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Ausgezeichnete Magenschmerzen

Nobelpreis. - Es geschah 1982 in einer bislang eher unbedeutenden Klinik im Westen Australiens. Ein junger Arzt, gerade einmal 31 Jahre alt, erforschte mit allgemein üblichen Methoden der Medizinischen Mikrobiologie ein Bacterium. Der Name des Arztes: Barry Marshall – der des Bakteriums Helicobacter pylori.

Von Michael Lange |
    Und mit Hilfe des 14 Jahre älteren Pathologen Robin Warren fand er Helicobacter dort, wo eigentlich keine Bakterien sein durften: im Magen.

    Der Magen ist extrem sauer – also steril – so stand es 1982 in Barry Marshalls Lehrbuch.

    "The stomach is sterile, because acid kills bacteria. So they said it is impossible to have bacteria in the stomach. "

    Barry Marshall akzeptierte das Lehrbuchwissen nicht. Immer, wenn ein Arzt an der Klinik in Perth eine Gewebeprobe aus dem Magen eines Patienten entnahm, sicherte sich Marshall das Material – und immer wieder fanden er und Robin Warren Helicobacter Pylori.

    Schon bald äußerte Barry Marshall die Vermutung, dass Helicobacter nicht nur ein Magenbewohner ist, sondern ein Krankheitserreger. Ein Magenteufel. Er vermutete: Helicobacter pylori ist der Erreger einer Magenentzündung, einer Gastritis. Und damit indirekt Verursacher von daraus folgenden Magengeschwüren.

    "In the early days most doctors believed that the Helicobacter was harmless. Just like skin bacteria or yeast. "

    Am Anfang glaubten die meisten Ärzte, Helicobacter sei harmlos, so wie Hautbaktieren oder Hefen, die überall vorkommen. Gerade die Magenspezialisten ließen sich nicht so leicht überzeugen. Viele belächelten den jungen Australier. Er zog um die Welt, um für seine Idee zu werben. Aber die Fachwelt blieb skeptisch. Fachzeitschriften weigerten sich, seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Zu lange hatten die Magenspezialisten ihren Patienten erzählt: Stress belastet den Magen und führt zu Magengeschwüren.

    Barry Marshall musste beweisen, dass Helicobacter tatsächlich eine Magenentzündung verursachen kann. Nachdem auch Tierversuche die Kollegen nicht überzeugten, griff er 1983 zum letzten Mittel:

    "One day I did drink a culture of the bacteria and proved that the bacteria could infect a normal person. "

    Eines Tages habe ich eine Bakterienkultur getrunken, sagt Barry Marshall. Es schmeckte ekelig, nach Brackwasser. Und etwas Bammel habe er schon gehabt, gab er später zu. Es folgten Magenschmerzen und Brechanfälle und weitere, wie er sagt, interessante Nebenwirkungen der Bakterien.

    "Over one week I developed gastritis, vomiting attacks and discovered some interesting side effects of the bacteria. "

    Nach ein paar Tagen war alles überstanden – auch mit Hilfe von Antibiotika, mit denen er sich selbst heilte. Der junge Arzt aus dem westaustralischen Perth hatte ganz ohne High-tech und moderne Molekularbiologie bewiesen: Ein Bakterium namens Helicobacter pylori löst Magenentzündungen aus.

    Und ohne Helicobacter macht Stress gar nichts.

    "They have to have the helicobacter first. And for people without helicobacter stress has absolutely no effect. "

    Es dauerte bis in die Mitte der neunziger Jahre. Die amerikanische Gesundheitsbehörde und die Weltgesundheitsorganisation akzeptierten Marshalls Theorie vom Magenteufel. Erst jetzt wurde aus dem umstrittenen Doktor aus dem Wilden Westen Australiens ein gefeierter Star der Medizin. Der Nobelpreis an Barry Marshall und Robin Warren ist da der letzte logische Schritt.