Donnerstag, 25. April 2024

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Ausstellung
Luthers "Riester-Rente"

Reliquien als zu verehrende Zeugnisse von Heiligen sind dem protestantischen Glauben fremd. Dennoch üben die wenigen noch existierenden Stücke aus dem Haushalt Martin Luthers heute eine große Faszination aus. Zu sehen sind sie im Grünen Gewölbe in Dresden.

Von Alexandra Gerlach | 01.09.2016
    Das Wappen der Lutherrose im oval geschnittenen roten Karneol zeigt ein Kreuz inmitten eines Herzens, umschlossen von einer Rose und einem Ring sowie dem spiegelverkehrt eingeschnittenen Monogramm M und L.
    Der Siegelring Martin Luthers war ein Geschenk von Kurfürst Johann Friedrich (imago stock&people / epd)
    Dirk Syndram, Direktor des Dresdner Grünen Gewölbes, der einstigen Schatzkammer Augusts des Starken, steht an der mächtigen Stahl-Eingangstür und bittet um Einlass. Hier, im sogenannten Reformationsturm, befinden sich drei Stücke aus dem Haushalt von Martin Luther: der Siegelring, der Lutherbecher und der Lutherpokal.
    Zielstrebig steuert der Museumsdirektor auf die zentrale Glasvitrine in dem kleinen runden Eckzimmer zu, bleibt stehen und deutet auf die drei darin ausgelegten, völlig unterschiedlichen Ringe: "Es sind wirklich die drei großen Ringe, kann man schon sagen, der Reformation, nämlich eben der von Martin Luther oben, mit dem Carneol, dann eben rechts darunter der so genannte Ring von Philipp Melanchthon, das wäre dann die ganze Reformation. Und dann der Saphirring, der viel prächtiger ist. Der gehörte Friedrich dem Geständigen und soll und ist wahrscheinlich auch in der Schlacht von Mühlberg demjenigen Ritter übergeben worden, der ihn vor dem Tode bewahrt hat."
    Drei Ringe, die Geschichte erzählen. Allen voran der Siegelring von Martin Luther. Ein Geschenk des sächsischen Herzogs Johann Friedrich, der später Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige wurde. Ein Zeichen der Wertschätzung und ein Beweis für die enge Verbindung zwischen Martin Luther und den Fürsten, die ihn schützten. Das Wappen im Oval geschnittenen Karneol zeigt ein Kreuz inmitten eines Herzens, umschlossen von einer Rose und einem Ring sowie dem spiegelverkehrt eingeschnittenen Monogramm M und L. Ob er jemals Briefe damit versiegelt hat, ist unklar. Sicher ist: Tragen konnte er ihn nicht, da der Ring zu groß war. Er ist bemessen für die Finger einer behandschuhten Fürstenhand. Doch Reformatoren trugen keine Handschuhe. Kostbar ist er dennoch.
    Reformator wurde zum Verteidiger der fürstlichen Macht
    Dirk Syndram: "Der materielle Wert ist natürlich auch da, das ist also das Gold, auch für ihn ganz wichtig gewesen, aber kostbar ist es, weil es am Wegkreuz der Weltgeschichte dem Reformator selbst übergeben worden ist, also in seinen Besitz gelangt ist, also das ist schon etwas Einzigartiges."
    Luther hat das enge Band der Verbundenheit selbst gewebt, indem er schrieb "das weltliche Recht" solle "gelten, weil das Evangelium nicht wider das weltliche Recht lehret". Somit wurde der Reformator frühzeitig zu einem Verteidiger der fürstlichen Macht. Die Wettiner Fürsten dankten es ihm mit landesherrlichem Schutz für seine reformatorischen Gedanken gegen die mächtige katholische Kirche und den römisch-deutschen Kaiser.
    Eine andere Geschichte erzählt der neben dem Siegelring Luthers ausgestellte, aufwändig gearbeitete silberne Trinkbecher mit Deckel. Das Geschenk eines engen Freundes, welches in Luthers gastfreundlichem Haus nicht nur als Tafelzubehör diente, sondern auch als Notgroschen. War Luther also ein reicher Mann? Zweifelsfrei kann das wohl niemand beantworten. Dirk Syndram jedenfalls verneint:
    "Er hatte ein relativ gutes Einkommen gehabt, aber nur relativ gut, hatte aber auch ein offenes Haus geführt. Katharina von Bora hat also ziemlich intensiv das Geld zusammen gehalten und hat auch dafür gesorgt, dass die Silberbecher dann zusammenbleiben und nicht wieder weiter verschenkt werden. Die Silberbecher waren so etwas wie die Riester-Rente von Martin Luther, also die Zusatzrente."
    Der Deckelbecher von Martin Luthers aus Silber in einer Nahaufnahme
    Der wertvolle Silberbecher war ein Geschenk. Er diente nicht nur als Tafelzubehör, sondern auch als Notgroschen. (dpa-Zentralbild)