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"Aufsichtsräte müssen richtige Verträge vereinbaren"

Die Diskussion um die Begrenzung von Managergehältern ist nach Ansicht von Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, purer Populismus. Er warnte davor, die freie Marktwirtschaft zu regulieren. Gleichzeitig sprach er sich für einen Corporate-Governance-Codex aus, um bei Aktionären und der Öffentlichkeit für mehr Transparenz zu sorgen.

Moderation: Bettina Klein |
    Klein: Den einen sind sie ein Dorn im Auge; die anderen pochen auf unternehmerische Freiheit. Hohe Manager-Gehälter und Abfindungen, die aufgrund der gegebenen Leistungen nicht immer ganz gerechtfertigt erscheinen, sie sorgen in Deutschland immer wieder für Empörung. Nicht nur Mindestlöhne fordern nun manche Politiker, sondern auch Höchstlöhne. Inzwischen hat sich ja sogar bekanntlich beim CDU-Parteitag die Kanzlerin des Themas angenommen. Sie plane allerdings keine Gesetzesinitiative, ließ sie am Vormittag durch ihren Sprecher ausrichten. Ganz anders die SPD: sie will heute eine Arbeitsgruppe einsetzen, die prüfen soll, welche gesetzlichen Möglichkeiten es gibt. Als praktikabler Vorschlag gilt inzwischen, Abfindungen von Managern sollten nicht mehr steuerlich absetzbar sein.

    Besetzen also die Parteien, so sie Gesetzesverschärfungen fordern, nur ein viel versprechendes und emotional aufgeladenes Wahlkampfthema, oder sind juristische Neuregelungen durchaus möglich und auch wünschenswert? - Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Ich grüße Sie Herr Hocker.

    Hocker: Guten Tag Frau Klein.

    Klein: Die SPD will die gesetzlichen Möglichkeiten prüfen. Welche hat sie?

    Hocker: Ich glaube das ist, wie viele Stimmen schon gesagt haben und meiner Meinung nach auch, purer Populismus. Wir sind hier im Bereich der freien Marktwirtschaft und es ist Aufgabe der Aufsichtsräte, richtige vernünftige Verträge zu vereinbaren. Das wesentliche ist daran - und da sind wir ja dran durch den Corporate-Governance-Codex -, dass es transparent gemacht wird für Aktionäre und damit auch für die Öffentlichkeit.

    Klein: Lassen Sie uns einen Vorschlag nach dem anderen abarbeiten. Sensibilität in Unternehmen - das ist gerade auch im Bericht zum Ausdruck gekommen -, etwas was sich durchaus auch die Wirtschaft wünscht. Sie sagen, es müssten vernünftige Verträge ausgehandelt werden. Wie soll es dazu kommen? Bisher kam es ja offenbar nicht dazu.

    Hocker: Das stimmt so nicht ganz, Frau Klein, denn sehen Sie mal. Sie müssen wissen: Unsere DAX-30-Unternehmen, unsere größten deutschen Unternehmen, stehen zurzeit sehr gut da. Manager sind ja eben angestellt, um die Werte der Unternehmen zu steigern. Und wenn sie das schaffen, dann kriegen sie eine hohe variable Vergütung. Das ist so systemimmanent, das ist richtig. Es ist wichtig, dass wenn es den Unternehmen schlechter geht diese variable Vergütung dann aber auch rückläufig ist. Sie sind angestellt, um Werte zu steigern. Dann verdienen sie auch, und das tun sie.

    Klein: Die SPD sagt jetzt, die Abfindungen, die gezahlt werden etwa nach dem Ende einer Manager-Laufbahn, sollten nicht mehr steuerlich absetzbar sein, das heißt sollten voll besteuert werden. Aus Ihrer Sicht sinnvoll?

    Hocker: Nein, nicht wirklich. Sehen Sie mal, Sie müssen ja auch wissen: die deutschen Manager sind ja auch einem hohen Risiko ausgesetzt. Ich sage es jetzt mal salopp. Die Halbwertszeit eines deutschen Managers liegt zurzeit bei 4,5 Jahren. Im Grunde genommen muss man sagen ist es in diesem Gewerbe üblich, dass die erfolgreichen natürlich ein bisschen länger bleiben, aber die weniger erfolgreichen letztendlich dann auch ruckzuck gefeuert werden. Das Risiko ist groß. Und was man dann macht: Man zahlt eine Abfindung. Nur das ist keine wirkliche Abfindung, sondern im Großen und Ganzen ist es eine Auszahlung des Vertrages.

    Es ist üblich, dass Vorstände zumindest Fünfjahresverträge in Deutschland noch bekommen, und wenn der nur zwei Jahre dann da ist, dann bekommt er die letzten drei Jahre ausgezahlt. Da ist man vertragstreu. An diese Auszahlung sollte man herangehen und das sagt auch der Corporate-Governance-Kodex. Da sollte ein Deckel draufgemacht werden von zwei Jahresgehältern. Dann hätte man es auf einem Niveau, was akzeptabel wäre.

    Klein: Das wäre aber eine freiwillige Vereinbarung, die die Unternehmen mit den Managern, mit Vorständen treffen müssten. Dann fragt sich ja: weshalb kam es bisher nicht dazu? Weshalb soll das in Zukunft anders werden?

    Hocker: Das ist richtig. Das muss natürlich jetzt berücksichtigt werden. Das ist eine Neuerung in dem Kodex. Das muss jetzt in die Verträge hinein. In neue Verträge kann es oder auch wenn eine Wiederholung ansteht, wenn ein Anschlussvertrag gemacht wird. Dann muss es dort hinein.
    Und was wesentlich ist: es muss dann transparent gemacht werden. Es muss der Hauptversammlung bekannt sein oder auch im Geschäftsbericht muss es stehen, dass der Kapitalmarkt, der Eigentümer, der Aktionär eben weiß, das wird bezahlt, dieses Unternehmen hält sich an diese Empfehlung des Kodex ja oder nein. Wenn nicht, muss der Kapitalmarkt entsprechend reagieren.

    Klein: Aber die Politik, um das noch mal deutlich zu sagen, hat aus Ihrer Sicht keinerlei Handhabe, dort gesetzlich einzugreifen?

    Hocker: Nein. Das finde ich ist ganz falsch. Wir sind hier wie gesagt in der Marktwirtschaft und es ist ein internationaler Markt. Wir müssen die besten Leute dort an die Positionen kriegen und im Schnitt haben wir es ja. Wir haben ein paar Auswüchse; das kennen wir. Aber im Schnitt ist die deutsche Industrie zurzeit sehr weit vorne, verdient kräftiges Geld. Die Aktien sind gestiegen und das müssen wir auch sagen verdanken wir auch den guten Leistungen der Manager.

    Klein: Können Sie auf der anderen Seite verstehen, dass es viele eben dann doch nicht ganz nachvollziehen können, wenn Manager, die wegen einer gewissen Erfolglosigkeit ihren Posten räumen müssen, dann dennoch diese hohen Abfindungen oder Auszahlungen von Gehältern, wie Sie es gerade beschrieben haben, bekommen? Dabei wären wir beim Haftungsrecht oder der Haftungspflicht. Muss hier in Deutschland etwas geändert werden? Muss die Privathaftung für Manager festgeschrieben werden?

    Hocker: Das ist richtig. Ich habe ja eben schon mal gesagt: wir müssen die Abfindung, Auszahlung oder wie immer man das nennt auf zwei Jahre begrenzen. Eine Sache ist natürlich nach wie vor eine alte Forderung von uns: Wir brauchen die Außenhaftung. Wenn einer wirklich Mist baut, dann muss auch der Aktionär eine Handhabe haben und entsprechend aus der Haftung heraus gegen den Manager vorgehen können. Das ist ein Punkt auch schon in dem so genannten Zehn-Punkte-Plan - noch zu Zeiten der alten Bundesregierung wurde der erlassen -, der noch nicht umgesetzt ist. Wir brauchen die Außenhaftung der Organe, dass dann, wenn grob fahrlässig und vorsätzlich Mist gemacht wird, eine Haftung da ist auch an den außenstehenden Aktionär.

    Klein: Verstehe ich Sie, Herr Hocker? Sie betonen ja immer wieder, es geht um eine freiwillige Vereinbarung der Unternehmen. Bisher ist das offensichtlich noch nicht hinreichend geschehen. Wie beurteilen Sie denn die Absichten der DAX-Unternehmen, diese Regelungen in die Verträge mit aufzunehmen, die Sie gerade geschildert haben?

    Hocker: Die beurteile ich sehr gut, denn sehen Sie mal: die großen DAX-Unternehmen entsprechen im Großen und Ganzen fast vollständig den Empfehlungen dieses Kodexes. Das mit dem Cap auf den Abfindungen ist eine Neuerung, die jetzt Schritt für Schritt umgesetzt wird. Ich bin guten Mutes, weil ich aus Erfahrung weiß, dass im Großen und Ganzen alle Empfehlungen befolgt werden, dass dieses sich auch Schritt für Schritt mittelfristig durchsetzt. Dann haben wir dort ein Cap drauf, genauso wie wir eine Kappe auf den Vorkaufsrechten von Aktion haben. Wir wollen ja nicht, weil wir die Erfahrungen aus dem Neuen Markt gemacht haben, dass dort plötzlich ganz irrelevante Zahlen rauskommen. Wir müssen da auch einen Deckel drauf haben. Das haben wir ebenso eingeführt, so dass das kurz- und mittelfristig zu einem vernünftigen Verhältnis kommt.

    Klein: Ulrich Hocker war das von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Danke Ihnen für das Gespräch Herr Hocker.

    Hocker: Bitte sehr Frau Klein.