Sonntag, 12. Mai 2024

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Aus für Spiegel-Chefredakteur Büchner
"Wieder scheitern. Besser scheitern."

Von Anfang an hatte Wolfgang Büchner wenig Glück beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Die Mitarbeiter warfen ihm falsche Personal- und Strategieentscheidungen vor. Zum Jahresende haben sich Verlag und Chefredakteur getrennt. Ob das für die Zukunft des Spiegels gut oder schlecht ist, bleibt offen.

04.12.2014
    Wolfgang Büchner spricht am 03.11.2014 in Hamburg bei der Festveranstaltung zum zwanzigjährigen Jubiläum des Onlineauftritts des Spiegel Verlages. Er verzieht den Mund.
    Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Wolfgang Büchner, spricht am 03.11.2014 in Hamburg bei der Festveranstaltung zum zwanzigjährigen Jubiläum des Onlineauftritts des Spiegel Verlages. (Marcus Brandt, dpa)
    Seit wann der scheidende Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner ein Zitat von Samuel Beckett in seinem Twitter-Profil stehen hat, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Womöglich wollte er es sich nicht nehmen lassen, uns Kollegen einen perfekten Einstieg in dieses Resümee zu liefern.
    "Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better."
    "Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern."
    Nun ist es passiert. Seit September 2013 hatte Büchner versucht, im Spiegel-Verlag eine neue Strategie umzusetzen. Er war der erste Chefredakteur, der sowohl für das gedruckte Heft als auch für "Spiegel Online" zuständig war. Der 48-Jährige wollte die beiden Marken besser miteinander verschränken, mehr Austausch ermöglichen. Er setzte ein leicht verändertes Layout durch, brachte Leitartikel und Kolumnen unter und änderte den Erscheinungstag des Spiegel – ab 10. Januar kommt er samstags statt montags heraus.
    "Spiegel" gegen "Bild"
    Doch von Anfang an gab es Widerstand aus der Redaktion. Noch vor seinem ersten Arbeitstag holte Büchner Nikolaus Blome zum Spiegel, der vorher stellvertretender Chefredakteur der "Bild"-Zeitung war. Spiegel und Bild sind in der Wahrnehmung vieler Leser nicht nur in ihrem Qualitätsanspruch gegensätzlich, sondern auch in der politischen Ausrichtung. Büchner konnte Blome nicht als seinen Stellvertreter wegen des Widerstands aus den eigenen Reihen nicht durchsetzen, er wurde lediglich "Mitglied der Chefredaktion". Auch Veränderungen bei Ressortleiter-Besetzungen gingen manchen Redakteuren zu weit. Im August sollten alle Ressortleiterstellen des gedruckten Spiegel möglichst schnell neu ausgeschrieben werden. Das Ziel waren Doppelspitzen für Print und Online. Doch die meisten Print-Redakteure lehnten das ab.
    Dass ein Chefredakteur beim Spiegel nicht alle Entscheidungen allein treffen kann, liegt an der Mitarbeiter-KG, dem sehr machtvollen Zusammenschluss der Redakteure des gedruckten Spiegels. Die länger beschäftigten Angestellten halten 50,5 Prozent der Spiegel-Anteile, damit haben sie deutlich mehr Einfluss auf bestimmte Entscheidungen als Redakteure anderer Blätter und sind auch am Gewinn des Spiegel-Verlags beteiligt. Diese Struktur kannte Büchner aus seiner Zeit als Chefredakteur von Spiegel Online in den Jahren 2008 und 2009, von der er aus zur Nachrichtenagentur dpa ging.
    Gegenseitige Vorwürfe
    Ein Mann mit einer Ausgabe des Magazins "Der Spiegel" vom 4. Mai 2014
    Das meiste Geld verdient der Verlag immer noch mit dem gedruckten Spiegel. (picture alliance / dpa)
    Warum es mit Büchner als Chefredakteur nicht geklappt hat, ist schwer zu sagen. Für die Mitarbeiter-KG ist Büchner offenbar der "bad guy", urteilt unser Hamburg-Korrespondent Axel Schröder. Büchner habe den Spiegel komplett umkrempeln wollen und an Pfründe der Redakteure heran gewollt. Spiegel-Redakteur Cordt Schnibben sieht das anders. In einem Facebook-Eintrag schreibt er, bekomme habe man einen Chefredakteur, der "Online und Print gegeneinander in Stellung gebracht hat, der Diskussionen mit Redakteuren großräumig vermied, der als journalistischer Inspirator weder bei Print noch bei Online auffiel". Für Büchner selbst war die KG offenbar ein träger Apparat, der diese Pfründe verteidigen wollte, während sich die Redakteure von Spiegel Online durch die engere Verzahnung mit dem Print-Bereich eine Aufwertung ihrer Tätigkeit erhofft haben dürften. Sie sind im Durchschnitt jünger als die Print-Redakteure, bekommen weniger Gehalt und werden nicht in die Mitarbeiter-KG aufgenommen.
    Anfang November hatten die Spiegel-Redakteure mehrheitlich von der Verlagsführung gefordert, das Führungvakuum zu beenden.
    Zukunft des Spiegel erstmal offen
    "Büchners heikle Mission", schrieben Medien über den Plan des Chefredakteurs, die Rede war vom "Showdown" im Verlag. Büchner hatte versucht, den Spiegel auch für die Zukunft aufzustellen. Noch wird das meiste Geld durch die Print-Ausgabe verdient, doch der Verlag will sich auch neue Erlösquellen im Internet erschließen. Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe kündigte im Oktober an, ab Mitte 2015 kostenpflichte Zusatzangebote auf Spiegel Online einzuführen. Doch mit Büchner verlässt auch Saffe den Spiegel.
    Das Verlagsgebäude des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" in Hamburg bei Nacht.
    Das Verlagsgebäude des Nachrichtenmagazins in Hamburg. (dpa / picture alliance / Marcus Brandt)
    Warum Büchner genau geht, teilte der Verlag nicht mit. Über seine Nachfolge und die Saffes soll noch entschieden werden. Mindestens bis dahin werden Print und Online wie vor Büchner wieder getrennt geführt: Die stellvertretenden Print-Chefredakteure Klaus Brinkbäumer und Clemens Höges leiten die Print-Ausgabe, die Vize-Onlinechefs Barbara Hans und Florian Harms das digitale Angebot.
    (stfr/vic)