Freitag, 19. April 2024

Archiv

Auslandsschuljahr in China
Mit Nationalhymne den Unterricht beginnen

Kanada, USA, Australien: Das sind die Top-Zielländer der meisten deutschen Schülerinnen und Schüler, wenn sie für ein halbes oder ganzes Schuljahr ins Ausland gehen. Antonia aus Berlin hat sich anders entschieden: Sie ist ein Jahr in China zur Schule gegangen. Und begeistert zurückgekommen.

Von Anja Nehls | 08.03.2018
    Chinesische Schüler in einem Klassenraum in Shangahai
    Der Schulalltag in Shanghai ist anders als in Deutschland - es werden zum Beispiel viel mehr Tests geschrieben (dpa / Qnb)
    Antonia Schuhmann sitzt in der Bibliothek der Freien Universität Berlin und lernt. Sie studiert Betriebswirtschaftslehre im ersten Semester und macht sich um ihre Zukunft gar keine Sorgen:
    "Erstens chinesisch, dann: Nach der Uni könnte ich mir vorstellen, wieder in China zu leben und dort zu arbeiten."
    Denn ein Jahr hat sie nach der zehnten Klasse bereits in China verbracht. Seitdem spricht sie fließend chinesisch. Ab der achten Klasse hatte sie an ihrem Berliner Gymnasium Chinesisch als Wahlpflichtfach belegt:
    "Das hat mir auch Spaß gemacht, am Anfang war ich nicht so gut, das ging dann irgendwann. Ich hatte schon seit dem Gymnasium beschlossen, ein Auslandsjahr zu machen, und China hat mir einfach am besten gepasst, es waren auch gute Angebote zu China."
    Liebevolle Gastfamilie
    11.000 Euro kostete das Jahr in China inklusive eines Vorbereitungssprachkurses, organisiert über eine Austauschorganisation. Mit knapp 15 Jahren kam Antonia dann zu ihrer Gastfamilie nach Shanghai.
    "Ich wurde dort direkt wie ein Kind von der Gastmutter aufgenommen und sie war so super, also ich habe sie von Anfang an geliebt. Also die Mutter konnte kein Englisch und der Gastvater auch nicht, dann musste ich am Anfang eben über meine Gastschwester reden, auf Englisch, aber das hat auch gut geklappt und irgendwann konnte ich es dann auch und am Ende jetzt habe ich nur noch mit denen chinesisch geredet, also da musste auch wirklich kein Englisch mehr herangezogen werden."
    Anstrengender Schulalltag
    Antonia hatte ein eigenes Zimmer in der Wohnung der Gastfamilie - in einem Hochhaus genau gegenüber der Schule. Dort war es nicht ganz so einfach. Denn den ganzen Tag verbringen chinesische Kinder in der Schule:
    "Allein die Schule war anstrengend. Jeden Morgen um 7.15 Uhr fing die Schule an. Wenn man nach Sieben in den Klassenraum kam, wurde man schon komisch angeguckt, also es ist eine ganz andere Mentalität dort. Dann werden morgens erst mal Tests geschrieben oder und dann geht man raus, wir sind immer alle auf den Hof gejoggt, haben die chinesische Nationalhymne gesungen und jeden Montag wurde noch ein Vortrag gehalten, dann begann erst der richtige Unterricht. Dann war ich jeden Tag bis 17 Uhr in der Schule."
    Freundliche Mitschüler
    Dem Unterricht auf Chinesisch konnte sie dabei nur teilweise folgen, richtig gut war sie nur in Englisch. Dennoch habe sie sich wohl gefühlt in der Schule, als einzige Deutsche unter 3.000 chinesischen Jungen und Mädchen:
    "Da haben alle Schuluniformen getragen und ich war ja das einzige Mädchen mit blonden Haaren, ich bin da ziemlich herausgestochen in der Cafeteria. Mich konnte man ganz gut sehen. Aber es waren alle super höflich zu mir, haben am Anfang auch probiert, auf Englisch mit mir zu reden, sie waren sehr schüchtern. Als Deutscher oder Europäer hat man in China so eine Art nicht wirklich Sonderstatus, aber die Leute freuen sich, Dich zu sehen, finden es toll, obwohl man in Shanghai ja doch relativ viele Ausländer sieht."
    Städtereise mit den Eltern
    Offener sei sie geworden, selbstbewusster und selbstständiger, sagt Antonia. Heimweh habe sie während der ganzen Zeit nicht gehabt:
    "Ist mir sogar einmal passiert, dass ich nicht mit meinen Eltern geskypt habe, für drei Wochen, ich habe es einfach vergessen und dann noch der Zeitunterschied".
    Die Eltern haben ihr verziehen - und haben am Ende des Jahres ihre Tochter in China besucht. Für Antonia der Höhepunkt ihres Abenteuers: "Dann sind wir rumgereist durch China, Peking, Shanghai und noch ein paar andere Städte und das war toll, ich konnte meinen Eltern alles zeigen, ich konnte mit den Taxifahrern reden und ich konnte ihnen zeigen, was ich gelernt habe, das war auch schön."
    Freundschaft über den Aufenthalt hinaus
    Geblieben ist eine enge Freundschaft zu ihrer gleichaltrigen Gastschwester. Liang Nuo hat Antonia und ihre Familie danach schon in Deutschland besucht. Jetzt will sie in den USA ein Studium beginnen. Dass Antonia dort hinreisen will, ist bereits verabredet.