Mittwoch, 08. Mai 2024

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Ausstellung
Bewahrendes Sammeln und tödliche Jagd

Der Jagdtrieb und die Sammelleidenschaft sind fest in der menschlichen DNA verankert und feiern jetzt ein fröhliches Fest auf Schloss Morsbroich. Die Ausstellung "Jäger und Sammler in der zeitgenössischen Kunst" im dortigen Museum lotet einen schmalen Grat aus – zwischen bewahrendem Sammeln und tödlicher Jagd.

Von Susanne Luerweg | 22.09.2014
    "Das ist eine Arbeit von Henry Coombes, ein englischer Künstler, der in den Hundepelz selbst schlüpft und den Hund als alter Ego nimmt und mit seiner Lady auf die Jagd geht. Die Arbeit heißt "Laddy and the Lady", der Hund wird Laddy genannt. Das Ding ist, er verweigert sich dann. Die Fasane werden geschossen, und er will nicht apportieren."
    Laddy will nicht und weigert sich, sich wie ein echter Jagdhund zu benehmen. Die Videoinstallation sei durchaus politisch zu deuten, meint Kurator Fritz Emslander. Er hat fürs Museum Morsbroich rund zwanzig Arbeiten zusammen getragen. Sie verbindet eins: Künstler setzen sich auseinander mit dem Jagen und Sammeln.
    "Die Ausstellung zeigt Jäger, die zu Sammlern werden, wenn sie Trophäen sammeln, sie zeigt aber auch Sammler, die mit Jagdinstinkt seltene Dinge suchen und finden."
    So pirscht der Besucher zunächst durch den Schlossgarten, vorbei an einer Jagdhütte mit reich gedecktem Tisch voller Wildbret und rauf auf einen Hochsitz, der den Blick in die Weite schweifen lässt: auf der Suche nach der Beute.
    Keine Jagd, kein Sammeln ohne das richtige Outfit. Der passenden Jagdkleidung ist ein ganzer Raum gewidmet. Wie eine Trophäensammlung werden edle Joppen und Stiefel präsentiert. Doch statt Kaninchen erlegt der Jäger, Pardon, der Künstler von heute, Klopapier. So wie Christian Jankowski in seiner Videoarbeit "The hunt".
    "Er tut es mit Pfeil und Bogen im Supermarkt, also die Notwendigkeit, das für den Lebenshalt zu tun, die ist weg, aber dann kommt natürlich der Schritt darüber hinaus, also wie kommt man vom ökonomischen Sammeln weg zum bewahrenden Sammeln?"
    Bewahrt werden, kann vieles. Auch Fliegenpilze. Carsten Höller ordnet sie wie Naturkunstwerke in einer schicken Vitrine an. Simona Pries hat (...) elegante Stelen bauen lassen, in denen sie ihre Objekte präsentiert. Sie sammelt tote Tiere: ein verstorbener Maulwurf, eine Echse, ein kleiner Vogel.
    "Ich glaube ich habe die ersten Tiere vor vier Jahren gesammelt, es ist ein intuitiver Impuls, etwas aufzuheben und zu bewahren."
    Sammeln ist eben nicht immer bewusst, sondern auch vom Zufall gelenkt.
    "Und die Frage bei allem Sammeln ist immer, was bleibt denn, was sammeln wir denn da, das ist ja auch die Frage nach dem Tod."
    Aber ist das, was wir heute bewahren, morgen noch von Interesse? Manchmal nein, wie die Arbeit von Isa Melsheimer beweist. Sie hat sich auf die Spuren der Pflanzenjäger gemacht. Im 18. Jahrhundert fuhren sie in die Kolonien und auf andere Kontinente, um seltene Pflanzen zu jagen. Heute kann man die Pflanzen von damals in jedem Baumarkt kaufen.
    Doch auch wenn vieles vergänglich ist, sammeln wir weiter. Aber warum, fragt sich Francis Zeischegg.
    "Wir sind jetzt im digitalen Zeitalter. Brauchen wir noch all diese Dinge oder brauchen wir sie nur temporär? Oder müssen wir uns ständig versichern über unsere ganzen Dinge?"
    Der Kunstmarkt heute gleicht einem Jagdrevier, in dem Arbeiten wie Blue Chips gehandelt werden. Darauf spielt Francis Zeischegg an. Sie hat einen hölzernen Beobachtungsposten gebaut. So ähnlich stand er früher in der (...) DDR im Wald. Zur Kontrolle von Wilddieben. Heute werden nicht mehr Wilderer observiert, sondern die Trophäensammler im Jagdrevier der Kunst.
    "Die Kunstszene wird zur Wildererszene. Das ist ja der schöne Wechselfall, dass die, die jagen, auch sammeln."
    Wir müssen nicht mehr unsere Nahrung, unsere Kleidung erlegen, keine Beeren und Kräuter sammeln, aber unsere Instinkte sind die gleichen wie vor hunderten von Jahren. Und deshalb werden sie auch bleiben: die Jäger und Sammler (...) in der zeitgenössischen Kunst.
    Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Januar 2015 im Museum Morsbroich auf Schloss Morsbroich in Leverkusen zu sehen.