Viele der von Rose Issa in London ausgestellten Künstler verarbeiten die Erfahrung von Krieg und Bürgerkrieg in ihren Werken. Die arabischen und iranischen Künstler begegnen den religiösen Eiferern in ihrer Heimat mit einer Mischung aus Pop-Art, orientalischer Ornamentik und westlicher Alltagskultur.
"Ich komme aus einem Kriegsgebiet. Aus dem Iran und aus dem Libanon. Mich interessieren Künstler, die auf eine wunderschöne Weise etwas über die Geschichte oder die intellektuellen Debatten unseres Teils der Welt zeigen. Wir hatten zum Beispiel Werke von Taran Hammami, einer iranischen Künstlerin, die in San Francisco lebt. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit den meistgesuchten Mitgliedern der Mudjaheddin, die als Terroristen auf der FBI-Liste gesucht werden. Sie lädt die Fotos aus dem Internet herunter und macht daraus wunderbare Vorhänge."
Zurzeit sind in der Rose Issa Galerie Werke von Parastou Forouhar zu sehen, die dort schon zum dritten Mal ausstellt. Die Eltern der iranischen Künstlerin wurden vom iranischen Geheimdienst ermordet. Das habe ihr Leben und ihre Kunst nachhaltig geprägt, sagt Parastou Forouhar. So sind ihre Installationen, Grafiken und Bilder meist geprägt von der formschönen Ornamentik vieler orientalischer Paläste und Moscheen, mit geschwungenen Bögen und Fresken. Erst auf den zweiten Blick erschließen sich die unter der Oberfläche befindlichen Abgründe. Etwa wenn formschöne Computergrafiken bei näherer Betrachtung Menschen zeigen mit verbundenen Augen und mit Schlinge um den Hals an einen Pfahl gebunden.
"Dieses Schöne, das anzieht, und die Leute denken, von weitem, ah, ich hab es verstanden. Ich weiß, worum es geht. Und sehr unbedarft gehen die an das Bild ran. Gehen näher. Und dann diesen zweiten Blick. Da merken die, dass es nicht so ist, wie sie gedacht haben. Genau darum geht es mir: diesen zweiten Blick zu fordern."
Religiöse Texte als Provokation durch Liebesbotschaften ersetzt
Diese Zweideutigkeit ist Forouhars Konzept. Für ihre jüngste Ausstellung in London hat sie religiöse Banner umgewidmet, die im Iran zum Ashura-Fest an religiöse Märtyrer erinnern. An diesem höchsten Feiertag im schiitischen Islam geißeln sich Gläubige, bis sie blutüberströmt sind. Forouhar hat die religiösen Texte der Banner nun durch Liebesbotschaften ersetzt. Im Iran ist das eine Provokation, die jeder versteht.
"Normalerweise haben diese Bannertafeln eine sehr religiöse Aussage. Was ich gemacht habe, ist in der Tradition der Drohbriefe, die Buchstaben so zusammengesetzt, dass sich immer ein Satz ergibt. "Küss mich". "Küss mich" ist ein Songtitel. Der Song ist eine Hommage an eine kurze Phase der Demokratie Anfang der 50er Jahre, durch Premierminister Mohammed Mossadegh, der durch einen militärischen Putsch unterstützt von CIA und MI6 entmachtet wurde. Eine Provokation sind diese Arbeiten auf jeden Fall, weil der religiöse Kontext, wo diese Stoffe herkommen, der wurde verfremdet. Die religiöse Aussage ist dadurch unterminiert in einem sehr weltlichen, einfachen Wunsch nach einer Liebesbeziehung."
Forouhar will so aus der oberflächlich suggerierten Harmonie den darunter liegenden Schrecken wieder hervortreten lassen. Denn jedes totalitäre Regime versuche, das Individuelle als Störfaktor auszulöschen.
"Ornamente sind schöne Oberflächen, die eine ausgewogene Welt der Harmonie suggerieren. Und genau diesen Charakter in dem Ornament kann man in dem politischen Kontext als totalitär bezeichnen, weil das einfach der Illusion nachhängt, alles gleich zu machen und dadurch schöner zu gestalten. Und damit jede Individualität einfach wegradiert."
Immer geht es Forouhars vielfach international ausgestelltem Werk um politische und gesellschaftliche Gewalt. Doch nicht nur diese Art von Kunst, auch die "Project-Galerie" selbst ist eine Provokation für den etablierten Londoner Kunstbetrieb. Seit 40 Jahren versucht Rossa Issa arabische und iranische Kunst als Kuratorin in öffentliche Museen zu bringen. Irgendwann hat sie die Geduld verloren und selbst einen Ort für einen künstlerischen Ost-West Dialog geschaffen.