Samstag, 20. April 2024

Archiv

US-Präsidentschaftswahl
Deutsch-amerikanischer Republikaner wählt Clinton

Hillary Clinton wählen, das sei immer noch besser als Donald Trump. So sieht es auch Stefan Prystawik, das "deutsche Gesicht der Republikaner". Der Deutsch-Amerikaner ist sowohl bekennender Republikaner als auch Trump-Gegner. Für ihn ein ungewohnter Spagat, wie sich auch auf einem Diskussionsabend an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen zeigte.

Von Thomas Wagner | 20.10.2016
    Eine Wohnsiedlung im US-Ostküstenstaat Maine im Herbst. Im Vordergrund ein Wahlplakat für Donald Trump.
    US-Wahlkampf: In Deutschland findet Trump auch von Parteifreunden keine große Unterstützung. (Foto: Sonja Beeker)
    - "Meine kritische Frage ist: Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass Trump soweit gekommen ist? Und wenn er wirklich Präsident werden sollte, frage ich mich, wie das weitergehen soll, wie auch das Verhältnis Amerika – Deutschland sein wird?"
    - "Trump hat eine Persönlichkeitsstörung. Irgendwie ist er komisch."
    Jana Bibbe, Studierende an der der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, und rund 100 ihrer Kommilitonen sind zu einem Diskussionsabend mit Seltenheitswert gekommen. Auf Einladung des studentischen "Club of International Politics" steht da ein Mann auf der Bühne, der in jeder Faser für konservative Werte steht: Stefan Prystawik, Anfang 50, vertritt im schwarzen Anzug und Fliege die Sache der Republikanischen Partei Amerikas. Einziges Thema an diesem Abend in Friedrichshafen am Bodensee: die amerikanische Präsidentschaftswahl und das Phänomen Donald Trump.
    Als Sohn einer Deutschen und eines Amerikaners arbeitet der Publizist Prystawik mal in Berlin, mal in Chicago, gehört seit Jahren dem "Republican National Committee" an. Ausgerechnet er sagt dem Präsidentschaftskandidaten seiner Partei eine Persönlichkeitsstörung nach. Und nicht nur das:
    - "Gestatten Sie mir eine persönliche Frage, die sich, glaube ich, einige hier stellen: Wo werden Sie denn Ihr Kreuzchen machen?"
    - "Bei dieser Wahl? Clinton. Es geht ja gar nicht anders."
    Offen gesteht das "deutsche Gesicht der Republikaner", wie Prystawik häufig genannt wird, ein, dass er die Kandidatin der Gegenseite wählen wird. Das tut ihm schon ein wenig weh. Aber:
    "Ach, da muss man drüber stehen. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass man wirklich aktiv die Kandidaten oder den Kandidaten der Gegenpartei wählen muss, um Schlimmeres zu verhindern. Aber wir haben hier eine außergewöhnliche Situation. Und es gibt Leute, die wesentlich höher aufgestellt sind in der Partei, die Ähnliches tun und auch diese Kröte schlucken müssen. Insofern kann ich da gut damit leben."
    Prystawik kritisiert Trump
    Einem Kandidaten, der sich sexistisch äußert, der statt mit Programmatik nur mit populistischen Sprüchen argumentiert, könne er einfach nicht seine Stimme geben. Dass es genau ein solcher Kandidat aber bis zur Präsidentschaftskandidatur geschafft hat, sei erklärbar.
    "Er hat seine Bekanntheit nicht über sein Vermögen oder seinen Stand in der Gesellschaft erreicht, sondern dadurch, dass er als Showmaster aufgetreten ist, einer breiten Masse bekannt ist. Ist dann mit diesen kruden Ideen an die Öffentlichkeit getreten. Dadurch ist er in die Medien gekommen und hat diese Außenwirkung erlangt."
    Show statt Politik mit Inhalten: Dass dieses Konzept in seinem Heimatland USA zum Teil aufgegangen ist, bereitet Stefan Prystawik sichtlich Unbehagen. Simple Parolen verfangen nicht nur in den USA.
    "Ich habe einen Vergleich gezogen zu der Unzufriedenheit in der Gesellschaft und zu einer Situation, wie wir sie mit Populisten natürlich auch haben in Deutschland."
    Allerdings landen die Stimmen der Unzufriedenen im Zwei-Parteien-System USA beim populistischen Kandidaten der Republikaner. Im Mehrparteiensystem der Bundesrepublik stärken sie aktuell die AfD. Fehlt bloß noch ein Showmaster, der sich vor deren Karren spannen ließe – und fertig wäre der deutsche Trump.,
    "Wenn Gottschalk plötzlich mit AfD-gleichen Ideen an die Öffentlichkeit treten würde, was er sicher nicht tut, gar keine Frage, oder Herr Jauch, was der auch nicht tun würde ... Der Bekanntheitsgrad und die Glaubwürdigkeit, den dieser Bekanntheitsgrad mit sich bringt: Da würden wir uns wundern, wie viele Leute dem zustimmen und den unterstützen würden."
    Wäre somit eine Art deutsche Ausgabe eines Donald Trump denkbar? Stefan Prystawik möchte das nicht ausschließen. Und seine Zuhörer?
    "Ich glaube nicht", sagt Politik-Student Robert Kleiner. "Zum einen würde ich sagen, dass die deutsche Gesellschaft noch lange nicht so polarisiert ist, was daran liegt, dass wir mehr Repräsentation haben im Bundestag und es nicht nur zwei Parteien gibt. Und dadurch wird in Amerika alles schwarz-weiß gesehen. Da gibt es nur entweder den republikanischen Punkt oder den demokratischen Punkt. Und das haben wir in Deutschland dadurch nicht, dass wir eine solche Pluralität an Parteien haben."
    Frage nach dem Grund für populistischen Erfolg
    Das allerdings gewähre noch lange keinen Schutz vor dem Einzug populistischer Inhalte in politisches Handeln: Das ist die Lehre, die Alexander Ruser, Professor für Kulturtheorie an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, aus der Situation in den USA zieht. Für das Erstarken rechtspopulistischer Meinungen spiele ein Faktor eine wichtige Rolle – nämlich:
    "Die Frage nach dem Timing von populistischem Erfolg. Populistische Strategien können ja immer ausprobiert werden, aber das heißt nicht, dass sie immer erfolgreich sind. Ich glaube, dass wir in den letzten zehn Jahren in Europa und auch global deutliche Verwerfungen erlebt haben, wie zum Beispiel die Finanz- und Eurokrise, aber auch die Zunahme von Bedrohungsszenarien, auch terroristische Bedrohungsszenarien."
    Und diese Bedrohungsszenarien greifen sowohl in den USA als auch in Deutschland.
    "Der Name der populistischen Partei in Deutschland, AfD, ist natürlich brillant gewählt. Eine Alternative anzubieten, bedient natürlich ein tief greifendes Bedürfnis der Leute, nämlich irgendetwas gegen die Bedrohungsszenarien, die man fühlt, tun zu können."
    - "Donald Trump – Gedankenstrich, steht bei mir hier auf dem Zettel. Eigentlich könnte ich hier jetzt aufhören ... "
    Referent Stefan Prystawik fällt es nicht eben leicht, souverän mit dem Phänomen Trump umzugehen. Einerseits will er bei seinen Vorträgen das "deutsche Gesicht der Republikaner" geben, andererseits aber auch nicht mit seiner eigenen Anti-Trump-Haltung hinterm Berg halten – ein bisher noch nie geübter Spagat.
    "Ich würde sagen, Clinton gewinnt mit mindestens zehn Prozent Vorsprung."