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Ausstellung in New York
Kunst oder Agitprop?

Porträts von Hillary Clinton und Donald Trump, zusammengestellt aus Genitalien: Was Besucher in der Galerie Joshua Liner zu sehen bekommen, ist reichlich provokativ, grob und unanständig. Kurator Alfred Steiner ist es wichtig, dass die Ausstellung die US-Wahl begleitet - als Kommentar zu den politischen Schlammschlachten.

Von Kai Clement | 25.10.2016
    Besucher betrachten am 13.10.2016 die Porträts "Trump (Clinton)" (l) und "Clinton (Trump)" (r) des Künstlers Alfred Steiner in der Ausstellung «Why I Want to Fuck Donald Trump» in der Joshua Liner Gallery in New York (USA).
    Kunstausstellung "Why I Want to Fuck Donald Trump" (dpa / picture alliance / Johannes Schmitt-Tegge)
    Das Schaufenster der Galerie Joshua Liner macht genau das: es stellt zur Schau. Sehr erfolgreich. Denn obwohl schwer bepackt mit Koffer und Regenschirm bleiben Nicole und Anne dennoch davor stehen.
    Ziemlich grob sei das. Unanständig. Gemeint sind zwei großformatige Porträts von Hillary Clinton und Donald Trump. Je anderthalb Meter hoch, aufgesetzt auf aktuelle und alte Wahlwerbeplakate. "Wasserfarbe auf Leinwand" heißt es korrekt sachlich im Katalog. Gemalt hat sie Alfred Steiner. So wie die Porträts von Giuseppe Arcimboldo aus Obst und Blumen arrangiert sind, so bestehen diese Politikerbilder ausschließlich aus - ausgerechnet - Genitalien.
    "Obwohl Sexualität eigentlich nichts mit Politik zu tun haben sollte, ist das hier in den USA und vielleicht auch anderswo doch genauso passiert."
    Mit einem Präsidentschaftskandidaten, der zunächst durch Miss Universe Wettbewerbe bekannt wurde. Und sich vermeintlicher Übergriffe auf Frauen brüstet. Und einer Kandidatin, deren Nachname untrennbar mit der Affäre ihres Mannes verbunden ist.
    Elemente der Hardcore-Pornografie
    So drastisch wie die Bilder sind auch ihre Titel. "Why I want to fuck Donald Trump" oder "Why I want to fuck Hillary Clinton”. Elemente der Hardcore-Pornografie in der klinischen Reinheit einer Galerie in New Yorks Kunstviertel Chelsea. Pure Provokation?
    "Ich male nicht bloß um zu provozieren. Aber als jemand, der Bilder gestaltet, möchte ich etwas schaffen, das es noch nie zuvor gegeben hat und das sich zuvor womöglich noch nie jemand vorgestellt hat. Und etwas so unglaublich Vulgäres zu machen, ist ein Weg das zu erreichen."
    Donald Trump so gesund wie ein Pferd - wie das, auf dem Putin um ihn herum reitet, sagt Hillary über Donald. Für ihn gehört sie hinter Gitter. Er nennt sie schlicht "eine fiese Frau".
    Der Ruf von Michelle Obama scheint ungehört verhallt: Gerade wenn sie tief sinken, strecken wir uns in die Höhe.
    "Für mich haben Politiker eine solche Verantwortung. Jenseits von Beschimpfungen. Schmutziger Politik. Schlammschlachten. Aber ich glaube, Künstler haben dagegen doch alle Freiheiten."
    Kunst oder Agitprop?
    Alfred Steiner ist auch Kurator der 27 Werke umfassenden Galerieausstellung. Da ist der Grabstein für Donald Trump, der - wenn auch nur kurz - im Central Park stand. Da sind die Fotos von Hillary und Donald, die - wenn mit Blitzlicht aufgenommen - sich in den Gegenkandidaten verkehren. Da ist die Zigarettenschachtel mit dem Trump-Porträt und der bekannten Warnung zur Gesundheitsschädlichkeit. Kunst, die über den Tag hinauswirkt? Oder Agitprop? Alfred Steiner möchte keine Trennlinie ziehen.
    Rund 20 Künstler haben mitgewirkt. Ölbilder, Videos und Installationen sind darunter. Alfred Steiner ist es wichtig, dass die Ausstellung die Wahl begleitet. Und so wirkt sie auch mehr als ein künstlerischer Kommentar denn als kommentierende Kunst. Auch für Kato, der schnellen Schrittes durch die Galerie gelaufen ist.
    "Sehr politisch vor allem. Ziemlich im Trend all das. Aber ich weiß nicht, wer solche Kunstwerke kaufen will."
    Trotz aller Aktualität: Bei der Wahl des Titels hat Steiner fast 60 Jahre in die Vergangenheit zurückgegriffen.
    "Why I want to fuck Ronald Reagan", so die Überschrift des Briten J.G. Ballard über seinem Text von 1968.
    "Der hat vorweggenommen, welche große Rolle Fernsehen und Medien in der Politik einmal spielen würden. Und die Dinge so verzerren, dass die Botschaft der Politiker weniger wichtig wurde, viel wichtiger dagegen die Wirkung der Kandidaten."
    Nicole macht von draußen durch das Fenster der Galerie noch rasch ein Foto von den gewollt anstößigen, gewollt provozierenden Porträts.
    "Vielleicht ist die Ausstellung schlicht symbolisch dafür, wie krass und eklig die Wahlen geworden sind."