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Aufwärtstrend auf dem deutschen Kinomarkt

Deutsches Publikum möchte gerne deutsche Filme sehen, sagt Martin Moszkowicz, Vorstandsmitglied bei der Filmproduktionsfirma Constantin AG. 2011 setze man große Hoffnungen auf die beiden Filme "Wicki auf großer Fahrt" sowie "Die drei Musketiere".

Martin Moszkowicz im Gespräch mit Dirk Müller | 10.02.2011
    Dirk Müller: Zehn Tage ist Berlin mal wieder der Nabel der Welt, zumindest für die Filmfans. Auftakt heute Abend für die 61. Berlinale. Fast 400 Filme werden dem Publikum vorgeführt, 16 konkurrieren um den goldenen Bären. Auch die deutsche Filmwelt ist wie immer mit am Start, wobei viele Schauspieler, Regisseure und Produzenten, die ab heute an der Spree auflaufen, noch die Trauerfeier für Bernd Eichinger vor Augen haben werden. 2010, das war kein allzu gutes Jahr für das deutsche Kino, auch in wirtschaftlicher Hinsicht: empfindliche Einbrüche bei den Besucherzahlen, darüber hinaus viel weniger Interesse an deutschen Produktionen. Die populärsten kamen mal wieder aus dem anglo-amerikanischen Raum: Avatar und Harry Potter.

    Bei uns am Telefon ist nun Martin Moszkowicz, Vorstandsmitglied bei der Constantin AG, Marktführer bei den Kinoproduktionen in Deutschland. Guten Morgen!

    Martin Moszkowicz: Schönen guten Morgen!

    Müller: Herr Moszkowicz, was ist schief gelaufen im vergangenen Jahr?

    Moszkowicz: Es sind nicht genug Zuschauer in die Kinos gegangen. Das liegt sicherlich an den Filmen und an dem, was wir gemacht haben. Kinofilme halten sich nicht unbedingt an Kalenderjahre. Das Jahr 2010 war, sage ich mal, guter Durchschnitt, aber eben nicht weit darüber. Was wichtig ist, dass der langfristige Trend über die letzten fünf oder zehn Jahre, dass der steigend ist. Im letzten Jahr sind in Deutschland etwas weniger Zuschauer ins Kino gegangen, aber es wurde insgesamt mehr Kasse gemacht, und das liegt vor allen Dingen natürlich an den 3D-Produktionen. Weltweit, muss man dazu sagen, ist der Trend ebenfalls nach oben zeigend.

    Müller: Sie sagen, Herr Moszkowicz, es lag auch an den Filmen. Warum gab es keine guten überzeugenden Filme?

    Moszkowicz: Es gab gute und überzeugende Filme, aber es hat eben dieser eine oder diese zwei Filme, die weit über 3 Millionen Zuschauer machen, die es in den Vorjahren immer gegeben hatte, die haben eben gefehlt, die kommen dafür alle in 2011.

    Müller: Welche?

    Moszkowicz: Von der Constantin sicherlich die "Wicki auf großer Fahrt" - das ist unsere erste große deutsche 3D-Produktion -, sowie "Die drei Musketiere". Das sind zwei Filme, die wir sehr, sehr hoch einschätzen, die beide in der zweiten Jahreshälfte in Deutschland starten werden. Wir haben aber insgesamt, das kann man jetzt schon sagen, wenn man sich den deutschen Markt anschaut, einen sehr, sehr starken Produktionsjahrgang. Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass 2011 ein gutes Jahr wird.

    Müller: Sie haben gesagt, 2010 war irgendwie ein Ausreißer, davor die Jahre ist es ganz gut gegangen. Hinken wir dennoch immer den amerikanischen Produktionen hinterher?

    Moszkowicz: Die amerikanischen Filme werden für den Weltmarkt produziert mit Produktionsbudgets, die weit über dem liegen, was in einem Binnenmarkt wie Deutschland möglich ist. Natürlich sind die dominant, wobei man wirklich dazu sagen muss, der deutsche Marktanteil war in 2009 bei knapp 30 Prozent. Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir auch dieses Jahr wieder in diese Nähe kommen werden, und ich finde, das ist langfristig gesehen wie gesagt ein Prozess. Deutsches Publikum möchte gerne deutsche Filme sehen, sofern sie eine vergleichbare Qualität und einen vergleichbaren Unterhaltungswert darstellen wie die amerikanischen Produktionen, und daran arbeiten wir.

    Müller: Ist das schwierig, in Deutschland diese Qualität und auch diese Popularität zu erreichen?

    Moszkowicz: Natürlich ist das schwierig, einmal, weil natürlich in Amerika dadurch, dass eben dort für den Weltmarkt produziert wird, viele der besten sich dort versammelt haben, auch viele Deutsche übrigens, und die Möglichkeiten in Deutschland etwas beschränkter sind, weil eben die finanziellen Mittel hier nicht so groß sind wie in Hollywood. Trotzdem wie gesagt glaube ich, dass es darum geht, wenn man Geschichten erzählt, die davon handeln, was die Menschen kennen, dass man dann auch die Möglichkeit hat, große Erfolge zu haben. Die ersten, sage ich mal, eineinhalb Monate in 2011 waren schon sehr, sehr, ich sage mal, vielversprechend. Es sind drei Filme bisher groß gestartet, einmal eine Komödie mit Tom Gerhardt, die ist sehr erfolgreich gewesen, "Vorstadtkrokodile 3" - das ist ein großer Erfolg gewesen, hat jetzt schon fast eine dreiviertel Million Zuschauer -, und gerade jetzt der neue Film von Til Schweiger, "Kokowääh", der einen sensationellen Start hingelegt hat. Also insgesamt, glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg.

    Müller: Sind Sie bei der Constantin AG auch mit der Qualität beziehungsweise mit dem Niveau des deutschen Films zufrieden?

    Moszkowicz: Man ist nie mit der Qualität und dem Niveau zufrieden. Das gehört zu unseren Aufgaben als Filmproduzenten, dass wir versuchen, das Niveau und die Qualität ständig zu verbessern. Insofern ist dieses große Ziel, diesen einen Film zu machen, der sowohl in Deutschland wie in der ganzen Welt funktioniert, den alle mögen, die Filmkritiker, das Publikum, der den Deutschen Filmpreis und den Oscar gewinnt, das ist sozusagen der große Traum, dem wir alle nachjagen, und das, glaube ich, ist auch das, was die Filmindustrie so besonders macht, dass man eben versucht, immer dieses Perfekte, diesen perfekten Film herzustellen. Ob einem das gelingt, oder ob das überhaupt möglich ist, darüber kann man diskutieren und auch sprechen. Ich bin auch nicht so sicher, ob es wirklich ist, vielleicht ist es eine Schimäre, aber es ist etwas, was wir versuchen zu erreichen.

    Müller: Herr Moszkowicz, Sie haben es jetzt mehrfach erwähnt, das tun ja viele und das haben wir auch immer wieder gehört: Es liegt vor allem ja auch am Geld, gerade im Vergleich zu Hollywood. Liegt es nicht auch, wie viele Kritiker sagen, an den Drehbüchern?

    Moszkowicz: Es liegt immer an verschiedenen Faktoren. Es liegt sicherlich an den Geschichten, die erzählt werden, es liegt an den Budgets, die zur Verfügung stehen. Ich glaube nicht, dass man einen einzigen Kritikpunkt sozusagen herauslösen kann und sagen kann, ach die Drehbücher waren nicht gut, oder die Schauspieler waren nicht gut, oder die Regisseure konnten es nicht, oder das Geld hat gefehlt. Ich glaube, insgesamt, wie gesagt, ist der deutsche Markt aber auf einem aufwärts gerichteten Trend und man kann deutlich sehen, wie man eben in 2009 auch an den Zahlen hat sehen können, dass ein deutsches Publikum auch gerne deutsche Filme sich anschaut.

    Müller: "Wicki und die starken Männer", Sie haben das eben erwähnt, da setzen Sie, da setzt auch die Constantin in diesem Jahr drauf. Der Vorgänger war ein großer Erfolg. Wie viel Geld müssen Sie dafür in die Hand nehmen?

    Moszkowicz: Diese Budgets für große Produktionen sind in exorbitanter Höhe. "Die drei Musketiere" zum Beispiel hat knapp an die 100 Millionen Dollar gekostet, der Film "Wicki auf großer Fahrt" liegt etwa bei 15 Millionen Euro. Das sind immens große Summen, aber auf der anderen Seite: Man kann davon ausgehen, dass sie sich auch entweder in Deutschland, oder in der Welt eben refinanzieren, weil sie eben ein Produktionslevel auch darstellen, den das Publikum auch kennt, wie gesagt von vergleichbaren amerikanischen Filmen.

    Müller: Wie groß ist das unternehmerische Risiko?

    Moszkowicz: Das unternehmerische Risiko ist überschaubar, weil wir durch die vernünftige Finanzierung von Filmen – wir verkaufen ja einen Teil der Rechte immer vor, ans Fernsehen beziehungsweise an ausländische Partner. Man kann das heute, wenn man es gut macht und ein gutes Projekt hat, überschaubar halten.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Martin Moszkowicz, Vorstandsmitglied bei der Constantin AG. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Moszkowicz: Danke schön! Auf Wiederhören.