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Ausstellung "100 Jahre Bavaria Filmstadt"
Bayerns Hollywood

Alfred Hitchcock durfte in der Bavaria Filmstadt zum ersten Mal Regie führen. Steve McQueen heizte mit dem Motorrad über das Drehgelände. Und Heinz Rühmann wohnte sogar eine Zeit lang in der Filmstadt. Zum 100-jährigen Jubiläum erinnert eine Ausstellung an die bunte Geschichte der Bavaria Filmstadt.

Von Moritz Holfelder | 04.03.2019
Ein Baseball liegt vor der Eröffnung der Ausstellung "100 Jahre Bavaria Film" in einer Halle der Bavariafilmstadt in der Dekoration zu dem Film "The Great Escape" in einer Vitrine. Die Ausstellung "100 Jahre Bavaria Film" beginnt am 02.03.2019.
Steve McQueen drehte in der Filmstadt den Kinofilm "Gesprengte Ketten" (dpa / Felix Hörhager)
Alfred Hitchcock war da, Billy Wilder, Liselotte Pulver, Orson Welles, Senta Berger, Claude Chabrol, Liza Minelli, Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders. Sie alle arbeiteten auf dem Gelände der Bavaria. Heinz Rühmann wohnte nach dem Zweiten Weltkrieg sogar für ein paar Jahre in der Filmstadt, in einem kleinen Holzhaus, und nicht weit von ihm entfernt die berühmte Stummfilm-Diva Lil Dagover, die bis zu ihrem Tod 1980 in einem Bungalow am Rande der Studiohallen lebte.
Noch zur Stummfilmzeit war Hitchcock einer der ersten internationalen Gäste, die im legendären Glasatelier in Geiselgasteig drehten. Es war 1924 sein Regiedebüt, wie Ausstellungskurator Sven Femerling erzählt:
"Er hat ja in Großbritannien Stummfilmtitel gemacht, hat da auch schon Ambitionen gehabt, ins Regiefach zu wechseln, wurde aber nicht ernst genommen. Das alte Problem: ‚Referenzprojekt, bitte!‘ – ‚Wie soll ich ein Referenzprojekt machen, wenn ich keine Regie führen kann?‘ Und dann hat er es in Berlin versucht, da ist er auch nicht so richtig zum Schuss gekommen. Und in München wurde ihm dann die Chance gegeben, eine kleinere Produktion zu machen: ‚Pleasure Garden‘. Das sollte erst ‚Garten der Lust‘ heißen. Das war den Zensurbehörden in Bayern aber ein bisschen zu heikel. Und es wurde dann ‚Irrgarten der Leidenschaft‘."
Große Filme
Die interaktive Ausstellung in der großen Halle, in der bis Herbst letzten Jahres Bully Herbigs "Bullyversum" untergebracht war, konzentriert sich im Eingangsbereich vor allem auf die großen Filme, die auf dem Gelände der Bavaria gedreht wurden.
Da ist etwa die legendäre Hollywood-Produktion "Gesprengte Ketten" über einen Massenausbruch aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager während des Zweiten Weltkriegs. Regie führte John Sturges – als Schauspieler waren Richard Attenborough, James Garner, Charles Bronson, James Coburn und in der Hauptrolle Steve McQueen mit dabei. Die Außenaufnahmen wurden im Allgäu bei Füssen gedreht – etwa die berühmte Motorradverfolgungsjagd mit Schloss Neuschwanstein im Hintergrund. Sven Femerling ist stolz, dass man eine der Maschinen von Triumph zeigen kann, auf denen McQueen unterwegs war:
"Eines der Motorräder, mit denen damals der Stunt gemacht wurde, der Sprung über den Stacheldrahtzaun. Man hat fünf Motorräder vorgehalten, um bei Ausfällen oder Schäden problemlos eine neue Maschine bereitstellen zu können. Es ist belegt, dass Steve McQueen die Maschinen leidenschaftlich gern über das Gelände gefahren hat, ohne Gefangene zu machen. Und da kamen sämtliche Maschinen zum Einsatz."
Das Brandenburger Tor für Billy Wilders "Eins, Zwei, Drei"
Weitere große Produktionen, deren Entstehung im Erdgeschoss mit Modellen und vielen noch nie veröffentlichten Fotos gezeigt wird, sind: Wolfgang Petersens "Das Boot" sowie Billy Wilders Berlin-Komödie "Eins, Zwei, Drei":
"Der Film sollte eigentlich in Berlin entstehen – komplett, on location. Allerdings kam der Mauerbau dazwischen 1961. Und die hatten noch nicht alles im Kasten. Insbesondere Aufnahmen in und um das Brandenburger Tor waren noch nicht gemacht. Das war auch ein Hauptgrund dafür, nach Geiselgasteig zu kommen, um die restlichen Szenen zu drehen. Und dafür wurde das Brandenburger Tor in etwa zwei Drittel der Größe rekonstruiert."
Die Ausstellung zu 100 Jahre Bavaria Filmstadt erzählt spannende und bisweilen auch eher unbekannte Geschichten. In einer Abteilung hat man angefangen, die Vergangenheit des Geländes im Dritten Reich aufzuarbeiten. Rund 200 Exponate sind neben vielen Fotos auf 1.500 Quadratmetern zu sehen – darunter Requisiten, Kostüme, Dekorationen und Modelle wie etwa das großartige Fernsehraumschiff Orion aus der Kultserie "Raumpatrouille".
Wichtiger Medienstandort in Deutschland
Wer Lust hat, kann zum Abschluss des Rundgangs eine kleine Fahrt unternehmen durch den Filmmusik-Tunnel. Dort sind von der "Raumpatrouille" über die vielen "Tatort"-Produktionen à la Bavaria bis zu einer Verfilmung von Carl Orffs "Carmina Burana" nochmal die Highlights aus 100 Jahren Filmstadt multimedial zu erleben. Geschichte wird lebendig – nach wie vor gehört das Gelände in Geiselgasteig zu den wichtigsten Medienstandorten in Deutschland.