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Ausgenutzt und ausgebeutet

Studieren in Down Under ist für viele junge Menschen auf der ganzen Welt ein Traum. Doch nirgendwo ist ein Auslandsstudium teurer als in Australien. Weil viele sich zum Jobben gezwungen sehen, wird das Studieren zur Nebensache.

Von Andreas Stummer | 06.09.2013
    Punith Agrawal ist müde und er ist wütend. Eigentlich studiert der 24-jährige Inder Wirtschaft an der Uni Sydney, aber er sitzt öfter am Fließband einer Recyclingfirma als im Hörsaal. Punith braucht das Geld. Nirgendwo ist ein Auslandsstudium teurer als in Australien. Studiengebühren, Miete, Lebenshaltung - das alles kostet Punith mehr als 30.000 Euro im Jahr. Und seinen Schlaf. Punith Agrawal:

    "Ich muss sieben Tage die Woche um acht Uhr früh zur Arbeit kommen, aber ich brauche auch einmal eine Pause. Wenn ich erst nach neun anfange, dann werde ich nicht bezahlt. Aber ich sage nichts. Studenten halten besser den Mund."

    Sein Kommilitone Sumit Purdani hat auch die Nase voll. "Wir Auslandsstudenten werden ausgebeutet", sagt der IT-Student aus Sri Lanka. Sprachbarrieren, viel Überstunden für wenig Geld: Wer Gelegenheitsjobs anbietet, der weiß, dass internationale Studenten knapp bei Kasse sind. Dementsprechend wird bezahlt. Sumit arbeitet nachts als Fensterputzer, für acht Euro die Stunde. Weit unter Tarif, schwarz - also illegal. Sumit Purdani:

    "Wir Studenten bringen der australischen Regierung einen Haufen Geld. Das ist alles, was sie interessiert. Wie wir hier behandelt werden, das kümmert keinen. 'Du kannst bezahlen? Willkommen im Westen.' Und dann werden die Studenten wie Kühe gemolken."

    Dreimal die Woche gibt Anwältin Joanne Shulmann kostenlos Rechtsbeistand für Klienten, die sich keinen Anwalt leisten können. Ihr Büro ist nur ein paar Busstationen von der Uni Sydney entfernt. Aber Auslandsstudenten sind zu ihr noch nie gekommen. Joanne Shulman:

    "Die meisten internationalen Studenten, vor allem aus Asien, sind zu eingeschüchtert, um rechtliche Schritte einzuleiten. Ihnen wird gedroht: Wenn ihr euch wehrt, wird euer Visum gestrichen und ihr müsst das Land verlassen."

    Jobs sind ein Problem, Unterkunft ein anderes. Australiens Großstädte sind teuer, Wohnraum für Studenten ist knapp. Kunststudentin Jana aus Prag fand in Sydney schnell Arbeit aber suchte ewig nach einer Bleibe. Als sie dachte, sie hätte einen Platz zum Schlafen gefunden, gab es ein böses Erwachen. Jana Vaisova:

    "Mein Vermieter sagte, mir ich müsste mir das Zimmer mit einer Studentin aus Japan teilen. Das war okay für mich. Ich ließ meine Sachen da, bezahlte 300 Euro Kaution und ging arbeiten. Aber als ich spät nachts nach Hause kam, stellte ich fest, dass noch sechs andere Studenten in meinem Zimmer wohnten."

    Jana ist kein Einzelfall. In Sydney und Melbourne hausen oft zehn und mehr Studenten in einer Zweizimmerwohnung. Manche schlafen auf dem Balkon. An in Ruhe büffeln, Hausarbeiten schreiben und dann Prüfungen bestehen ist da nicht zu denken. Die Stadt Brisbane erlaubt mittlerweile nur noch fünf Studenten pro Haus oder Wohnung - auch nur einer mehr und der Vermieter muss Tausende Dollar Strafe zahlen.

    Studenten, die von Vermietern oder Arbeitgebern ausgebeutet werden, können sich bei Graham Quirk beschweren. "Unsere Auslandsstudenten haben auch ein Leben außerhalb des Campus", meint Brisbanes Unibeauftragter. Und das zu verbessern, glaubt Quirk, sollte in ganz Australien Schule machen:

    "Diese jungen Leute kommen aus aller Welt zum Studieren zu uns und kehren als die zukünftigen Führer in Wirtschaft, Handel und Politik in ihre Länder zurück. Sie sollten ihre Zeit bei uns genießen. Der gute Ruf, nicht nur unserer Stadt, sondern ganz Australiens steht dabei auf dem Spiel."


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