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Auslandseinsätze und Terrorgefahr

Die vermehrten Auslandseinsätze der Bundeswehr könnten die Gefahr von Anschlägen erhöhen und Folgen für die innere Sicherheit hierzulande haben. Dennoch werden solche "Spillover"-Effekte in der Politik kaum diskutiert.

Von Albrecht Metzger | 17.05.2013
    Das militärische Engagement im Ausland kann die Gefährdung durch Anschläge erhöhen. Auch die vermehrten Auslandseinsätze der Bundeswehr könnten Folgen für die innere Sicherheit hierzulande haben. Dennoch werden solche Spillover-Effekte in der Politik derzeit kaum diskutiert.

    Zwei Generationen - Tochter und Vater unterhalten sich über Verteidigungsminister Thomas de Maizière und seine umstrittenen Äußerungen: Er hatte seinen Soldaten vorgeworfen, "nach Anerkennung zu lechzen". Stattdessen – so de Maiziere - sollten sie einfach ihre Pflicht erfüllen. Eines von vielen Gesprächen an diesem Abend in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung, die zum Umfeld der Grünen gehört. Früher waren die Grünen Pazifisten. Sie lehnten Kriege ab, vor allem aber waren sie gegen den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland. Längst hat sich das geändert. Deshalb ist es eigentlich ganz normal, dass der Verteidigungsminister bei dieser Veranstaltung der Hauptredner ist. Es geht um die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Ralf Fücks, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, ein Mann mit betont lässigem Auftreten, der beim Reden die Hände in den Hosentaschen behält, hat zu Beginn trotzdem das Bedürfnis, diese Einladung zu rechtfertigen. Im Vorfeld war er immer wieder gefragt worden, warum der Verteidigungsminister hier sei – in einer Stiftung, die sich doch der Friedenspolitik verpflichtet fühle. Fücks sieht darin keinen Widerspruch:

    "Es ist viel interessanter, auch mal unterschiedliche Auffassungen zu Wort kommen zu lassen und die Böll-Stiftung ist eigentlich ganz stolz auf ihre Tradition, dass sie, auch wenn sie den Grünen nahe steht, eine pluralistische politische Diskussion pflegt, und das ist Teil einer demokratischen Bildungsarbeit."

    Zumindest im Kern sind sich ohnehin alle Anwesenden darin einig, dass die Bundesrepublik eine Verantwortung für den Frieden in der Welt trage und zu dessen Sicherung auch die Bundeswehr einsetzen müsse. Es waren die Grünen, die zuerst Soldaten in den Kosovo und später nach Afghanistan schickten. Thomas de Maizière ist das auch aufgefallen, er hatte wohl einen weniger freundlichen Empfang erwartet. Bevor er sich nach etwa zwei Stunden verabschiedet, bringt de Maizière das auch zum Ausdruck:

    "Ich möchte sagen, dass ich mich für die Art und Weise der Diskussion und auch die Diskussionsführung und auch das Klima in diesem Raum sehr herzlich bedanke."

    Dabei gäbe es Stoff für viel kontroversere Diskussionen. Denn Thomas de Maizière ist wohl der forscheste Verteidigungsminister seit Franz-Joseph Strauß. Seit seinem Amtsantritt 2011 fordert er immer wieder eine offensivere deutsche Außen- und Verteidigungspolitik. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien stehen Sätze, die noch vor wenigen Jahren erhebliches Aufsehen erregt hätten:

    Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehört, [...] einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen.

    Immer mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr

    Erstaunlich - wenn man bedenkt, dass der damalige Präsident Horst Köhler im Jahr 2010 wegen einer ähnlichen Aussage von den Medien hart kritisiert wurde und von seinem Amt zurücktrat. De Maizières neueste Idee ist die Anschaffung bewaffneter Drohnen. Durch ihren Einsatz soll die Bundeswehr bei Auslandsmissionen Verluste an Mann und Material vermeiden. Das alles ist höchst umstritten, es kommt aber gar nicht zur Sprache. Christian Ströbele war an diesem Abend nicht in der Böll-Stiftung. Er hätte für eine lebhaftere Debatte sorgen können. Der Bundestagsabgeordnete gilt als ein linkes Urgestein und stimmt meist gegen deutsche Auslandseinsätze:

    "Wir stellen inzwischen fest, dass Deutschland nicht nur offenbar im Balkan, also in Europa Truppen einsetzt in Kriegen, wie beispielsweise im Kosovo-Krieg, im Krieg gegen Serbien, sondern eben überall in der Welt, in Afghanistan, am Mittelmeer und jetzt in Mali, das ist eine völlig neue Politik, man hat fast den Eindruck, dass deutsche Soldaten, deutsche Militär- und Außenpolitik, großen Wert darauf legt, überall dabei zu sein."

    Ströbele bewegt die Frage, wie sich deutsche Interventionen auf die hiesige muslimische Gemeinschaft auswirken. Denn die Länder, wo die Bundeswehr aktiv ist, lagen und liegen häufig in der islamischen oder islamisch geprägten Welt: Somalia, Bosnien, Afghanistan, Libanon oder Mali:

    "Auch wenn weit drunten, früher hat man gesagt in der Türkei, jetzt müsste man sagen Afghanistan, die Völker aufeinander schlagen, dann hat das auch Auswirkungen auf Deutschland, dann hat das Auswirkungen bis auf die letzte Straße in der Migranten wohnen, in Berlin-Kreuzberg oder in Frankfurt oder in Hamburg, natürlich, weil die, die beispielsweise einer Religion angehören, dem Islam und die sehen, da wird im Namen des Islam Krieg geführt und da wird ein Krieg geführt gegen eine islamistische Armee, die sind natürlich hin- und hergerissen, also dass das 'ne Bedeutung hat, ich denke, dass muss auch immer wieder berücksichtigt werden, was das Krieg führen auch für das Denken der Menschen für die Situation im eigenen Land bedeutet."

    Empirische Forschungen zu Spillover-Effekten

    Tatsächlich spielt die Frage nach sogenannten "Spillover-Effekten" in der deutschen politischen Diskussion derzeit kaum eine Rolle – obwohl damit unmittelbare Folgen für die innere Sicherheit der Bundesrepublik verbunden sein können. "Spillover-Effekte" bezeichnen die Auswirkungen von militärischen Interventionen in islamischen Ländern auf die muslimische Diaspora in Europa - unter anderem ihre mögliche Radikalisierung. Es gibt dazu empirische Forschungen, deren Ergebnisse aber bislang unveröffentlicht sind.

    Das Forschungsprojekt ist beim Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg angesiedelt. Die Soziologin Matenia Sirseloudi leitet die Studie. Angestoßen wurde sie von der EU-Kommission – und zwar aus gutem Grund:

    "Als die Europäische Kommission entschied, nach den Anschlägen von London und Madrid stärker in die Prävention zu investieren hat man auch externe Faktoren, die außerhalb unserer Gesellschaft liegen zu berücksichtigen, weil bei den Anschlägen von Madrid ja die Argumentation der Attentäter war, man möchte Spanien aus der angreifenden Allianz der angreifenden Länder im Irak herausbrechen."

    Die bisherigen Forschungsergebnisse beruhen auf Interviews im salafistischen Milieu sowie dem Studium einschlägiger Fälle. Sie sind nicht eben dramatisch, aber man sollte sie immerhin zur Kenntnis nehmen. Tatsächlich benutzen manche Salafisten die deutschen Einsätze in islamischen Ländern für ihre Propaganda. Sie werfen der Bundesrepublik vor, einen Krieg gegen den Islam zu führen. Das hat bei manchen Dschihad-Salafisten die Bereitschaft genährt, zur Waffe zu greifen. Bestes Beispiel ist die Sauerland-Zelle, deren Anschlagspläne 2007 vereitelt wurden. Die jungen Männer – darunter zwei Konvertiten – hatten unter anderen die US Air Base in Ramstein ausspioniert:

    "Der einzige Anschlag, der wirklich auch umgesetzt wurde gegen amerikanische Soldaten, weil der Attentäter Arid Uka, das war der Anschlag 2011, wenn ich mich recht erinnere, im März, am Frankfurter Flughafen, der Mann hatte im Internet Videos gesehen, in denen muslimische Frauen von US-amerikanischen Soldaten vergewaltigt werden, ob diese jetzt real oder nachgestellt waren, sei mal dahingestellt."

    In Frankreich gibt es ein vergleichbares Beispiel aus dem März vergangenen Jahres:

    "Ähnliches Argument auch bei dem französischem Attentäter M. Mohammed Merah hat ganz explizit drei französische Soldaten umgebracht, um das französische Engagement in der muslimischen Welt zu rächen und Frankreich dafür zu bestrafen, er hat auch das zweite Narrativ aufgegriffen, wo es darum geht, die Israelis, und damit meinen Radikale leider oft Juden weltweit, für die Besatzungspolitik Israels zu bestrafen."

    Drohungen im Zusammenhang des Afghanistan-Einsatzes

    Aktuell spielt der Mali-Einsatz eine wichtige Rolle. Im März unterrichtete der EU-Antiterrorkoordinator Gilles de Kerchove, die Innenminister über die Lage in Nordafrika. Es bestehe die Gefahr, dass kampferprobte Dschihadisten nach Europa zurückkehren könnten, um hier aktiv zu werden. Bislang ist Deutschland von einem großen Anschlag verschont geblieben. Trotzdem hat die Bundesrepublik direkte Erfahrung mit Drohungen von al-Qaida gemacht – auch im Zusammenhang mit Afghanistan. Diese Drohungen zielten darauf ab, das Wahlverhalten deutscher Bürger zu beeinflussen. Vor der letzten Bundestagswahl im Herbst 2009 tauchte ein Video im Internet auf: Ein junger Mann mit Schlips und Anzug – ein äußerst ungewöhnliches Outfit für einen Dschihadisten – ermahnte die Deutschen, im wahrsten Sinne des Wortes die richtige Wahl zu treffen: nämlich die zwischen Frieden und Terror. Bekkay Harrach nannte er sich, ein Dschihad-Salafist aus Bonn. Seine sanfte Stimme kann über seine perfide Botschaft nicht hinwegtäuschen:

    "Was würde das deutsche Volk davon halten, seine Soldaten aus Afghanistan abzuziehen und somit dem Frieden und der Sicherheit eine Chance zu geben und Afghanistan dem afghanischen Volk zu überlassen. Sollte allerdings das deutsche Volk seine zur Auswahl stehenden Parteien nicht mehrheitlich dazu bewegen wollen, die deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, dann wird es nach den Wahlen ein böses Erwachen geben."

    Deutsche Sicherheitsbehörden nahmen die Drohung damals ernst. Passiert ist jedoch nichts - auch wenn deutsche Truppen bis heute in Afghanistan sind. Bekkay Harrach hingegen wurde später von einer amerikanischen Drohne getötet. Heißt das jetzt, Deutschland soll sich aus Konflikten wie Mali heraushalten? Matenia Sirseloudi ist keine Pazifistin. Sie glaubt, Deutschland hätte sich dem französischen Druck, am Mali-Einsatz teilzunehmen, nicht entziehen können. Außerdem könne es nicht sein, so Sirseloudi, dass Terroristen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bestimmen. Trotzdem hält sie es für wichtig, die Gefahr von Spillover-Effekten möglichst gering zu halten. Sie hat ein paar Ratschläge für den Verteidigungsminister. Vor allen Dingen gehe es darum, den Tod von Zivilisten so weit wie möglich zu vermeiden. Bewaffnete Drohnen, die die Amerikaner benutzen, um ihre Feinde gezielt zu vernichten, lehnt sie ab:

    "Wenn man schon entscheidet, militärisch zu intervenieren, ist es wirklich von großer Relevanz, dass wir uns an die moralischen Standards halten, das heißt, es gibt Konzepte wie Targeted Killings zu überdenken, inwiefern wir diese Konzepte übernehmen wollen, die im Moment dabei sind, in unsere strategischen Kulturen zu diffundieren, aber aus anderen Kontexten kommen, des Weiteren wird es notwendig sein, einen militärischen Einsatz der gesamten Bevölkerung zu vermitteln."

    Fraglich ist allerdings, wie realistisch es ist, zivile Tote in einem Krieg zu vermeiden. Peter Rudolf (*) von der "Stiftung Wissenschaft und Politik" in Berlin hält das für naiv. Seine Mahnung geht auch an alle, die um der Menschenrechte Willen in fremden Ländern militärisch intervenieren wollen. Er nennt den Anspruch, die ganze Welt vor dem Bösen retten zu wollen, "moralischen Rigorismus":

    "Es ist das Problem, es muss getötet werden, es werden sicherlich nicht nur Kombattanten getötet, oder genau nur solche Leute, die schuld an Massakern, Verbrechen sind, sondern ganz normale Soldaten, es werden immer auch Zivilisten als sogenannte Kollateralschäden in Kauf genommen werden, das sind alles Probleme, die oftmals im Diskurs nicht vorangestellt werden und die Frage ist natürlich, was Verantwortung bedeutet, haben wir tatsächlich die Verantwortung, überall militärisch zu intervenieren, haben wir dann auch die Bereitschaft, langfristig präsent zu sein, in der Regel sind das ja Bürgerkriege, in denen Massaker geschehen, das heißt diese Bürgerkriege müssen langfristig befriedet werden, die Bilanz langfristiger Interventionen vom Balkan bis Afghanistan ist sicherlich nicht sehr gut."

    Thomas de Maizière kann das offenbar nicht aus der Ruhe bringen. Die Frage nach "Spillover-Effekten" scheint für ihn nicht im Vordergrund zu stehen:

    "Aus Angst davor, dass es irgendwelche Rückwirkungen auf uns haben könnte, bestimmte Dinge, die wir verantwortlich, für richtig halten, nicht zu machen, das geht gar nicht. Das heißt jetzt nicht umgekehrt, dass das uns total egal sein muss, aber dann wären wir abhängig davon, dann kriegen wir drei Drohungen im Internet und dann lassen wir das plötzlich. Wir sind sowieso internationale Zielscheibe des Terrorismus, ob das jetzt mehr oder weniger wird, weiß ich gar nicht so genau, aber selbst wenn es so wäre, würde ich meine Entscheidung davon nicht abhängig machen."

    Stimmt das? Sehen Dschihad-Salafisten die Bundesrepublik als Teil der westlichen Verschwörung gegen den Islam, egal ob die Bundeswehr in den Krieg zieht oder nicht? In diesem Fall müsste sich der Verteidigungsminister tatsächlich keine Gedanken machen.

    Ein Video von der Webseite Independent Journalists. Sie wird von deutschen Dschihad-Salafisten betrieben. Ihr Verein namens Millatu Ibrahim wurde im vergangenen Juni verboten, die Webseite besteht aber weiter. Zu Wort meldet sich ein gewisser Bernhard Falk, ein ehemaliger Linksextremist, der bereits vor Jahren den Islam als antiimperialistische Ideologie für sich entdeckt hatte. Er sendet einen Hilferuf an seine europäischen Brüder im Geiste. Vor allen Dingen spricht er einen gewissen Abu Waleed an, den Kopf von Millatu Ibrahim in England:

    "Lieber Bruder Abu Waleed, es existiert für die deutschen Muslime keine wirkliche Redefreiheit. Der deutsche Staat und die deutsche Regierung wollen es nicht zulassen, dass aktive Muslime hierzulande ihre Meinung sagen."

    Zu Gewalt ruft Bernhard Falk nicht auf. Aber er meint, Deutschland stehe an vorderster Front im Kampf gegen den Islam. Sein "Bruder" Abu Waleed kann freier reden. In England ist Millatu Ibrahim nicht verboten. Außerdem empfängt Abu Waleed Gäste und er spricht mit Journalisten.

    Ein Hotel in London. Fünf Muslime suchen nach der richtigen Himmelsrichtung, sie wollen beten und sind sich nicht einig, wo Mekka liegt. Schließlich einigen sie sich und tun ihre Pflicht vor Gott. Unter ihnen ein Mann mit langem schwarzem Bart und einem gewitzten Grinsen im Gesicht. Es ist Abu Waleed. Er kommt der Bitte von Bernhard Falk gerne entgegen:

    "Wenn mich ein deutscher Muslim darum bittet, ihn dabei zu unterstützen, die Rolle der deutschen Regierung im Krieg gegen Terror offen zu legen, dann ist das nichts Neues. Ich glaube, man kann ohne Zweifel sagen, dass die westlichen Nationen die größten Im- und Exporteure von Terrorismus sind in Nationalstaaten wie Afghanistan, Pakistan, Mali und so weiter. Und wenn Sie wissen wollen, wer verantwortlich ist für den Terrorismus auf der anderen Seite: Dann kann ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten, so lange Sie es für sich behalten und keinem anderen sagen: Es sind die Führer des Westens."

    Erhöhte Gefahr von Anschlägen durch Auslandseinsätze?
    Abu Waleed macht also die Führer der westlichen Länder für den Terror verantwortlich, nicht aber die europäischen Völker. Er habe nichts gegen Deutsche, sagt er, und überhaupt sei das Land derzeit sicher, die Sicherheitsbehörden hätten es fest im Griff. Drohungen klingen anders. Die Untersuchungen des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik bestätigen das. Demnach ist Deutschland nicht dauerhaft von Spillover-Effekten bedroht. Der Mali-Einsatz hat in der salafistischen Community keine großen Wellen geschlagen, Afghanistan ist kaum noch ein Thema. Trotzdem gibt es ein Gewaltpotenzial.

    Das zeigten etwa die gewalttätigen Demonstrationen im Mai 2012, als Salafisten in Bonn und Solingen die Polizei angriffen. Der Grund: Anhänger der rechtspopulistischen Partei PRO NRW hatten Karikaturen des Propheten Mohammed hochgehalten, und zwar ganz bewusst vor Moscheen, wo sich Salafisten treffen. Kürzlich sind vier Männer in Nordrhein-Westfalen festgenommen worden, weil sie einen Mordanschlag auf einen Führer von PRO NRW geplant haben sollen. Näheres ist zu dem Fall bislang nicht bekannt. Außerdem fühlen sich viele Salafisten durch die Polizeirazzien provoziert, die Bernhard Falk in seinem Video anspricht und die immer wieder stattfinden. Auch sie bergen Gefahr, zur Radikalisierung von Salafisten beizutragen. Allerdings handelt es sich in diesen Fällen nicht um klassische Spillover-Effekte, sondern es betrifft das Zusammenleben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in der Bundesrepublik.

    Von Spillover-Effekten spricht man nur, wenn sich ein Land wie die Bundesrepublik im Ausland militärisch engagiert und sich dadurch die Gefährdung durch Anschläge erhöht. Ist ein Anschlag wie in Boston auch hier möglich? Auszuschließen ist das nicht. Deshalb geben die Sicherheitsbehörden auch keine endgültige Entwarnung. Doch derzeit stehen die Zeichen nicht auf Sturm. Das sagen selbst Verfassungsschützer, die sich mit dem Salafismus beschäftigen. Nur eine Woche nach dem Boston-Marathon fand eine ähnliche Veranstaltung in Hamburg statt. Die Sorge mancher Medien, auch hier könnten jetzt Bomben hochgehen, war unberechtigt.

    (*) Anm. d. Red.: In der Sendefassung war irrtümlich an dieser Stelle der Name "Eckhard Rudolph" genannt.
    Gegenstände, wie sie zum Bau der Bombe genutzt wurden, die am Hauptbahnhof in Bonn entschärft wurde, liegen am 12.12.2012 in Köln (Nordrhein-Westfalen) im Polizeipräsidium auf einem Tisch.
    Gegenstände, wie sie zum Bau der Bombe genutzt wurden, die am Hauptbahnhof in Bonn entschärft wurden (picture alliance / dpa / Oliver Berg)