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Austermann: Die Erhöhung ist nicht gerechtfertigt

Eine größere Konkurrenz auf dem Energiesektor ist nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministers Austermann das beste Mittel, die steigenden Preise in den Griff zu bekommen. Die vier großen Versorger Deutschlands bildeten quasi ein Monopol, sagte der CDU-Politiker. Deshalb müsse die Politik dafür sorgen, dass verstärkt andere Unternehmen auf dem deutschen Markt tätig werden könnten. Die Verbraucher ermutigte Austermann, den Anbieter zu wechseln.

Moderation: Christiane Kaess |
    Kaess: Strom und Gas werden wieder einmal teurer und zwar ganz erheblich. Marktführer E.On will zum Anfang des kommenden Jahres seine Preise um knapp 10 Prozent erhöhen. Das hat der Düsseldorfer Konzern gestern mitgeteilt. In den vergangenen Monaten hatten schon andere Versorger Preiserhöhungen umgesetzt oder zum Jahreswechsel angekündigt, so auch die meisten RWE-Regionalversorger. Verbraucherschützer kritisieren die Pläne und nennen sie eine Kriegserklärung an Verbraucher und Politik. - Am Telefon ist Dietrich Austermann (CDU), Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Guten Morgen!

    Austermann: Guten Morgen Frau Kaess!

    Kaess: Herr Austermann, Kriegserklärung an Verbraucher und Politik. Das sind ziemlich starke Worte. Sehen Sie das auch so?

    Austermann: Ich sehe zumindest eine erhebliche Preiserhöhung, die durch nichts gerechtfertigt zu sein scheint, und da muss man sagen, hier wird doch ziemlich unverschämt mit den Kunden umgegangen. Nachdem man in letzter Zeit sich zurückgehalten hat, scheint jetzt ein Nachholbedarf bei den Unternehmen gesehen zu werden, den man ausgleichen kann. Die Erhöhung ist nicht gerechtfertigt durch die behauptete Anhebung der Preise.

    Kaess: Die Behauptung ist, E.On zumindest begründet seinen Schritt mit höheren Beschaffungskosten. Können Sie dieses Argument nachvollziehen?

    Austermann: Nein. Deshalb nicht, weil die Beschaffungskosten bei der Strombörse gemeint sind und E.On liefert selbst seinen Strom an die Strombörse und kauft dann von dort den Strom wieder zurück. Das heißt die Preiserhöhung, die Preissteigerung ist an dieser intransparenten Einrichtung Strombörse selbst gemacht. Wenn man tatsächlich von E.On erfragt, wie sich die Preise ohne die Strombörse erhöht haben, wird man keine Auskunft bekommen. Deswegen wollen wir in Schleswig-Holstein ein Aufsichtsverfahren führen und wollen genau überprüfen, wie hoch ist die Preiserhöhung gewesen und wie ist sie zu rechtfertigen im Hinblick auf das, was jetzt gefordert wird.

    Kaess: Darauf gehen wir gleich noch ein bisschen mehr ein. Eine andere Begründung der Stromversorger möchte ich noch nennen. Das ist, die Erhöhung würde zusammenhängen mit den steigenden staatlichen Abgaben für erneuerbare Energien. Trägt die Politik also einen Teil der Mitschuld an den hohen Preisen?

    Austermann: Es ist unbestreitbar, dass die erneuerbaren Energien Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse zu einer Preiserhöhung führen, dass sie zu Kostensteigerungen führen. Manche quantifizieren diesen Betrag, der jährlich zu decken ist, mit 1,5 Milliarden verteilt über alle Stromkunden. Das nimmt auch weiter zu, aber das rechtfertigt nicht die jetzt vorgesehene Preiserhöhung, allenfalls zu einem Bruchteil von vielleicht 5 bis 7 Prozent.

    Kaess: Sie haben die Strombörse angesprochen. Wird denn beim Preis für den Strom, so wie er festgelegt wird, transparent und offen gehandelt?

    Austermann: Nein. Es ist zum einen nicht zu sehen, wer alles an die Strombörse liefert. Zum anderen werden künstlich Preise nach oben gezwiebelt, indem zu niedrige Stromangebote vom Markt genommen werden und die teueren dann nachrutschen. Dadurch wird der Preis künstlich erhöht und alle Unternehmen insgesamt kassieren "winfull profits". Deswegen fordern wir mit den Wirtschaftsministern der Länder seit längerer Zeit eine generelle Andienungspflicht. Das heißt alle müssen ihre Strommengen anliefern und es muss eine Transparenz bei der Entwicklung der Preise geben. Zurzeit haben wir mehrere verschiedene Stellen, über die gehandelt wird, aber die Strombörse jedenfalls ist eher ein Instrument zur Preisverteuerung als zur Marktbereinigung.

    Kaess: Ihr Ministerium hat ja bereits vor einigen Monaten ein Gutachten in Auftrag gegeben, was die Strombörse betrifft, und das ist zu dem Schluss gekommen, dass die Macht der großen Stromkonzerne an den Strombörsen - ich zitiere mal - "nicht hinreichend preistreibend gewirkt hat, um wettbewerbspolitische Eingriffe in die Preisbildung rechtfertigen zu können". Vereinfacht gesagt: Es gibt keine Preismanipulation.

    Austermann: Nein. Das Gutachten, das wir vorgelegt haben, macht eindeutig offenkundig, dass es zu wenig Transparenz gibt. Das war Veranlassung für die Wirtschaftsminister der Länder, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die jetzt auf einer Konferenz der Wirtschaftsminister zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister zu einem Beschluss führen soll, der meines Erachtens nur in die Richtung gehen kann, wir wollen mehr Transparenz, wir wollen Vergleichbarkeit. Der Bundeswirtschaftsminister ist im Übrigen auf dem gleichen Wege. Er hat ja einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem er eine Beweislastumkehr anordnen will. Das heißt die Unternehmen müssen nachweisen, durch welche Veränderungen die Preise tatsächlich bei der Herstellung gestiegen sind. Dann werden die Unternehmen in Probleme kommen, das auch tatsächlich nachzuweisen. Zu unserem Gutachten gab es natürlich unterschiedliche Meinungen. Es gab auch unterschiedliche Gutachten. Der Gutachter kriegte nachher ein bisschen Sorge, dass er möglicherweise bei dem einen oder anderen angeeckt sein könnte. Das Gutachten sagt aber ganz eindeutig "zu wenig Transparenz".

    Kaess: Welche Rolle spielt das Bundeskartellamt?

    Austermann: Das Bundeskartellamt könnte gefragt sein, wenn ein Missbrauch vorliegt, wenn es Preisabsprachen gibt. Das können wir im Moment noch nicht erkennen. Deswegen wollen wir in Schleswig-Holstein unsere Kartellaufsicht einschalten und wir fordern die Unternehmen auf, ihre Preiskalkulation darzulegen. Dann werden wir sehen, ob tatsächlich eine Rechtfertigung besteht. Nach allem was ich weiß ist das eher kritisch zu sehen.

    Kaess: Der Präsident des Bundeskartellamts Bernhard Heitzer sagt, es geht viel mehr darum, den Zugang zu den Netzen zu verbessern und die Kosten für die Netze zu senken. Welchen Einfluss kann die Politik denn hier überhaupt nehmen?

    Austermann: Das wird versucht, dass man eine Trennung von Netz und Betrieb macht, von der Herstellung des Stroms und dem Betrieb der Netze. Wir haben ja seit einiger Zeit eine Kontrolle durch die Bundesnetzagentur. Ich glaube nicht, dass das Netz der entscheidende Kostentreiber ist, solange alle zu den gleichen Konditionen auch den Strom dort durchleiten. Wenn wir hier mehr Wettbewerb hätten, ausländische Stromanbieter, Anbieter, die nicht zu den vier Oligopolen gehören, hätten wir im nu eine ganz andere Situation, dass die Strompreise dann ähnlich wie im Durchschnitt in Europa deutlich niedriger liegen würden.

    Kaess: Mehr Wettbewerb zum Beispiel durch die Entflechtung von Produzent und Netzen. Das wird auf EU-Ebene auch versucht, zum Beispiel vom zuständigen Energiekommissar Andris Piebalgs mit einem Richtlinienentwurf. Deutschland wird wahrscheinlich zu den Ländern gehören, die sich dagegen wehren werden.

    Austermann: Wir haben ja anders als auf EU-Ebene in Deutschland ein Instrument, das an der Stelle Kontrolle ausübt. Das ist die Bundesnetzagentur. Es gibt auch die eine oder andere Überprüfung. Das ganze muss jetzt erst anlaufen. Ich sehe an der Stelle bei dem so genannten Unbundling, also bei der Trennung, einen Weg, aber nicht den Königsweg, sondern der Königsweg besteht vor allen Dingen darin, dass mehr auf den Markt kommen, die auch in Deutschland tatsächlich Strom anbieten und produzieren.

    Kaess: Noch mal Stichwort Wettbewerb. Welche Fehler wurden denn da in der Vergangenheit gemacht, was die Zusammenlegung von großen Konzernen betrifft?

    Austermann: Wir haben ja eine Marktwirtschaft, in der im Grunde es ermöglicht wird, dass sich Unternehmen zusammenschließen. Wir haben vier große Unternehmen, die von sich behaupten, dass sie jeweils miteinander im Wettbewerb stehen, aber sie haben halt Gebiete, in denen sie praktisch uneingeschränkt liefern dürfen. Das hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Ich würde da der Politik keine Schuld geben. Ich glaube nur, dass wir mehr jetzt darauf achten müssen, zusätzliche Wettbewerber auf den Markt zu holen, und dafür gibt es eine große Chance.

    Viele Kraftwerke müssen in nächster Zeit ausgetauscht werden und wenn sie ausgetauscht werden, sollte man sich bei den Standorten, über die ja die Länder verfügen, darum bemühen, Unternehmen zu gewinnen, die noch nicht am Markt sind. Wir bemühen uns in Schleswig-Holstein um einen belgischen Stromerzeuger. Wir bemühen uns um einen Zusammenschluss von Stadtwerken, die weitere Kraftwerke bauen wollen. Das scheint der bessere, sichere Weg zu sein, wenn wir wirklich echten Wettbewerb wieder haben wollen.

    Kaess: Herr Austermann, die Politiker ermutigen Verbraucher jetzt zum Wechsel des Versorgers. Das haben bisher wenige gemacht. Da nützt auch mehr Wettbewerb nichts.

    Austermann: Bei den Stromkunden funktioniert das noch am besten, fast so gut wie beim Telefonanbieter. Ich bin da sehr zuversichtlich und diese Preistreiberwelle wird dazu beitragen, dass die Kunden noch genauer hinschauen, sich kleine Stadtwerke aussuchen, die mal als Hecht im Karpfenteich unterwegs sind, und dort den Strom bestellen. Ich kann nur jeden dazu ermuntern, der sich von seinem Stromanbieter über den Tisch gezogen fühlt, zu gucken und da sind Spannen von 100 bis 250 Euro im Jahr für einen einzelnen normalen Haushalt.

    Kaess: Dietrich Austermann (CDU), Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, zu der Erhöhung der Strompreise. Vielen Dank!

    Austermann: Ich danke Ihnen auch.