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Ausstellung
Was der Weihnachtsschmuck über uns verrät

Wie wir Weihnachten feiern, erzählt auch etwas über unsere gesellschaftliche Lage. Den Weihnachtsbaum gibt es in Deutschland seit dem 16. Jahrhundert - das Deutsche Historische Museum zeigt alten und neuen Weihnachtsschmuck und bringt so einige Kuriositäten ans Tageslicht.

Von Maria Ossowski | 25.12.2018
    Eine Frau schmückt einen leuchtenden Weihnachtsbaum.
    Weihnachtsbaumschmücken im 21. Jahrhundert - nicht immer ging es so leuchtend zu (Unsplash / Arun Kuchibhotla)
    Der Weihnachtsbaum ist deutsch, die Gemütlichkeit zum Christfest ist deutsch, und deshalb hat das Deutsche Historische Museum einen Raum in der Dauerausstellung dem Weihnachtsschmuck gewidmet. Aus 7.000 Alltagsgegenständen haben die Kuratoren 500 ausgewählt. Sammlungsdirektor Fritz Backhaus:
    "Das eine ist, dass diese eigentlich alltäglichen Objekte, die manch einer für banal oder nicht aufbewahrenswert hält, doch auch eine Widerspiegelung auch von politischen, weltanschaulichen, ideologischen Veränderungen sind, das heißt, im kleinen privaten Rahmen wird hier auch Geschichte sichtbar."
    "Erstes Zeugnis des bürgerlichen Weihnachtsfestes"
    Der Weihnachtsbaum als Festschmuck und als Brauch ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt, vor allem in Handwerkerzünften. Der Schmuck war essbar, Äpfel, Nüsse und Brezeln. Aber zeigen lässt sich das nicht. Regine Falkenberg, die Kuratorin:
    "Es begegnen einem sehr sehr wenig und fast keine bildlichen Quellen - die fangen erst im 18. Jahrhundert an und auch da gibt es nicht mal eine Handvoll Quellen. Eine Quelle war Christbescherung - die Radierung von Joseph Kellner im Kupferstichkabinett in München und wir durften es auch wirklich leihen und das gibt es so bald nicht wieder hier in Berlin zu sehen."
    In einem großen Zimmer versammelt sich die Familie. In der Ecke an den Tannenzweigen hängen Bänder und ein Medaillon der Mutter Gottes. Viele Kinder packen Geschenke aus, ein erstes Zeugnis des bürgerlichen Weihnachtsfestes. Diese urdeutsche Weihnachtsgemütlichkeit hat auch 1855 auf einem großen Ölgemälde der Genremalerei Edouard Geselschap festgehalten:
    "Der Baum steht im Mittelpunkt. Er erstrahl - die Betonung liegt auch sehr auf den Kindern, das ist auch noch mal eine Errungenschaft des bürgerlichen 19. Jahrhunderts, die gelebt wird - dass es auf die Kinder ankommt, dass es auch allmählich zum Kinderbescherfest wird."
    Der Weihnachtsbaum zwischen zwei Kriegen
    Gegen 1870 begann es, dass nicht mehr nur Kerzen, Äpfel, vergoldete Nüsse oder Bastelarbeiten den Baum schmückten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die serielle Produktion des Christbaumschmucks. Gläserne Kugeln, Tannenzapfen. Nüsse, Vögel oder Trompeten, Lamettagirlanden, Wachsengel und so weiter.. Das galt allerdings nur für die besseren bürgerlichen Kreise. Arme Familien schmückten Gestelle aus Holz und Draht. Ein Bild zeigt zur gleichen Zeit ein Lazarett im Schloss von Versailles. Die deutschen Soldaten liegen dort.
    "Es findet dort eine Weihnachtsfeier statt mit einem Baum. Der Baum sozusagen wird inszeniert als nationales Symbol - es sind Reichswehrgrößen da, die das mitinszenieren. Erstaunlich, dass dann dieses emotionale Moment so hervorgehoben wird und dann wundert es eigentlich auch keinen mehr, dass der Weihnachtsbaum als deutsch galt."
    Aus der Zeit des Ersten Weltkrieges erschüttert vor allem Weihnachtsschmuck aus Karton mit tödlichen Motiven.
    "Es gibt Seeminen, es gibt U-Boote, es gibt einen Aufklärer, es gibt die Dicke Bertha und gleichzeitig mehren sich auch die Todesanzeigen in den Zeitungen"
    Goebbels im Propagandaministerium der Nazis hat das Weihnachtsfest schnell umfunktionieren wollen zu nordischem Größekitsch mit SS-Runen und Hakenkreuzen für den Baum. Weihnachten sollte nordisch Jul, also Fest heißen, woran sich, das zeigen viele Familienfotos, kaum jemand hielt.
    "Dieser Julschmuck, dieser nordische Julschmuck, das war eine Spezialität der SS, die dann auch Julteller hergestellt hat und Julleuchter und so weiter. Interessant ist, dass auf der Anzeige steht 'zu haben bei Edeka'"
    Konsumkritik und Familienabgründe
    Mit Augenzwinkern hat Regine Falkenberg das Weihnachtsfest in beiden deutschen Staaten betrachtet. Kabarettisten haben sich in der DDR über die geflügelte Jahresendfigur lustig gemacht, währen in der Bundesrepublik Loriots falschen Familiengefühlen und dem Konsumwahn ein Denkmal gesetzt hat.
    "Wie man aneinander vorbeireden kann. Wie man sich ein Familienfest schönreden kann, wo keiner den anderen eigentlich versteht und die Kinder nur umhergeschoben werden, wo ausgepackt wird und man fast erstickt in dem Wust von Papier."
    Die Ausstellung im DHM reflektiert mit Weihnachtskugeln, Fotos, Bildern, Kunstwerken und Lametta Politik, Wirtschaftskrise, Technik und Bildungsgeschichte und auch den Zeitgeist. Im Sinne von Heinrich Böll und dessen Satire nicht nur zur Weihnachtszeit wird die Ausstellung bis zum 3. März zu sehen sein.