Der eine Mann heißt Rauf Denktasch, der andere heißt Tassos Papadopoulos. Der eine führt die türkische Volksgruppe im Norden der Insel, der andere die griechische Volksgruppe im Süden. Einig waren sie sich, vereinfacht gesagt nur darin, dass der UNO-Plan zur Wiedervereinigung ihrer Heimat dringend abgelehnt werden muss. Warten auf Zypern. Gestern war sicherlich einer der wichtigsten Tage in der Geschichte der geteilten Insel. Die Bewohner sollten nun selbst über ihre Zukunft entscheiden. Wiedervereinigung - ja oder nein?
Die Volksbefragung ist gescheitert, und das war keine Überraschung. Während im türkischen Norden ein Mehrheit, trotz der Beschwörungen ihres Führers Rauf Denktasch mit "Ja" stimmte, gab es im Süden bei den griechischen Zyprioten ein sehr klares "Nein". Damit ist der nächste Akt in diesem Stück besonders ironisch. Trotz des "Neins" kann der Süden am 1. Mai der EU beitreten. Nicht aber der Norden, der bleibt nun vorerst weiterhin isoliert und wirtschaftlich geächtet.
Deutschlandfunk: Am Telefon begrüße ich Niyazi Kizilyürek. Sein Lebenslauf könnte ein Vorbild sein, denn er ist zwar ein türkischer Zypriot, lebt aber im griechischen Süden, und dort ist er Professor für türkische Studien an der "University of Cyprus". Herr Kizilyürek, ich denke, die Enttäuschung ist auch bei Ihnen groß.
Kizilyürek: Ja natürlich. Ich hatte mir auch gewünscht und erwartet, wie alle Welt, dass man heute vereinigt ist, aber das ist nicht so.
Deutschlandfunk: Sind Sie überrascht oder haben Sie eigentlich schon gewusst, dass es nichts werden würde?
Kizilyürek: Überrascht bin ich wirklich nicht, weil ich die ganze Zeit über verfolgt habe, wie die ganzen Verhandlungen gelaufen sind. Ich habe gesehen, wie die großen Parteien der griechischen Zyprioten zum Annan-Plan standen und auch der Präsident Papadopoulos. Ich glaube, das war zu erwarten, was wir heute sehen.
Deutschlandfunk: Versuchen wir einmal beide Seiten zu verstehen. Fangen wir im Norden der Insel an. Warum haben denn die türkischen Zyprioten mit "Ja" gestimmt? Warum sind sie für die Wiedervereinigung?
Kizilyürek: Die türkischen Zyprioten haben nach der Teilung der Insel von 74 lange Jahre isoliert gelebt, eine internationale Politik haben sie nicht haben können. Sie sind kein Mitglied der internationalen Gemeinschaft gewesen, weil sie nicht anerkannt waren. Ökonomisch waren sie auch stark abhängig von der Türkei, was zu mehreren Problemen geführt hat. Die neue Generation hatte keine Chance mehr auf Zypern. Viele sind weggegangen, sie waren enttäuscht von dem Regime. Die EU-Perspektive war für sie ein Fortschritt, dass sie vielleicht gemeinsam mit den griechischen Zyprioten der EU beitreten würden. Wegen dieser Gründe haben sie sich für eine Wiedervereinigung eingesetzt und haben die Politik von "Teilung" abgelehnt. Es gab immer eine kleine Gruppe von Intellektuellen, die sich für die Teilung eingesetzt haben, aber in den letzten Jahren haben wir eine Maske darüber gehabt, und jetzt können wir sagen, dass gestern die historische Figur der zypriotischen Politik und der "Architekt der Teilung" gesiegt hat. Aber trotzdem sind die Türken nicht in der EU, und Zypern ist auch nicht vereinigt. Die griechischen Zyprioten waren eigentlich von Anfang an dagegen Obwohl sie theoretisch über eine föderale Lösung gesprochen haben, hat die politische Elite die Leute hier niemals richtig informiert, was es bedeuten würde, einen gemeinsamen Staat mit türkischen Zyprioten zu haben. Ich glaube, es gab einen Diskurs über Föderation, aber hier hat sich keine föderale Kultur entwickelt. Dazu kommt natürlich, dass die Leute nicht informiert waren, dass die türkischen Zyprioten nicht als richtige Mitbürger Zyperns gesehen wurden, dass der EU-Beitritt von Zypern irgendwie ohne Lösung gesichert war. Als der Moment für die Lösung gekommen war, hatten sie kein richtiges Interesse daran.
Deutschlandfunk: Warum haben denn die Griechen mit einem so starken "Nein" gestimmt? Sind da vielleicht auch Ängste im Spiel?
Kizilyürek: Ich würde sagen, zwei Dinge haben eine Rolle gespielt. Erst mal die Ängste, die Sicherheitsängste sozusagen. Ich glaube, das kann man verstehen bei einer Volksgruppe, die eine Inversion miterlebt hat, die deshalb bestimmte Traumata hat. Die Sicherheitsgefühle sind von vielen Politikern manipuliert worden. Der Präsident Papadopoulos hat von Anfang an den Annan-Plan nicht gemocht und hat den Menschen nur die negativen Seiten des Plans vorgestellt. Er hat selber sehr viel über die Unsicherheit gesprochen, und am Ende waren die Menschen überzeugt davon, dass dieser Plan nicht gut ist.
Deutschlandfunk: Ist das ein Konflikt der alten Generation gewesen? Man sieht immer diese beiden Herren in ihren schwarzen Anzügen, die immer mit "Nein" gestimmt haben, wenn es um eine Wiedervereinigung ging. Es gibt den Spitznamen für Rauf Denktasch, "Mister No". Kann es sein, dass dieser Konflikt einfach aus einer Vergangenheit übrig geblieben ist?
Kizilyürek: Das ist zum Teil korrekt. Die beiden "Mister No's", die wir hier auf Zypern haben, sind natürlich Politiker der 50er Jahre, die sich für ganz andere, große, nationale Ideen eingesetzt haben. Herr Papadopoulos hat sich seit den 50er Jahren für die Vereinigung Zyperns mit Griechenland eingesetzt. Man muss vielleicht einmal sehen, was in der Vergangenheit bleiben sollte, aber wieder so populär geworden ist. Gerade in der griechischen Volksgruppe, gerade unter den jungen Menschen. In Nordzypern ist seine Politik schon abgelehnt worden und gerade die jüngeren Nordzypern haben sehr dynamisch darauf hin gearbeitet.
Deutschlandfunk: Was für Folgen sind jetzt zu erwarten? Können Sie sich vorstellen, dass wir jetzt in nächster Zukunft ein weiteres Referendum bekommen, also eine weitere Chance für die griechischen Zyprioten?
Kizilyürek: Das ist natürlich die Frage, die alle Welt sich stellt. Ich glaube ja, weil die EU nicht mit so einem problematischen Staat zusammenleben kann. Da muss eine Lösung gefunden werden. Die EU wird sich meiner Meinung nach stärker einsetzen für eine Lösung. Ich glaube, die Folgen könnten so zusammengefasst werden: Erstens finden sich beide Volksgruppen heute weit weg voneinander. Die türkischen Zyprioten sind wirklich enttäuscht, weil sie sich eingesetzt, gekämpft haben und es geschafft haben, gegen die Politik von Herrn Denktasch zu siegen, damit sie zusammen mit den griechischen Zyprioten in die EU kommen. Das haben sie nicht geschafft, weil die Griechen einfach auch "Nein" zu den türkischen Zyprioten gesagt haben. Das Zweite wird eine Krise mit der EU sein, weil die Republik Zypern legal gesehen jetzt Mitglied ist, aber es die Legitimitätsfrage für die Republik gibt. Deswegen wird die EU sich weiter einsetzen, und die Zyprioten hier werden mehr und mehr verstehen, was sie gestern gemacht haben. Ich glaube, die 25 Prozent der Stimmen, die "Ja" gesagt haben, werden sich von Tag zu Tag vergrößern. Vielleicht werden wir hier noch eine Chance haben.
Deutschlandfunk: Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch und viele Grüße nach Nikosia.
Die Volksbefragung ist gescheitert, und das war keine Überraschung. Während im türkischen Norden ein Mehrheit, trotz der Beschwörungen ihres Führers Rauf Denktasch mit "Ja" stimmte, gab es im Süden bei den griechischen Zyprioten ein sehr klares "Nein". Damit ist der nächste Akt in diesem Stück besonders ironisch. Trotz des "Neins" kann der Süden am 1. Mai der EU beitreten. Nicht aber der Norden, der bleibt nun vorerst weiterhin isoliert und wirtschaftlich geächtet.
Deutschlandfunk: Am Telefon begrüße ich Niyazi Kizilyürek. Sein Lebenslauf könnte ein Vorbild sein, denn er ist zwar ein türkischer Zypriot, lebt aber im griechischen Süden, und dort ist er Professor für türkische Studien an der "University of Cyprus". Herr Kizilyürek, ich denke, die Enttäuschung ist auch bei Ihnen groß.
Kizilyürek: Ja natürlich. Ich hatte mir auch gewünscht und erwartet, wie alle Welt, dass man heute vereinigt ist, aber das ist nicht so.
Deutschlandfunk: Sind Sie überrascht oder haben Sie eigentlich schon gewusst, dass es nichts werden würde?
Kizilyürek: Überrascht bin ich wirklich nicht, weil ich die ganze Zeit über verfolgt habe, wie die ganzen Verhandlungen gelaufen sind. Ich habe gesehen, wie die großen Parteien der griechischen Zyprioten zum Annan-Plan standen und auch der Präsident Papadopoulos. Ich glaube, das war zu erwarten, was wir heute sehen.
Deutschlandfunk: Versuchen wir einmal beide Seiten zu verstehen. Fangen wir im Norden der Insel an. Warum haben denn die türkischen Zyprioten mit "Ja" gestimmt? Warum sind sie für die Wiedervereinigung?
Kizilyürek: Die türkischen Zyprioten haben nach der Teilung der Insel von 74 lange Jahre isoliert gelebt, eine internationale Politik haben sie nicht haben können. Sie sind kein Mitglied der internationalen Gemeinschaft gewesen, weil sie nicht anerkannt waren. Ökonomisch waren sie auch stark abhängig von der Türkei, was zu mehreren Problemen geführt hat. Die neue Generation hatte keine Chance mehr auf Zypern. Viele sind weggegangen, sie waren enttäuscht von dem Regime. Die EU-Perspektive war für sie ein Fortschritt, dass sie vielleicht gemeinsam mit den griechischen Zyprioten der EU beitreten würden. Wegen dieser Gründe haben sie sich für eine Wiedervereinigung eingesetzt und haben die Politik von "Teilung" abgelehnt. Es gab immer eine kleine Gruppe von Intellektuellen, die sich für die Teilung eingesetzt haben, aber in den letzten Jahren haben wir eine Maske darüber gehabt, und jetzt können wir sagen, dass gestern die historische Figur der zypriotischen Politik und der "Architekt der Teilung" gesiegt hat. Aber trotzdem sind die Türken nicht in der EU, und Zypern ist auch nicht vereinigt. Die griechischen Zyprioten waren eigentlich von Anfang an dagegen Obwohl sie theoretisch über eine föderale Lösung gesprochen haben, hat die politische Elite die Leute hier niemals richtig informiert, was es bedeuten würde, einen gemeinsamen Staat mit türkischen Zyprioten zu haben. Ich glaube, es gab einen Diskurs über Föderation, aber hier hat sich keine föderale Kultur entwickelt. Dazu kommt natürlich, dass die Leute nicht informiert waren, dass die türkischen Zyprioten nicht als richtige Mitbürger Zyperns gesehen wurden, dass der EU-Beitritt von Zypern irgendwie ohne Lösung gesichert war. Als der Moment für die Lösung gekommen war, hatten sie kein richtiges Interesse daran.
Deutschlandfunk: Warum haben denn die Griechen mit einem so starken "Nein" gestimmt? Sind da vielleicht auch Ängste im Spiel?
Kizilyürek: Ich würde sagen, zwei Dinge haben eine Rolle gespielt. Erst mal die Ängste, die Sicherheitsängste sozusagen. Ich glaube, das kann man verstehen bei einer Volksgruppe, die eine Inversion miterlebt hat, die deshalb bestimmte Traumata hat. Die Sicherheitsgefühle sind von vielen Politikern manipuliert worden. Der Präsident Papadopoulos hat von Anfang an den Annan-Plan nicht gemocht und hat den Menschen nur die negativen Seiten des Plans vorgestellt. Er hat selber sehr viel über die Unsicherheit gesprochen, und am Ende waren die Menschen überzeugt davon, dass dieser Plan nicht gut ist.
Deutschlandfunk: Ist das ein Konflikt der alten Generation gewesen? Man sieht immer diese beiden Herren in ihren schwarzen Anzügen, die immer mit "Nein" gestimmt haben, wenn es um eine Wiedervereinigung ging. Es gibt den Spitznamen für Rauf Denktasch, "Mister No". Kann es sein, dass dieser Konflikt einfach aus einer Vergangenheit übrig geblieben ist?
Kizilyürek: Das ist zum Teil korrekt. Die beiden "Mister No's", die wir hier auf Zypern haben, sind natürlich Politiker der 50er Jahre, die sich für ganz andere, große, nationale Ideen eingesetzt haben. Herr Papadopoulos hat sich seit den 50er Jahren für die Vereinigung Zyperns mit Griechenland eingesetzt. Man muss vielleicht einmal sehen, was in der Vergangenheit bleiben sollte, aber wieder so populär geworden ist. Gerade in der griechischen Volksgruppe, gerade unter den jungen Menschen. In Nordzypern ist seine Politik schon abgelehnt worden und gerade die jüngeren Nordzypern haben sehr dynamisch darauf hin gearbeitet.
Deutschlandfunk: Was für Folgen sind jetzt zu erwarten? Können Sie sich vorstellen, dass wir jetzt in nächster Zukunft ein weiteres Referendum bekommen, also eine weitere Chance für die griechischen Zyprioten?
Kizilyürek: Das ist natürlich die Frage, die alle Welt sich stellt. Ich glaube ja, weil die EU nicht mit so einem problematischen Staat zusammenleben kann. Da muss eine Lösung gefunden werden. Die EU wird sich meiner Meinung nach stärker einsetzen für eine Lösung. Ich glaube, die Folgen könnten so zusammengefasst werden: Erstens finden sich beide Volksgruppen heute weit weg voneinander. Die türkischen Zyprioten sind wirklich enttäuscht, weil sie sich eingesetzt, gekämpft haben und es geschafft haben, gegen die Politik von Herrn Denktasch zu siegen, damit sie zusammen mit den griechischen Zyprioten in die EU kommen. Das haben sie nicht geschafft, weil die Griechen einfach auch "Nein" zu den türkischen Zyprioten gesagt haben. Das Zweite wird eine Krise mit der EU sein, weil die Republik Zypern legal gesehen jetzt Mitglied ist, aber es die Legitimitätsfrage für die Republik gibt. Deswegen wird die EU sich weiter einsetzen, und die Zyprioten hier werden mehr und mehr verstehen, was sie gestern gemacht haben. Ich glaube, die 25 Prozent der Stimmen, die "Ja" gesagt haben, werden sich von Tag zu Tag vergrößern. Vielleicht werden wir hier noch eine Chance haben.
Deutschlandfunk: Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch und viele Grüße nach Nikosia.