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Aus Müll mach Diesel

Ein Maschinenbauer in Pirmasens hat eine Anlage entwickelt, die aus Plastikabfällen Diesel gewinnt. Die Pilotanlage kann 100 Liter Diesel pro Stunde produzieren, für 30 Cent pro Liter. Großanlagen sind bereits geplant.

Von Nick Schader | 08.06.2006
    In einer Produktionshalle des Pirmasenser Maschinenbauers Schön und Sandt steht der Prototyp. Auf einer Grundfläche von rund zehn mal zehn Metern hat die gesamte Anlage Platz. Am Anfang stehen große Silos, dann folgen zahlreiche Rohre und Pumpen, am Ende steht ein Dieseltank. Der Chemiker Dr. Jens Elsner zeigt das Ausgangsmaterial:

    "Das Granulat, in seiner Kurzform PBT, Polybutylenterephtalat, ist ein enger Verwandter vom PET, aus dem die Plastik-Mehrwegflaschen sind. Das waren früher mal Teile für Luftmassenmesser oder Gehäuse von ABS-Elektroniken."

    Eben kleingehäckselter Müll aus der Automobilindustrie. In der Testanlage soll aus diesen Abfällen wieder ein Rohstoff werden. Einer der Hauptvorteile: Im Gegensatz zur Verbrennung arbeitet man hier mit deutlich niedrigeren Temperaturen:

    "Weil, über 400 Grad kommen sie in den Bereich, wo bei Anwesenheit von Chlor und Fluor entsprechend die Dioxine oder Furane entstehen, die dann sehr giftig sind und mit sehr viel Aufwand rausgefiltert werden müssen."

    So wie bei herkömmlichen Müllverbrennungssystemen. Die Anlage in Pirmasens kann durch kleine Änderungen mit ganz unterschiedlichen Ausgangsstoffen, also Müllsorten, gespeist werden, sagt der Erfinder, des weltweit patentierten Verfahrens, Dr. Christian Koch.

    "Die mineralischen Stoffe, Kunststoff, Öle, und Gummi sowie die biologischen Stoffe zu denen natürlich auch das Papier gehört, was ja aus dem Holz extrahiert ist. Daneben alle landwirtschaftlichen Eingangsstoffe von Stroh über Ackerrückstände und dergleichen, die Kohlenwasserstoff enthalten."

    Das eigentliche Herzstück der Anlage ist eine rund ein Meter lange Turbine, in der die chemischen und physikalischen Prozesse ablaufen. Als Reaktionsbeschleuniger, also als Katalysator, dient ein Natrium-Aluminium-Gemisch, das zugeführt wird.

    "Im ersten Teil dieser Turbine geschieht die Verflüssigung. So werden Kunststoff, die Papiere und die anderen Reststoffe in eine flüssige Form überführt. Nach dem Steuerteil geht es dann in die eigentliche Verdampfung, wo der Katalysator die Moleküle noch weiter verkürzt und als Dieseldampf abscheidet. Das ist eine Aggregatszustandsänderung, das heißt also, nur reiner Stoff geht nach oben, wie beim destillierten Wasser, hier eben destilliertes Diesel. Alles andere, was an Schadstoffen gebunden ist, verdampft nicht bei diesen Temperaturen von 300 Grad, sondern bleibt zurück und wird dann als anorganischer Stoff ausgetragen."

    Der Wirkungsgrad der Anlage liege bei 92 Prozent, sagt Dr. Christian Koch. Dementsprechend fielen auch nur sehr geringe Mengen Reststoffe an, zum Beispiel Salze. Aus 100 Kilo Plastik-Granulat werden so 92 Kilo Öl.

    "Dieser Stoff wird dann, nachdem er entstanden ist, noch mal aufraffiniert, damit man die Normen alle erfüllt. Und erst der nochmals nachverdampfte Diesel kommt dann in den Motor oder die Verbrennungsanlage hinein."

    Und weil es sich um ein vollständig geschlossenes System handelt, fallen im Betrieb keinerlei Abgase an. Aus Müll mach Diesel - eine Revolution der Abfall- und Energiewirtschaft? Günter Walter nickt zustimmend. Seine Firma Waste-Energy beliefert seit Jahren die Abfallbeseitigungsindustrie:

    "Wir haben uns etwa ein Jahr lang mit alternativen Lösungen beschäftigt, haben diese auch getestet und sind am Ende zu der Überzeugung gelangt, dass das hier gezeigte Verfahren, das KDV-Verfahren, das am besten geeignete ist. Wir sind umso erfreuter, dass heute nachgewiesen werden konnte, dass auch im industriellen Umfeld der Prozess steht. Es ist eine echte Revolution, die aber, wie wir heute gesehen haben, schon hohen Realitätswert hat."

    Die Pirmasenser Anlage kann 100 Liter Diesel pro Stunde produzieren, für 30 Cent pro Liter. Die Firma Waste-Energy plant bereits ganz konkret zwei Großanlagen zu bauen. Nur die Zuverlässigkeit im Dauerbetrieb müsse noch bewiesen werden, sagen interessierte Investoren, die an diesem Tag extra aus Chile, Ungarn und Slowenien angereist sind. Die größte derzeit verfügbare Anlage für 2000 Liter Diesel pro Stunde kostet rund neun Millionen Euro. Neben den positiven Umweltaspekten hofft die Pirmasenser Firma Schön und Sandt durch Aufbau und Wartung der Anlagen zahlreiche hochqualifizierte Arbeitsplätze sichern zu können. Geschäftsführer Norbert Obry ist optimistisch:

    "Wir erwarten in diesem Jahr auf jeden Fall den Verkauf, so wie die heutigen Gespräche gelaufen sind, denn wir haben sehr viele Anfragen. Ich denke, dass wir schon in diesem Jahr die ersten Anlagen verkaufen und liefern."