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Austermann dringt auf Steuerreform

Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann fordert eine Steuerreform zur Ankurbelung des privaten Konsums. Zunächst einmal solle Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) angesichts der aktuellen Rechtssprechung auf die Kürzung der Pendlerpauschale verzichten, sagte der CDU-Politiker Austermann. In einem zweiten Schritt müsse die allgemein "zu hohe Belastung der Arbeitnehmer" durch Steuern zurückgedrängt werden.

Moderation: Jochen Fischer |
    Jochen Fischer: Die Pendlerpauschale in ihrer jetzigen Form ist vom Bundesfinanzhof als verfassungswidrig eingestuft worden. Das war am Mittwoch, und seit dieser Zeit wird spekuliert, was wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, das in dieser Sache das letzte Wort hat. Denn auch dort sind bereits Klagen gegen die Pendlerpauschale eingegangen, und obendrauf kommt also jetzt die Vorlage vom obersten deutschen Gericht für Steuerfragen. Noch in diesem Jahr wird es eine Entscheidung geben, so ist aus Karlsruhe zu hören.

    Eine solche Masse an sachverständiger juristischer Durchleuchtung und kritischen Anmerkungen ficht aber Finanzminister Steinbrück nicht an, er bleibt dabei: Die Kürzung der Pauschale sei rechtlich in Ordnung. Doch Zweifel sind immerhin erlaubt.

    Darüber will ich mit Dietrich Austermann sprechen, er ist Wirtschafts- und Verkehrsminister in Schleswig-Holstein und gehört der CDU an. Guten Morgen nach Kiel!

    Dietrich Austermann: Guten Morgen, Herr Fischer!

    Fischer: Herr Austermann, ein oberstes Gericht hat in Sachen Pendlerpauschale entschieden. Das Verfassungsgericht wird seine Entscheidung noch in diesem Jahr treffen. Die Richter dort, die werden doch die Begründung ihrer Kollegen nicht einfach in der Luft zerreißen?

    Austermann: Das werden sie sicher nicht machen, zumal der Bundesfinanzhof in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich in Fragen der Verfassungsgemäßheit von steuerlichen Vorschriften zu fast 100 Prozent richtig gelegen hat. Ich sehe auch hier die Position als richtig und verfassungsgemäß an, es kann nicht sein, dass der Weg des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitsplatz in den ersten 20 Kilometern ein Privatweg ist und in den zweiten 20 Kilometern ein Dienstweg oder umgekehrt als zur Arbeit führend angerechnet oder nicht angerechnet wird. Die Kappung, die vorgenommen worden ist vom Bundesgesetzgeber, war meines Erachtens verfassungswidrig.

    Fischer: Wie hat das Land Schleswig-Holstein sich denn damals verhalten?

    Austermann: Wir haben dem knurrend zugestimmt, ich selbst habe eine andere Auffassung vertreten, habe dies auch im Kabinett deutlich gemacht, aber wie das ist in Koalitionen: Wenn man sich nicht einigen kann, enthält man sich der Stimme.

    Fischer: Hat es vielleicht damit zu tun, dass Sie Wirtschafts- und Verkehrsminister in einem Land sind, das sehr ländlich geprägt ist und wo die Wege weit sind?

    Austermann: Die Wege sind weit, und es gibt besonders viele Pendler, die insbesondere in die Metropolregion Hamburg fahren. Das sind pro Tag 140.000, die reinpendeln, 40.000, die rauspendeln, also 180.000 Arbeitnehmer, die davon betroffen sind und die das natürlich ganz konkret in ihrem Portemonnaie spüren, dass sie auf einmal einen Teil des Weges zur Arbeit steuerlich nicht mehr berücksichtigt bekommen. Ich bin der Meinung, dass gerade in der gegenwärtigen Situation, in der darüber nachgedacht wird, wie Konsum wieder angekurbelt werden kann, der Finanzminister hier schnell im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs handeln muss. Und ich halte es auch für erforderlich, weil damals ja gesagt wurde, über die Pendlerpauschale, als die erhöht wurde, soll ein Teilausgleich für die Ökosteuer stattfinden, ein Argument, das zur Zeit völlig untergeht. Man wollte gerade die Pendler bewusst für die Mehrbelastung durch die Ökosteuer entlasten, um die Arbeitnehmer besserzustellen als die Nicht-Arbeitnehmer. Diese Argumentation gilt eigentlich auch noch heute. Und schließlich muss man wissen, dass der Finanzminister, die Finanzminister, von der Preisentwicklung beim Benzin sehr heftig profitieren, das heißt, mehr, als die Pendlerpauschale ausmacht, geht an Mehrwertsteuern zusätzlich in die Staatskassen hinein. Steinbrück hat also überhaupt gar kein Loch, wenn er auf diese Regelung der Kappung verzichtet.

    Fischer: Da wird er ja auch unterstützt von Ihnen, sagen Sie, obwohl Sie damals knurrend zugestimmt haben. Nun liegt ja ...

    Austermann: Er wird von mir darin unterstützt, einen Fehler wieder zu korrigieren.

    Fischer: Und er wird es nicht tun, wenn man seine Äußerungen hört, er sagt, er sei rechtlich abgesichert, er bleibt dabei. Sollte das Verfassungsgericht jetzt gegen ihn entscheiden, dann hat er ja bereits angekündigt, dann müsse man sich das Geld - es geht um 2,5 Milliarden Euro, die da zur Diskussion stehen - an anderer Stelle holen.

    Austermann: Das ist etwa der Betrag, 2,5 Milliarden, den er mehr einnimmt nicht nur durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, sondern durch das Ansteigen der Spritpreise. Die Spritpreise sind angestiegen um 20 Cent etwa, seitdem die Entscheidung getroffen wurde, und darüber und über die steigenden Ölpreise kassiert er Windfall Profits, für die der Staat keine Leistung erbracht hat. Das sollte er gerechterweise an die Bürger zurückgeben, wenn man immer darüber nachdenkt, wie man Konsum ankurbeln kann, und wie man Bürger bei Energiepreisen entlasten kann. Das ist ja auch eine Stereotype der Bundesregierung.

    Fischer: Die Neuregelung der Pendlerpauschale ist kritisiert worden vom Bundesfinanzhof unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass es ja bei anderen Aufwendungen zum Beispiel für doppelte Haushaltsführung keine Einschränkungen gibt durch den Gesetzgeber, das sei ja sozusagen ein Widerspruch in sich.

    Austermann: Na ja, wenn man also mal eine Summe zieht aus dem, was an steuerlichen Be- und Entlastungen seit 2005 erfolgt ist, dann sieht man doch eine kräftige Belastung der Arbeitnehmer, eine kräftige Belastung der Steuerzahler angefangen von dem Wegfall der steuerlichen Förderung des Arbeitsplatzes bis zu vielen anderen Dingen mehr. Also, der Bürger wurde schon kräftig zur Ader gelassen, das konnte in Teilen nachvollzogen werden, aber in Teilen muss der Finanzminister sich das jetzt auch entgegenhalten lassen als zusätzliche Belastung der Bürger. Es wird darüber diskutiert, dass die weltweite wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland kompensiert werden kann durch höheren Konsum. Wenn aber die Bürger dazu nicht in der Lage sind, dann werden wir die Delle, die die weltweite Wirtschaft macht, auch in Deutschland spüren, und das merkt dann auch der Finanzminister. Sturheit wird sich hier zu seinen Lasten auswirken, deswegen sollte er einlenken.

    Fischer: Er sollte einlenken, wie kann er es tun? Wie sieht die Zukunft dieser steuerlichen Förderungen der Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit aus nach Ihren Vorstellungen?

    Austermann: Ein Verzicht auf die Kappung der steuerlichen Entlastung der Arbeitnehmer bei der Kilometerpauschale, und als nächster Schritt aus meiner Sicht der Beginn einer großen Einkommenssteuerreform, die zu einer deutlichen Entlastung der Bürger führt. Wir haben ein veraltetes Steuersystem, Lohn- und Einkommenssteuersystem, wir haben eine zu hohe Belastung der Arbeitnehmer, und es geht nicht an, dass man darüber diskutiert, immer höhere Transferleistungen zu ermöglichen, es müssen die Arbeitnehmer entlastet werden, dann erübrigt sich auch die Debatte um das Thema Mindestlohn und andere Dinge.

    Fischer: Es liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der kommt aus den Reihen der SPD-Fraktion, was die Wiedereinführung eines pauschalen Abzugs betrifft. Ulrich Kelber schlägt vor, wieder vom ersten Kilometer an einen Pauschalabzug vorzunehmen, aber nicht vom zu versteuernden Einkommen, sondern von der Steuerschuld. Was halten Sie denn davon?

    Austermann: Also, pauschale Betrachtungen sind sicher richtig, wenn man einen generellen pauschalen Steuersatz einführt, aber sie führen natürlich auch zu größeren Ungerechtigkeiten. Es gibt Bürger in Schleswig-Holstein, die fahren 70, 80 Kilometer jeden Tag zur Arbeit, und andere, die fahren 10 Kilometer jeden Tag zur Arbeit. Ich denke mal, dass man schon die Belastung bezogen auf die gefahrenen Kilometer sehen muss, und deswegen halte ich den Teil ... Ich bin sehr froh darüber, dass der Kollege Kelber auch für eine Wiederherstellung von mehr Gerechtigkeit ist, aber das, was er hier will, ist Gleichmacherei und hilft den direkt Betroffenen nicht anteilmäßig.

    Fischer: Es würde doch die Besserverdienenden stärker belasten als die weniger gut Verdienenden.

    Austermann: Ja, die Diskussion "Besserverdienende oder weniger Verdienende", die muss irgendwann mal aufhören. Wir müssen weg von der Belastung der normalen Arbeitnehmer in immer höheren Steuern, und das ist die Masse der Bevölkerung. Da sind die wenigen Besserverdienenden oder höher oder Spitzenverdiener, die geben da, obwohl sie auch heute schon die meisten Steuern zahlen, geben für mich nicht den Ausschlag. Wichtig ist, dass man die Masse der Arbeitnehmer entlastet, und dies sollte man nach Möglichkeit in diesem Zusammenhang mit einer richtigen Steuerreform möglichst bald tun, wenn man den Konsum in Deutschland wieder ankurbeln will.

    Fischer: Um noch mal zurückzukommen zu Ihrer Meinung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das anstehen wird: Wenn es sich also im Sinne des Bundesfinanzhofes äußern wird, dann läge es damit ganz auf Ihrer Linie und Sie wären wieder zufrieden und könnten Ihre knurrige Zustimmung vom Anfang zurücknehmen?

    Austermann: Zufrieden wäre ich dann, wenn dann nicht der Finanzminister auf den Gedanken kommt, an anderer Stelle mehr zu tun. Das hat er ja geäußert, die Belastung zu verschieben. Das führt in die falsche Richtung, nein, der Finanzminister muss darüber nachdenken, wo er im Haushalt sparen kann, um Wege freizumachen für eine Entlastung der Steuerzahler, insbesondere der kleinen und mittleren Steuerzahler, die durch die Inflationsrate in letzter Zeit immer stärker gebeutelt werden.

    Fischer: Dietrich Austermann, CDU, Wirtschafts- und Verkehrsminister in Schleswig-Holstein, zur Diskussion um die Pendlerpauschale. Das Interview haben wir aufgezeichnet.