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Ausfallbürgschaft des Bundes nur eine von vielen Möglichkeiten?

Probst: Ich begrüße Wolfgang Holzhäuser, Finanzchef bei Bayer Leverkusen. Guten Tag, Herr Holzhäuser.

    Holzhäuser: Guten Tag.

    Probst: Bekommen Sie da Skrupel oder teilen Sie die Sicht von Willi Lemke, dass da Millionen öffentlicher Gelder bereitgestellt werden sollen, um den Profifußball zu retten, um die Liquidität von Jungmillionären zu gewährleisten?

    Holzhäuser: Na gut, Willi Lemke war auch zu seiner Zeit als Manager von Werder Bremen jemand, der schon dem Populismus sehr nahe stand und ich werte seine Äußerungen auch politisch sehr populistisch. Darum geht es nicht. Die Sache ist eigentlich viel einfacher. Es geht darum, dass die Liga - bevor neue Maßnahmen in die Wege geleitet werden müssen, würde Kirch in der Tat ausfallen - eine Überbrückungszeit braucht, und für diese Überbrückungszeit braucht man eben finanzielle Mittel, weil sie nun mal die Kosten nicht so schnell anpassen können wie es notwendig wäre, würden die Erträge so zurückfallen. Die Mittel bekommt man bei der Bank und eine Bank gibt nur dann einen Kredit, wenn eine Bürgschaft, eine Ausfallbürgschaft da ist. Im Gegensatz zu Willi Lemke bin ich nicht der Auffassung, dass eine Bürgschaft automatisch Geld bedeutet, denn eine Bürgschaft sichert lediglich einen Kredit ab und der Kredit muss eben zurückgezahlt werden. Und so wird es auch laufen, für den Fall, dass die Liga einen Kredit braucht, um auch weiterhin bei Rot-Weiß Oberhausen oder von mir aus auch hier beim VfL Bochum Fußball weitersehen zu können, wird sie ihn ja wieder zurückzahlen müssen, so dass eine Ausfallbürgschaft des Bundes nicht automatisch bedeutet, dass der Steuerzahler das Geld dafür geben muss. Das halte ich für übertrieben populistisch.

    Probst: Aber, Herr Holzhäuser, aus dem was Sie sagen kann man ja dann folgern, dass die Vereine als solche bei den Banken nicht kreditwürdig sind, wenn sie öffentliche Bürgschaften brauchen?

    Holzhäuser: Wissen Sie, ich weiß nicht, wie Sie es machen, wenn Sie zur Bank gehen und einen Kredit holen? Wenn Sie einen Kredit holen, müssen Sie möglicherweise auch eine Gehaltsabtretung vornehmen. Das ist ganz normal, weil die Bank den Kredit, den sie gibt, ja wieder zurückzahlen muss.

    Probst: Nun sind die Vereine ja Wirtschaftsunternehmen mit Umsätzen, ich weiß nicht im wie vielstelligen Millionenbereich, da sollte man doch eigentlich auch eine gewisse Wirtschaftlichkeit und damit Kreditwürdigkeit erwarten können, oder?

    Holzhäuser: Die Kreditwürdigkeit ist ja da, sonst könnten sie ja den Apparat, den die Vereine drehen sowohl in der Zweiten Liga als auch in der Bundesliga nicht drehen. Es ist nun mal so. Nur wenn Ihnen von heute auf morgen, was unterstellt wird bei der ganzen Diskussion, 30 bis 40 Prozent des Umsatzes ausfallen, dann haben Sie nun mal ein Finanzierungsloch, das sie überbrücken müssen. Überbrücken heißt aber im Ergebnis, dass Sie, nachdem die Brückenfinanzierung abgelaufen ist, diesen Kredit wieder zurückzahlen müssen. Das ist ganz normal. Wenn ich heute die Investitionen in ein Stadion hier in Leverkusen vornehme, dann muss ich das Geld auch von der Bank holen und danach das Geld wieder zurückzahlen.

    Probst: 30 bis 40 Prozent sagen Sie. Ist das eine pauschale Summe quer durch alle Vereine und Ligen oder bezieht sich das auch auf Bayer Leverkusen?

    Holzhäuser: Gut, das ist natürlich individuell unterschiedlich, aber wenn ich das mal so im Schnitt, nach den Gesprächen, die man auch mit Kollegen führt, durch den Kopf gehen lasse, dann glaube ich, dass es im Schnitt so zwischen 30 und 40 Prozent des Umsatzes sein werden. Bei dem einen oder anderen Verein vielleicht sogar noch etwas höher, bis zu 50 Prozent.

    Probst: Und bei Bayer Leverkusen selbst, wie hoch ist da der Anteil? Können Sie das sagen? Ich meine, man konnte lesen, dass Bayer Leverkusen neben Bayern München wohl eine der wenigen Clubs wäre, die nicht von der Pleite oder von derartigen Engpässen finanzieller Art bedroht wären.

    Holzhäuser: Das halte ich auch für nicht ganz richtig, dies in dieser pauschalen Form zu sagen: Bayern München wird das gleiche Problem wie Bayer Leverkusen haben, wie der VfL Bochum oder Rot-Weiß Oberhausen. Das Delta ist prozentual betrachtet gleich, nur die Ebene ist eine andere. Natürlich wird es einem Verein wie Bayern München oder Bayer Leverkusen oder dem ein oder anderen großen Verein - so genannten großen Verein - der Bundesliga leichter fallen, eine Zwischenfinanzierung selbst auf die Beine zu stellen, aber letztlich fehlen ganz banal 30 bis 40 Prozent des Umsatzes, und die können Sie nicht von heute auf morgen durch Kostenanpassung ersetzten. Das ist in dem Geschäft nicht möglich.

    Probst: Es hat Gespräche gegeben - das klang eben in dem Bericht an. Sie wurden inzwischen auch aus der Staatskanzlei in Düsseldorf bestätigt. Sie sind im Februar auch bei dem Treffen mit Ministerpräsident Clement wohl dabei gewesen. Wie weit sind denn die Gespräche gediehen? Es hießt ja eben, es gebe noch keine festen Absprachen.

    Holzhäuser: Ja, das muss man auch dazu sagen. Das ist eine der Optionen, die wir mal diskutiert haben, für den Fall, dass wir eine Brückenfinanzierung, wie das ja neuerdings seit der Kirch-Diskussion heißt, brauchen: Wer könnte denn möglicherweise Sicherheiten geben? Und wir haben bei dem Treffen damals natürlich auch mal versucht, den Politikern deutlich zu machen, was es bedeuten würde, würden die Kirch-Media-Gelder von heute auf morgen ausfallen. Da geht es ja nicht nur darum, einen Stefan Effenberg in Bayern München weiter Fußball spielen zu sehen, es geht auch darum, den Ersatzspieler von Union Berlin zukünftig beim Spiel Union Berlin gegen Babelsberg weiter auf dem Platz rumlaufen zu sehen, und der Zuschauer, der am Fernsehschirm oder im Fußballstadion sitzt, der freut sich ja nun mal auch, wenn weiter Fußball gespielt wird. Und wir haben versucht, der Politik deutlich zu machen, um welchen Betrag es geht, den man zwischenfinanzieren muss. Da ist eine der Optionen nun mal die Frage, ob der Bund bereit wäre, für eine gewisse Zeit eine Ausfallbürgschaft zu geben. Aber das ist nur eine der Optionen. Möglicherweise sind wir auch in der Lage, die Strategiepapiere, die für den Fall der Fälle selbstverständlich von uns sehr frühzeitig erstellt worden sind, schneller zur realisieren, so dass eine Brückenfinanzierung in der angedachten Form gar nicht nötig ist. Also, die Gespräche, die in Düsseldorf geführt wurden, sind nach unserer Information auf Arbeitsebene weitergeführt worden. Wir haben noch nicht von höheren Beträgen gesprochen, sondern einfach mal die Problematik dargestellt. Aber weiterführende Gespräche gab es bis dato nicht.

    Probst: Von Effenberg runter bis Union Berlin, Herr Holzhäuser, da stellt sich natürlich schon ein bisschen die Frage, ob die Relationen dann noch stimmen, oder ob man das wirklich alles in einem Topf sehen kann, oder?

    Holzhäuser: Natürlich. Wissen Sie, ich sehe nun mal den Bundesliga-Fußball, den Zweitliga-Fußball als ein großes Unternehmen, das Unterhaltung produziert, und Unterhaltung heißt hier Sport, und es ist ja nicht nur so, dass wir hier den Zuschauer im Stadion bedienen. Wir bedienen ja auch Millionen Zuschauer draußen, die Samstag für Samstag sich in Millionenanzahl darüber freuen, dass sie die Fußballspitzenleistungen in der Spitze der Bundesliga sehen können, aber sich auch darüber freuen, wenn sie am Sonntag Mittag in der Wuhlheide in Berlin auf den Platz gehen dürfen oder abends in DSF sich das Fußballspiel angucken können. Und denen wollen wir dieses Geschäft schon erhalten. Ob wir das auf dieser Ebene zukünftig können, das kann ich nicht beurteilen. Im übrigen bin ich auch der Auffassung, dass dies nicht nur ein deutsches Problem darstellt. Wir tun immer so, als könnte man in Deutschland alles alleine regeln, wir sind auch verzahnt in Europa, wie die freie Wirtschaft auch, und wir müssen auch daran denken, dass wir, wenn wir in Europa weiter Spitzensport bieten wollen, auch in Konkurrenz zu anderen stehen. Nur auch in Europa haben wir ein Problem in diesem Bereich. Das ist ein globaler Prozess, den wir nicht so einfach, wie Lieschen Müller sich das vorstellt, hier in Deutschland regeln können.

    Probst: Also, daraus höre ich das Problem, dass es erkannt ist, dass die Relationen vielleicht nicht mehr so ganz stimmen, aber es schwer ist, dagegen anzugehen?

    Holzhäuser: Es ist schwer, kurzfristig dagegen anzugehen. Das ist doch ganz banal. Wissen Sie, wenn ich 100 Prozent Kosten habe und ich habe nur noch 70 Prozent Umsatz, dann muss ich irgendwann 30 Prozent der Kosten einsparen. Nur das gelingt Ihnen doch auch in der freien Wirtschaft nicht von heute auf morgen, geschweige denn in einem Geschäft, wo sie in Konkurrenz zu anderen stehen.

    Probst: Herr Holzhäuser, man muss natürlich auch sehen, dass sich langfristig, wenn es zum Ernstfall kommen würde, also Kirch Konkurs anmelden kann, die Frage des Ersatz-Anbieters stellt. Da gibt es ja nun fachkundige Stimmen, die sagen, man werde so schnell niemanden finden, der zu diesen Größenordnungen finanzieller Art in die Bresche springen würde?

    Holzhäuser: Ich muss Ihnen sagen, da wage ich keine Prophezeiungen. Im Gegensatz zu dem ein oder anderen Kollegen, der sich dazu äußert, werde ich nichts prophezeien. Ich bin nur der Auffassung, dass ich mir bei einer geschickten Diversifizierung und bei einem langfristigen Konzept durchaus vorstellen kann, dass man zumindest auf der gleichen Ebene zukünftig kalkulieren kann. Aber das bedarf natürlich auch einer gewissen Zeitspanne, die man einfach braucht, um es umzusetzen. Natürlich wird es schwieriger sein. Das ist ganz normal. Das ist nun mal die freie Marktwirtschaft, und der hängen wir ja alle so ein bisschen nach, obwohl man im Fußball die freie Marktwirtschaft so ganz nicht hat, was ja auch wiederum systemimmanent ist. Es ist nun mal so: Wenn dann ein Anbieter oder Abnehmer ausfällt - man hat plötzlich auf der anderen Seite nur noch ein, zwei Abnehmer -, dass der Preis normalerweise fällt. Aber ich halte es durchaus für denkbar, wenn man beispielsweise Signale selbst produziert, um Kosten zu sparen. Ich habe es noch nie so ganz eingesehen, warum wir nicht bei uns auf den Medienplatz hier in Leverkusen rausgehen, am Samstag Mittag da zehn Produktionswagen stehen - vielleicht komme ich auch mit fünf zu Rande und kann dadurch Kosten sparen. Aber das sind natürlich Prozesse, die müssen sie langfristig umsetzen. Das können Sie nicht von heute auf morgen. Deswegen brauchen wir auch die berühmte Brückenfinanzierung.

    Probst: Und die Obergrenze - das zum Schluss, Herr Holzhäuser - von 200 Millionen, die da im Gespräch ist aus Düsseldorf, würde die was nützen, oder wäre das...

    Holzhäuser: Also, ich muss Ihnen sagen, die Zahl von 200 überrascht mich, weil so konkret darüber gar nicht diskutiert wurde. Wir haben einfach mal die Möglichkeiten - unter anderem die Möglichkeiten - diskutiert, wie man so eine Brückenfinanzierung, unter anderem auch unter Zuhilfenahme, einer Ausfallbürgschaft gestalten kann. Ich vermute, dass man aus den beiden fälligen Raten am 15. Mai und am 15. August, die etwas 105 Millionen DM waren, einfach die Zahl 200 abgeleitet hat. Über Zahlen haben wir gar nicht gesprochen. Das war eine abstrakte Diskussion.

    Probst: Wolfgang Holzhäuser war das, Finanzchef bei Bayer 04 Leverkusen. Danke.