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Aus Asse II droht "zurzeit noch keine Gefahr"

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat im Forschungsendlager Asse eine Konzentration des radioaktiven Stoffes Cäsium von 240.000 Becquerel pro Liter gemessen - 24 Mal höher als erlaubt. Noch kein Grund zur Beunruhigung, sagt Dagmar Röhrlich.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Jule Reimer | 15.04.2011
    Jule Reimer: Im skandalträchtigen Forschungsendlager Asse in Niedersachsen steigt die Radioaktivität. Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte gestern eine Konzentration des radioaktiven Stoffes Cäsium von 240.000 Becquerel pro Liter gemessen. Der Wert liege 24mal über der erlaubten Freigrenze. – Bei mir im Studio ist meine Kollegin Dagmar Röhrlich aus der Wissenschaftsredaktion. Frau Röhrlich, diese Werte wurden in einem Bohrloch tief unter der Erde gemessen. Wie bedeutsam ist das denn für diejenigen, die rund um die Asse wohnen?

    Dagmar Röhrlich: Für die erst mal noch gar nicht, weil das nur diesen inneren Bereich des Bergwerks im Moment betrifft. Es ist so, dass dort Lösungen, die mit den Fässern einmal reingekommen sind – im Salz dürfte ja eigentlich nichts eingelagert werden, was irgendwie Wasser enthält, aber anscheinend ist da doch einiges an Feuchtigkeit mit reingekommen -, diese Lösungen, die kommen jetzt mit geplatzten, mit offenen, mit defekten Fässern in Kontakt, und was auch immer da drin ist, das wird dann mit ausgelaugt und mit forttransportiert. Gestern habe ich bei der Strahlenschutzkommission mit einem Wissenschaftler gesprochen, der meinte, ach, da ist wohl wieder ein Fass aufgegangen. An diesem speziellen Bohrloch und einigen anderen Punkten, da fluktuiert wohl der Gehalt an Radionukliden sehr stark, je nachdem was gerade offen ist, wo das Wasser sich seinen Weg durch den Untergrund sucht, und von daher ist anscheinend wieder ein Fass aufgegangen.

    Reimer: Aber von der Gefahr her: Kann es ins Grundwasser eindringen, kann die Radioaktivität nach oben?

    Röhrlich: Im Moment ist das noch richtig im Stock eingeschlossen. Solange das jetzt da bleibt, wo es ist, bedeutet das für die Leute, die dort wohnen, keine Gefahr, aber wohl für irgendwelche Leute, die jetzt versuchen würden, beispielsweise den Abfall dort herauszuholen. Man muss also damit fertig werden, ehe man irgendwie überlegen kann, was mache ich jetzt weiter hier mit der Asse. Und man muss natürlich verhindern: Das ist ja Wasser, was aus den Abfallgebinden selbst stammt, aber es gibt ja noch eine Stelle, an der Wasser seitlich hereinkommt. Die ist noch entfernt davon und noch ist dieses Wasser nicht da, und man muss jetzt auf jeden Fall verhindern, dass, solange keine endgültige Lösung für die Asse gefunden ist, da irgendwelche Verbindungen zustande kommen, denn irgendwann mal habe ich Wege. Nur zurzeit noch keine Gefahr!

    Reimer: Wie ist die Situation derzeit in Japan, in Fukushima? Darum ist es ja relativ ruhig geworden.

    Röhrlich: Die Leute kämpfen sich so zurecht, kann man dazu sagen. Man hat jetzt aus diesem Reaktorblock II dieses sehr stark kontaminierte Wasser, was dort stand, abgepumpt. Man versucht weiterhin, die diversen Stromversorgungen, Pumpen und so weiter ans Laufen zu kriegen. Also im Endeffekt wird das, was die Leute jetzt seit Wochen machen, einfach weiter vorangetrieben, immer wieder unterbrochen durch Nachbeben. Also es ist und bleibt eine schwierige Aufgabe.

    Reimer: Unverändert kritisch. – In eineinhalb Wochen jährt sich das Reaktorunglück von Tschernobyl zum 25. Mal. Dort wurde ja der Reaktor beziehungsweise das, was übrig geblieben ist, die strahlenden Reste, mit einem Sarkophag aus Beton bedeckt, um die Umgebung vor der Strahlung zu schützen. Ist das eine Lösung für Fukushima?

    Röhrlich: Nein. Das haben gestern die Experten von der Strahlenschutzkommission auch gesagt. So einfach kann man es sich nicht machen. Wir haben hier einen völlig anderen Unfall und es ist ein Unfall, bei dem sich die Menschheit daran gewöhnen muss, dass der sich über Monate hinweg hinzieht. Man muss die Kühlung garantieren. Wir haben ja nicht nur drei Reaktoren, die stark beschädigt sind, sondern wir haben hier auch noch vier Abklingbecken, die quasi offen sind und in denen die Brennelemente herumstehen. Würde ich die jetzt einfach zubetonieren, dann könnte es zu ganz schweren Zwischenfällen kommen, beispielsweise zu Cekon-Bränden, die eine riesige Freisetzung von Radionukliden aus diesen Brennelementen heraus zur Folge hätte, einfach weil ich nicht mehr kühlen kann. Die Experten sagen, in dieser Situation muss ich überall die Kühlung garantieren, und zwar auch Kühlung, die redundant ist, sprich wenn ein Nachbeben etwas zerstört, dass dann trotzdem die Kühlung weiterläuft. Wenn ein Nachbeben einen neuen Tsunami auslöst, dann muss es trotzdem weiterlaufen. Und erst wenn ich das garantiert habe, dann kann ich versuchen, einen Überbau zu schaffen, aber bestimmt keinen Sarkophag wie in Tschernobyl.

    Reimer: Vielen Dank! – Dagmar Röhrlich war das mit Informationen zu den erhöhten Strahlungswerten im deutschen Endlager Asse und zur Situation in Fukushima.

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