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Aus des A380
"Zukunftskonzept ist wirtschaftlich nicht aufgegangen"

Der A380 war das Prestige-Projekt des Flugzeugbauers Airbus. Nun wird die Produktion des Großraumfliegers eingestellt. Ein überfälliger Schritt, sagte Luftfahrtexperte Cord Schellenberg im Dlf. Die Technologische Entwicklung habe den A380 überholt. Und Airbus habe neue Zukunftsprojekte.

Cord Schellenberg im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 14.02.2019
    Ein Airbus A380 der Fluggesellschaft Emirates ist am 20.08.2013 im Landeanflug auf das Airbus-Gelände in Finkenwerder in Hamburg.
    Die Airline Emirates hat ihre Bestellungen des A380 reduziert - ein Grund für die Einstellung des Modells (dpa-Bildfunk / Marcus Brandt)
    Jörg Münchenberg: Es war die europäische Antwort auf den Platzhirsch im Segment der Großraumflieger, die 747 von Boeing. Und so wurde der A380 von Airbus das bislang größte in Serie produzierte Verkehrsflugzeug mit einer Kapazität von bis zu 853 Passagieren. Vor gut zehn Jahren wurde der A380 erstmals an die Kunden ausgeliefert. Aber die Königin der Lüfte, das blieb stets die 747 von Boeing. Mehr noch, während die US-Konkurrenz mit ihrem Riesenflieger jüngst erst das 50. Jubiläum feiern konnte, steht das Prestigeobjekt A380 vor dem Aus. Das hat Airbus soeben verkündet.
    Am Telefon nun der Journalist und Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Herr Schellenberg, einen schönen guten Morgen!
    Cord Schellenberg: Guten Morgen, Herr Münchenberg!
    Münchenberg: Herr Schellenberg, das Ende jetzt des A380, ein überfälliger Schritt?
    Schellenberg: Aus Sicht des Herstellers sicherlich, weil der größte Kunde Emirates seine Auftragsbestände jetzt reduziert hat. Und weitere Kunden konnten nicht geworben werden für die Zukunft. Aber für die Passagiere eigentlich ein leider nicht überfälliger Schritt, sondern eher ein trauriger.
    Münchenberg: Nun gibt es bei Airbus ja jetzt auch einen Wechsel an der Spitze. Dürfte auch das eine Rolle gespielt haben?
    Schellenberg: Ja, ich bin ziemlich sicher. Guillaume Faury wird ja von Tom Enders übernehmen. Und klar, dass man versuchen sollte, einem neuen Vorstandsvorsitzenden dann auch ein sauberes Revier zu übergeben. Und Tom Enders hat sich natürlich in den vergangenen Jahren sehr stark für die A380 gemacht. Es ist auch mit seinem Namen verbunden, und insofern finde ich das auch konsequent und ehrenhaft, dann jetzt selbst das Produktionsende zu verkünden.
    Trend von vier zu zwei Triebwerken betrifft auch Boeing
    Münchenberg: War der A380 schlicht das falsche Flugzeug zum falschen Zeitpunkt?
    Schellenberg: Ich glaube, für die Marktvorhersage, dass wir weiter erleben werden, dass der Luftverkehr weltweit im jährlichen Mittel fünf Prozent, das heißt, alle 15 Jahre wird er sich verdoppeln, steigen wird, dafür war dieses Flugzeug schon richtig. Etwas, was nicht eingetreten ist, ist, dass wir Passagiere und damit auch die Airlines, uns ausschließlich fliegen lassen möchten von großen Megahubs, also großen Flughäfen in den Top-Metropolen der Welt. Sondern der Trend in den vergangenen Jahren ist auch von Boeing und Airbus befördert worden, dass wir versuchen, aus Großstädten in die Welt zu fliegen, und nicht nur aus den Metropolen. Es gibt also nicht nur ein Frankfurt-New York, sondern eben auch Düsseldorf-New York. Oder wird es künftig auch Stuttgart-Boston geben. Und diese Flüge, die knabbern natürlich an den ganz großen und verstopften Flughäfen, für die eigentlich dieses große Flugzeug gebaut worden war.
    Münchenberg: Auf der anderen Seite hat ja Boeing mit der 747 erst jüngst das 50. Jubiläum gefeiert. Wie passt das zusammen, wenn auf der anderen Seite eben jetzt Airbus verkündet, wir wollen den A380 nicht mehr bauen?
    Schellenberg: Die 747, sie war natürlich vor 50 Jahren mit einer Kapazität von ungefähr 400 Passagieren, sie war nicht nur das größte Passagierflugzeug, sondern sie war ja auch das erste Großraumflugzeug mit zwei Gängen und sogar einem Oberdeck, damals ja noch nicht richtig bestuhlt für Passagiere, sondern meistens mit so einer Bar. Also richtig Luxus, und das in ganz groß. Das war über viele Jahrzehnte der Benchmark, der Renner dieser Branche. Aber auch Boeing stellt mit der 747 zwar jetzt mit dem Jubiläum etwas Besonderes dar, aber sie stellen her nur noch wenige Frachtflugzeuge pro Jahr. Auch hier ist der Trend weggegangen von dem vierstrahligen Flugzeug, also dem Großraumflugzeug mit vier Triebwerken hin zu entsprechend großen Flugzeugen mit nur zwei Triebwerken - wartungsärmer und natürlich auch weniger Investitionen ins Triebwerksmaterial. Und das ist sicherlich ein zweiter Trend, dass man diese ganz langen Langstrecken, auch den längsten Flug der Welt von Singapur nach New York heutzutage mit einem zweistrahligen Flugzeug sicher fliegen kann.
    A380 von technologischer Entwicklung überholt
    Münchenberg: Also kann man einfach sagen, die Zeit der großen Passagiermaschinen mit vier Triebwerken, die ist einfach schlicht vorbei?
    Schellenberg: Ja. Das werden wir wahrscheinlich künftig anschauen nach dem Motto, schau, da ist noch mal einer mit vier Triebwerken. Das war früher das Symbol für Langstreckenverkehr. Heute sind die zwei, und technologisch eben auch sehr viele Neuerungen, beispielsweise Boeing mit der 777X, die auch im kommenden Jahr Lufthansa bekommen wird. Dieses Flugzeug soll dieses Jahr seinen Erstflug haben und hat einen sogenannten Folded Wing, also dieser Flügel wird an den Enden hochgeklappt, damit er in die Maße am Flughafen passt. Da hat sich einfach sehr viel getan, und dafür sind die letzten zehn Jahre, in denen der A380 produziert wurde und abgeliefert wurde an die Airlines, da ist eben auch technologisch viel geschehen.
    Münchenberg: Sie haben ja schon dieses Oberdeck bei der 747 angesprochen, luxuriös. Da gab es eine Bar. Auch der A380 steht ja eigentlich schon für mehr jetzt als ein bloßes Fortkommen von A nach B. Kann man vielleicht auch sagen, in Zeiten von Klimawandel und auch CO2-Bilanzen ist das einfach auch nicht mehr zeitgemäß?
    Schellenberg: Die Größe ist für die Airlines schon weiterhin attraktiv. Aber es gibt nicht genug Strecken, auf denen dieses Flugzeug konstant, also im Jahresrhythmus mit 85, 90 Prozent ausgelastet werden kann, weil eben auch viele kleinere Strecken mit 200, 300 Sitzen bedient werden. Also der Klimawandel und auch der Wunsch, Kerosin einzusparen – natürlich verbraucht ein vierstrahliges Flugzeug mehr Kerosin. Aber dieser Wunsch, der wohnt den Airlines schon inne, denn Kerosin sparen heißt Umwelt entlasten, und auch das Treibstoffbudget der Airlines zu entlasten. Der Passagier zahlt ja nicht mehr, wenn mehr verbraucht wird, und kriegt aber auch keinen Rabatt, wenn weniger verbraucht wird. Insofern, die Dinge gehören schon zusammen. Insgesamt ist aber der Langstreckenverkehr, und ich sage mal etwas übersetzt, auch das Besuchen von Menschen in anderen Erdteilen und das Kennenlernen fremder Kulturen, das ist weiterhin sicherlich auch ein Zukunftsthema.
    Airbus hat andere Zukunftsprojekte geschaffen
    Münchenberg: Herr Schellenberg, lassen Sie uns noch mal auf Airbus selbst schauen. Wie schwer wiegt jetzt dieser Prestigeverlust, dass sich die A380 nicht mehr rentiert? Weil es ging ja auch drum, eben dem Dauerrivalen Boeing mit der erfolgreichen 747 hier Paroli zu bieten. Und jetzt geht mal als Verlierer vom Platz.
    Schellenberg: Für die A380 ist es sicherlich ein Verlust, und auch für Airbus natürlich, dass das Zukunftskonzept mit dem größten Passagierflugzeug der Welt wirtschaftlich nicht aufgegangen ist. Aber für die Passagiere, für die Airlines hat man schon etwas ganz Besonderes geboten. Und auch die Technologie, mehr Verbundstoffe in das Flugzeug zu bringen, Flugzeuge generell leichter zu bauen, diese Dinge sind fortgesetzt worden in der Entwicklung der A350, die jetzt ja von Emirates bestellt wird. Dort hat es einen Deal gegeben, das kleinere, zweistrahlige Langstreckenflugzeug zu bestellen, was witzigerweise Emirates schon mal bestellt hatte. Diese Bestellungen wurden dann auf die A380 umgeleitet, das Ganze nun wieder zurück. Zeigt auch ein bisschen, dass man es doch mit einem Kunden zu tun hat, der auch besondere Wünsche pflegt.
    Insgesamt hat Airbus sich natürlich mit der A350 und auch der für die Mittel- und Langstrecke geeigneten A330neo Zukunftsprojekte im eigenen Haus geschaffen. Von der A380 sollten nur noch sechs pro Jahr hergestellt werden in Zukunft. Insofern glaube ich, wenn man auch mal auf die Börse schaut heute, da dürfte dieses Gefühl schon vorweggenommen worden sein, die A380 wird es nicht mehr schaffen. Und das wird einfach heute umgesetzt.
    "Entwicklungskosten nicht in kleinstem Maße eingespielt"
    Münchenberg: Aber immerhin, der Konzern hatte ja zwölf Milliarden Dollar da investiert oder Euro für die A380-Entwicklungskosten. Ist das Geld nicht letztlich in den Sand gesetzt?
    Schellenberg: Was die A380 angeht, wird man diese Entwicklungskosten nicht in kleinstem Maße eingespielt haben. Wichtig war für Airbus zuletzt, die Produktionskosten einzuspielen und die Maschine eben noch wirtschaftlich bauen zu können, wenn man isoliert diesen Prozess anschaut. Ich habe das so verstanden, dass das Flugzeug 2021 mal zum letzten Mal gebaut wird. Ich denke also, bis dahin keine neuen Verluste, und die alten Verluste, die bleiben erst mal in den Büchern.
    Münchenberg: Ganz kurz: Welcher ist der bessere Flieger: 747 oder A380?
    Schellenberg: Beide fantastisch, beide Königinnen der Lüfte. Die 747 ist vertrauter, weil sie schon 50 ist. Aber die A380, wenn man sie anschaut am Flughafen, die gibt einem auch das Gefühl, das ist ein fantastisches Flugzeug zum Anschauen.
    Münchenberg: Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Schellenberg, Danke für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.