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Ausstellung in Berlin
Über 170 Jahre hat sich das Saxofon kaum verändert

Seitdem der Belgier Adolphe Sax das Saxofon 1840 erfand, hat es sich kaum verändert. Im "Jahr des Saxophons 2019" sind Instrumente aus seiner Werkstatt im Berliner Musikinstrumenten-Museum zu sehen. An den insgesamt 27 ausgestellten Blasinstrumenten lässt sich ein Stück Musikgeschichte nachvollziehen.

Von Christiane Kort | 01.04.2019
    Ein Musiker spielt während einer Feier auf einem Saxophon.
    In der frühen Mitte des 19. Jahrhunderts war das Saxofon in Deutschland noch unbekannt, aber war schon in der französischen Salonmusik zu finden (picture alliance/dpa - Hauke-Christian Dittrich)
    Die "Grande Fantasie Brillante" für Saxofon und Klavier von Louis Mayeur. In der frühen Mitte des 19. Jahrhunderts hatte das in Deutschland noch gänzlich unbekannte Saxofon bereits Eingang in die französische Salonmusik gefunden. Entwickelt wurde es jedoch für Militärkapellen, die im Freien spielten, erklärt Tom Lerch, der Chefrestaurator des Musikinstrumentenmuseums Berlin, der die exklusive Schau kuratiert hat.
    "Das Saxofon ist eigentlich eine Kreuzung zwischen Bassklarinette und Ophikleide. Die Ophikleide war ein Blechblasinstrument mit Klappen für die Basslage. Und Adolphe Sax hat halt ein Instrument gesucht, das den Streicherklang in gewisser Weise imitiert, aber wesentlich lauter ist, damit es für die Freiluftmusik geeignet ist. Und da hat er dann eben diese Ophikleide mit dem Mundstück der Bassklarinette kombiniert."
    Ophikleide und Saxofon
    Sehr anschaulich werden die drei Instrumente gemeinsam in einer Vitrine präsentiert. Die vergleichsweise behäbige gebogene Blech-Ophikleide - ihr Name ist zusammengesetzt aus den griechischen Worten für "Schlange" und "Klappen" - wirkt heute eher fremd, das Saxofon hingegen geläufig. Auf dessen Metallkörper sitzt ein Mundstück aus Holz oder Kautschuk mit einem Bambus-Rohrblatt. Es wird durch den Atemstrom des Spielers in Schwingungen versetzt und produziert so viel obertonreichere Töne als Blechblasinstrumente, deren Klang wesentlich durch die Lippenstellung der Musiker beeinflusst wird. Adolphe Sax' Versuch, die feine Technik von Holzblasinstrumenten mit dem mächtigen Resonanzraum von Blechblasinstrumenten zu verbinden, glückte. Militärkapellen, die im 19. Jahrhundert regelmäßig Unterhaltungskonzerte in städtischen Parks spielten, konnten durch das Saxofon ihr Klangbild verbessern, erklärt Kurator Tom Lerch:
    "Es gab dann große Musikpavillons, wo die Leute dann am Wochenende wenn sie frei hatten, hingegangen sind, gepicknickt haben und Musik gehört haben, das war so die Situation damals. Das ging von Sinfonien über Opern-Potpourris, Opernarien bis hin zu Volksliedern und Märschen war eigentlich alles vertreten."
    Der Erfinder des Saxofons: Adolphe Sax 
    Adolphe Sax (picture alliance/dpa - Mary Evans Picture Library )
    Vater des Saxofons: Adolphe Sax
    Der belgische Flötist und Instrumentenbauer Adolphe Sax, der mit seiner Werkstatt von Brüssel nach Paris übersiedelt war, entwickelte bald eine ganze Instrumentenfamilie, vom Sopran- bis zum BasSaxofon. Vielseitig einsetzbar fanden seine Musikinstrumente schnell Verbreitung weit über die Militärkapellen hinaus, wobei sich die höheren Instrumente stärker durchsetzten als die tiefen. Alle Stimmlagen sind auch in der Ausstellung vertreten - je höher, desto kleiner ist das Instrument. Das Sopranino misst etwa 40 Zentimeter, das BasSaxofon knapp zwei Meter.
    Das älteste ausgestellte Instrument ist ein Alt-Saxofon von 1860 aus der Werkstatt des Schöpfers Adolphe Sax. Geheimnisvoll grau-metallisch schimmernd erzählt es eine lange Geschichte des Musikmachens. Conny Restle, die Direktorin des Musikinstrumentenmuseums:
    "Und das Material oder diese Gebrauchsspuren zeigen eben auch, dass diese Instrumente benutzt worden sind, das ist ja auch wichtig. Bei uns sehen Sie keine Instrumente wie in einem Verkaufsraum - die wollen natürlich, dass die Instrumente möglichst schön glänzen - sondern jedes Instrument hat auch eine Geschichte zu erzählen."
    Das Saxofon kam Anfang des 20. Jahrhunderts nach Deutschland
    Die insgesamt 27 Saxofone werden thematisch in einigen Schaukästen präsentiert und überblicksartig auf einer aufrechten Leinwand. Da wirken die dezent beleuchteten Instrumente besonders atmosphärisch. Ihre Patina kommt eindrucksvoll zur Geltung. Offensichtlich war die Technologie von Adolphe Sax so gut ausgereift, dass sie sich über 170 Jahre kaum verändert hat. Einzelne Versuche, wie das Grafton-Modell, das aus billigerem Kunststoff hergestellt wurde, oder das Oktavino, das sich wieder dem Fagott annähert - beide werden ebenfalls präsentiert - konnten sich nicht durchsetzen.
    Der Berliner Komponist Gustav Bumcke brachte das Saxofon Anfang des 20. Jahrhunderts nach Deutschland. 1902 hatte er den Sohn von Adolphe Sax in Paris kennengelernt und begeistert gleich acht Instrumente aus dessen Werkstatt gekauft. Als ausgebildeter Trompeter brachte sich Bumcke das Saxofonspiel autodidaktisch bei und gründete Mitte der 20er-Jahre am renommierten Stern'schen Konservatorium in Berlin die erste Saxofonklasse Deutschlands. Zu seinen Schülern gehörte auch seine Tochter Hilde, die unter dem Künstlernamen Ingrid Larssen eine erfolgreiche Solokarriere startete und bis in die 60er-Jahre auftrat.
    Saxofon, Jazz und die Nazis
    Das vielseitige Saxofon war jedoch auch zum Sinnbild einer anderen populären Musikrichtung geworden, des Jazz. Und der wurde mit Beginn der Naziherrschaft verboten, Jazzmusiker von den Nationalsozialisten verfolgt. "Es gibt keinen Jazz ohne Saxofon, aber es gibt Saxofon ohne Jazz" wurde bald zu einer häufigen Aussage, erklärt Kurator Tom Lerch. Denn Gustav Bumcke und andere Musiker versuchten, Saxofon und Jazz zu entkoppeln:
    "Es führte dann auch zu absurden Interpretationen. Es gibt dann, zum Beispiel in einer der Zeitungen, das muss 1935 gewesen sein, einen Bericht über Ingrid Larssen, wo dann geschrieben wird, das Saxofon würde zu Unrecht mit dem Jazz assoziiert, denn es sei eine deutsche Erfindung, Adolphe Sax wäre Deutscher gewesen. Was komplett falsch ist, Adolphe Sax war Belgier. Aber man hat auch bewusst dann versucht, auch von Seiten der Herrschenden, das Saxofon sich so hinzubiegen, dass man es nicht aufgeben musste."
    Und auch die Saxofonistin Ingrid Larssen konnte ihre Karriere weiterverfolgen: eine zierliche, hellblonde Frau im Abendkleid, die mit dem männlich konnotierten Musikinstrument in einer eleganten Spezialanfertigung in vielen Konzerten, auch im Rundfunk, die Menschen unterhielt - so ziemlich das Gegenteil des von den Nazis propagierten Frauenbilds. Hochbetagt verkaufte die Musikerin ihr Instrument Mitte der 90er-Jahre dem Musikinstrumentenmuseum Berlin. Wieder spielbar gemacht, wird ihr silberglänzendes, mit vergoldeten Klappen verziertes Saxofon zum Eröffnungskonzert von Detlef Bensmann gespielt. Dann allerdings mit Werken der Avantgarde der 20er-Jahre, wie der "Hot Sonate" von Erwin Schulhoff.