen, aber die Importe im Zeitraum 2003 gegenüber 2001 sind sage und schreibe um das Achtfache gestiegen, gegenüber 2002 immerhin um das Doppelte, und die eigentliche Problematik sind die Dual-Use-Technologien, also Technologien, die sowohl zivil wie militärisch verwendet werden und die von außen nur sehr, sehr schwer zu kontrollieren sind. Auch der neue Verhaltenskodex der EU wird diese Rüstungsexporte Richtung China vielleicht verlangsamen, aber mit Sicherheit werden die Rüstungsexporte von europäischer Seite in Richtung China wohl auch zunehmen.
Birke: Sie unterstellen also, dass die Europäer eigentlich nur einen größeren Kuchen des Waffenexportgeschäfts von Russland und auch von Israel abhaben wollen?
Umbach: Ich glaube noch nicht mal so sehr, dass dieser Fokus im Blickpunkt ist. Man hofft eher, dass die gesamte Palette der wirtschaftlichen Beziehungen mit China weiter expandiert. Dass Europa sich davon einen großes Stück abschneidet im Hinblick auf wirtschaftliche Zusammenarbeit, dies ist sicherlich die eigentliche Motivation, aber die Brisanz liegt sicherlich darin, dass eben die außen- und sicherheitspolitischen Aspekte außen vor bleiben und die Politik, namentlich Deutschlands und Frankreichs, im Grunde genommen auch den eigenen Zielsetzungen, wie sie in den Asienkonzepten der EU oder des Auswärtigen Amtes formuliert sind, eigentlich konträr gegenüber laufen, denn dort sind solche sicherheitspolitische Ziele sehr wohl deklariert worden.
Frank Umbach: Zunächst mal, diese Steigerung im zweistelligen Bereich ist nicht neu, sondern wir haben in den letzten 15 Jahren fast jedes Jahr, mit ein oder zwei Ausnahmen, eine Steigerung gehabt, teilweise sogar bis zu 17 Prozent. Sie lag in den letzten Jahren in der Regel immer über dem Wirtschaftswachstum, was mit Sicherheit eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Die offiziellen Begründungen sind sicherlich nicht falsch, aber natürlich fließt auch zusätzliches Geld in entsprechende Waffenkäufe und dies manifestiert sich in einer stetigen Aufrüstung, die das regionale militärische Gleichgewicht in Ostasien und insbesondere gegenüber Taiwan zunehmend verändert und aus Sicht der Nachbarstaaten als solches auch gewertet wird.
Birke: Herr Umbach, auf dem Volkskongress soll ja ein Anti-Sezessionsgesetz verabschiedet werden, also die Wiedervereinigung mit Taiwan sozusagen noch einmal gesetzlich verankert werden. Zeigt der Drache Volksrepublik hier Taiwan und zeigt er auch den USA ganz bewusst die Zähne?
Umbach: Das ist ganz sicher so. China hat inzwischen faktisch wahrscheinlich sogar den drittgrößten Verteidigungshaushalt der Welt und die gesamten Militärplanungen sind auf einen potenziellen Konflikt mit Taiwan vorbereitet. Das heißt nicht unbedingt, dass China diesen Konflikt sucht, aber die politische Führung steht innenpolitisch unter Druck, nach der Rückkehr von Hongkong und Macau ist das erklärte Ziel die Wiedervereinigung mit Taiwan. Dem Ziel ist man aber nicht näher gekommen, sondern die Zeichen auf taiwanesischer Seite zeigen in die gegensätzliche Richtung, wo man eher eine Unabhängigkeit befürwortet. Und dies ist auch nicht nur ein Problem des gegenwärtigen Präsidenten Chen Shui-pien, der eine solche Politik vollführt, sondern es spiegelt eine gewisse Grundstimmung in der Bevölkerung wider.
Birke: Herr Umbach, das geopolitische Umfeld ist also etwas spannungsgeladen, könnte man sagen. Wie ist denn in einem solchen Umfeld die Äußerung von Kanzler Schröder und anderer EU-Politiker zu verstehen, das Waffenembargo möge möglichst rasch aufgehoben werden?
Umbach: Nun, es spiegelt im Grunde genommen einerseits die Problematik wider, dass sehr oft die Politik vonseiten von Präsidenten und auch des Kanzleramtes fast ausschließlich durch die wirtschaftliche Brille gesehen wird. Außensicherheitspolitische Aspekte der regionalen, auch sicherheitspolitische Balance spielen sehr oft in der Tagespolitik keine Rolle. Man glaubt, dass der chinesische Vorstoß ganz allein aus politisch-symbolischen Gründen erfolgt, ohne aber den Zusammenhang zu sehen mit der Aufrüstung, ohne den Taiwan-Konflikt sich wirklich nahe anzuschauen und ohne auch zu sehen, dass China ein Interesse daran hat, Rüstungsimporte zu diversifizieren und insbesondere Dinge aus Europa zu bekommen, die China zum Beispiel auch nicht vonseiten Russlands erhält.
Birke: Die Aufhebung des Embargos wäre also Ihrer Meinung nach, Herr Umbach, mehr als nur ein symbolischer Akt, denn es heißt ja, dass ohnehin viele rüstungsfähige Güter exportiert würden, dass es vielleicht gar nicht viel ausmachen würde, wenn man es nun formell aufhebt?
Umbach: Wenn Sie sich das Volumen der europäischen Rüstungsexporte anschauen, dann ist dies noch immer relativ gering, namentlich gegenüber den russischen, aber die Importe im Zeitraum 2003 gegenüber 2001 sind sage und schreibe um das Achtfache gestiegen, gegenüber 2002 immerhin um das Doppelte, und die eigentliche Problematik sind die Dual-Use-Technologien, also Technologien, die sowohl zivil wie militärisch verwendet werden und die von außen nur sehr, sehr schwer zu kontrollieren sind. Auch der neue Verhaltenskodex der EU wird diese Rüstungsexporte Richtung China vielleicht verlangsamen, aber mit Sicherheit werden die Rüstungsexporte von europäischer Seite in Richtung China wohl auch zunehmen.
Birke: Sie unterstellen also, dass die Europäer eigentlich nur einen größeren Kuchen des Waffenexportgeschäfts von Russland und auch von Israel abhaben wollen?
Umbach: Ich glaube noch nicht mal so sehr, dass dieser Fokus im Blickpunkt ist. Man hofft eher, dass die gesamte Palette der wirtschaftlichen Beziehungen mit China weiter expandiert. Dass Europa sich davon einen großes Stück abschneidet im Hinblick auf wirtschaftliche Zusammenarbeit, dies ist sicherlich die eigentliche Motivation, aber die Brisanz liegt sicherlich darin, dass eben die außen- und sicherheitspolitischen Aspekte außen vor bleiben und die Politik, namentlich Deutschlands und Frankreichs, im Grunde genommen auch den eigenen Zielsetzungen, wie sie in den Asienkonzepten der EU oder des Auswärtigen Amtes formuliert sind, eigentlich konträr gegenüber laufen, denn dort sind solche sicherheitspolitische Ziele sehr wohl deklariert worden.