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Austausch mit Praxisbezug

Das "Institut für Agrartechnik in den Tropen und Subtropen" an der Stuttgarter Universität Hohenheim gilt als international renommierte Kaderschmiede für Studenten, die später einmal in der Entwicklungshilfe tätig sein wollen. Das Institut pflegt die enge Kontakte ins Ausland, etwa mit der Leyte State University auf den Philippinen. Hier haben beide Unis im Rahmen verschiedener Public-Private-Partnership-Programme Produkte entwickelt, die derzeit am Markt getestet werden - zum Beispiel Haushaltsgeräte für die Küchen der Dritten Welt.

Von Dorothea Heintze | 19.07.2006
    Ein lauer Sommerabend auf dem Gelände der LSU, der Leyte State University auf der Insel Leyte am südlichen Ende der Philippinen. Die Studenten der Uni haben sich fein herausgeputzt. Sie singen und tanzen, als hätten sie den ganzen Tag nichts anderes zu tun. Dabei liegen arbeitsreiche Monate hinter ihnen. Zusammen mit dem Institut für Agrartechnik der Stuttgarter Universität Hohenheim haben sie einen Pflanzenölkocher entwickelt und mit finanzieller Unterstützung der Firma Bosch, Siemens, Haushaltsgeräte zur Marktreife gebracht. An diesem Abend wird der Kocher offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt.

    Unter den Zuschauern auf dem Campus ist auch Matthias Kindermann. Der 25-Jährige hat Agrar-Business in Hohenheim studiert. An der LSU sammelte er Daten für seine Masterarbeit. Thema: Die Produktion des Pflanzenöls für den neuen Kocher. Regelmäßig hat Matthias Kindermann eine Bauernkooperative besucht und dort in der Praxis studiert, wie das Fleisch der Kokosnuss, das Kopra, zu Öl beziehungsweise Brennstoff weiterverarbeitet und dann vertrieben wird:

    "Man kann sich das aus der Literatur aneignen, aber wenn man das mal selber gesehen hat, dann ist es natürlich will einfacher, das irgendwie aufzufassen und zu verstehen. Und außerdem ist es so, dass wird ja aus Kopra hergestellt und dieses Kopra-Business hier ist eine relativ komplexe Sache, bei der es auch schön ist, wenn einem mal jemand das richtig erklärt und man sieht, wie die Transportwege sind, wo das hergestellt wird und von wo nach wo das dann transportiert werden muss."

    Die Finanzierung seines Studienaufenthaltes war für den Studenten kein Problem:

    "Das einzig teure an der ganzen Sache hier war der Flug, aber den habe ich im Endeffekt mit Drittmitteln von der BSH bezahlt bekommen. Die anderen Ausgaben sind über einen Hiwi-Vertrag abgedeckt worden, der mir ermöglicht hat, meine Unterkunft zu bezahlen und dann hatte ich noch ein bisschen Geld übrig, dass ich mir noch was zu essen kaufen konnte. Viel draufzahlen muss man nicht."

    Matthias Kindermann ist auf Leyte kein Einzelfall. Regelmäßig reisen Studenten und Doktoranden aus Stuttgart auf die Philippinen. Umgekehrt haben in den vergangen Jahren ein Dutzend Philippinos ihre Doktorarbeiten in Hohenheim vorbereitet. Die Kooperation zwischen Leyte und Hohenheim existiert seit 1990, berichtet die philippinische Universitätspräsidentin Professor Patricia Milan.

    "Beide Institutionen, die Universität Hohenheim und die Leyte State University profitieren vom Technologie-Transfer. Wir schaffen es, die gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen - nicht nur für einen Einsatz auf Leyte sondern auf den ganzen Philippinen. Und dies muss auch so sein. Wir wollen nicht, dass unsere Wissenschaftler nur auf Leyte oder auf den Philippinen studieren. Wir wollen, dass sie nach draußen gehen und Wissen aus anderen Ländern mitbringen."

    Doch jetzt ist der erfolgreiche Austausch zwischen den Universitäten gefährdet. Verschiedene staatliche Mittel wurden in den letzten Jahren gestrichen, berichtet in Stuttgart Professor Werner Mühlbauer. Über 20 Jahre lang leitete der 62jährige Wissenschaftler das Institut für Agrartechnik in Hohenheim. Auch nach seiner Emeritierung ist er aktiv und kümmert sich vor allem um die Beschaffung der Finanzmittel:

    "Die Forschungsprojekte, die wir mit der Industrie durchführen, also mit Daimler Chrysler und Bosch Siemens, die sind gut finanziert. Wir haben im Moment eine Lücke bei der Ausbildung. Wir hatten früher ein DAAD Programm mit Leyte State University zusammen, bei dem wir die Möglichkeit hatten Wissenschaftler von den Philippinen nach Hohenheim einzuladen. Das Programm ist ausgelaufen, das hat eine relativ große Lücke gerissen."

    Noch hat Werner Mühlbauer nicht resigniert. Zusammen mit der Stiftung Euronatur akquiriert er Drittmittel und stellt unverdrossen Anträge bei der Universitätsleitung. Für ihn ist klar: Ohne Wissenschaftler-Austausch gibt es keine praxisnahe Entwicklungspolitik:

    " Die Forschung, die wir hier im Rahmen unseres Hohenheimer Tropenzentrums durchführen, hat natürlich eine sehr große Bedeutung speziell für Entwicklungsländer, weil wir Technologien oder Verfahren entwickeln, die speziell in diesen Ländern dann zum Einsatz kommen und dort versuchen wir, einmal die Produktion zu steigern, was die eine Seite ist. Aber auf der anderen Seite auch wollen wir versuchen, die Einkommenssituation der Bevölkerung zu verbessern, oder die wie jetzt mit dem Kocher die Lebensbedingungen.""