Sterzing: Schönen guten Tag.
Heuer: Sie sind so nah dran - für wie ernst halten Sie die jüngste Erkrankung Arafats?
Sterzing: Ich glaube schon, dass es sich um eine ernste Erkrankung handelt. Sicherlich können wir das nur an Indikatoren ablesen, einer ist sicherlich, dass sich eigentlich die palästinensische politische Elite in Ramallah einfindet, soweit ihr das möglich ist, also PLC-Abgeordnete sind aus dem Ausland zurückgekehrt, es finden hektische Gespräche innerhalb der politischen Gruppen statt. Es geht ganz offensichtlich um den Tag danach und ich glaube, dass es das nicht gäbe, wenn nicht tatsächlich Anlass zur Sorge um Arafats Leben wäre.
Heuer: Reagieren tun natürlich auch die Palästinenser, die nicht zur politischen Elite gehören. Wie erleben Sie die Stimmung in Ramallah?
Sterzing: Es ist ruhig, ich bin vor wenigen Minuten an der Mukata vorbeigefahren, dort ist kein Volksauflauf mehr, wie heute nacht. Alles wartet sehr gespannt, man hängt an Radio oder Fernseher und wartet auf Nachrichten. Man merkt, dass die Leute die Geschehnisse sehr eng verfolgen und Nachrichten gierig aufnehmen.
Heuer: Nach Ihren Erfahrungen, sollte Arafat tatsächlich sterben, sind Unruhen in Ramallah dann vorprogrammiert?
Sterzing: Ich glaube nicht, dass das unbedingt der Fall sein muss. Alle politischen Kräfte, ich habe heute morgen mit einigen Abgeordneten aus dem Parlament gesprochen, sind bemüht, für einen reibungslosen Übergang zu sorgen. Jeder hat eigentlich ein großes Interesse daran, Unruhen, lange Machtauseinandersetzungen zu vermeiden. Ob das gelingt, ist sicherlich noch mal eine zweite Frage, aber im Augenblick werden eben hier die Gespräche geführt, wie ein solcher Übergang auch in konstitutioneller Form ermöglicht werden kann und insofern glaube ich, deutet im Augenblick nichts darauf hin, dass es hier ein Chaos gibt, dass bürgerkriegsähnliche Zustände ausbrechen werden. Es gibt sicherlich heftige Auseinandersetzungen, Machtkämpfe innerhalb der palästinensischen Selbstverwaltung, innerhalb von Fatah und anderen politischen Kräften, die hier eine Rolle spielen, aber von einem drohenden Bürgerkrieg oder militärischen Auseinandersetzungen kann man wohl nicht reden.
Heuer: Wenn Sie von Machtkämpfen sprechen und darüber, dass die Nachfolgeregelung jetzt besprochen wird. Wer glauben Sie, wird sich dabei durchsetzen? Im Gespräch sind ja mehrere Namen, unter anderem Ahmed Kurei und Mahmud Abas.
Sterzing: Das angesprochene Triumvirat ist ja von der Mukata selbst dementiert worden. Nach meinem Eindruck ist ganz wesentlich, dass Abu Masen, also Mahmud Abas der erste Premierminister, in die politische Arena zurückgekehrt ist und offenbar bereit ist, eine entscheidende Rolle zu spielen. Es gibt sehr viele politische Kräfte, die nur ihm zutrauen, eigentlich für einen geordneten Übergang zu sorgen. Er gehört zwar zur alten Garde, aber er ist derjenige, der auch Reformen verkörpert, der eine Veränderung der Verhältnisse will und dies ja auch versucht hat während seiner Zeit als Premierminister, wenn er dann auch gescheitert ist. Das ist der ganz entscheidende Faktor. Der zweite wesentliche Punkt ist, dass der erzeitige Ministerpräsident Kurei sich offensichtlich mit Mahmud Abas geeinigt hat, dass man nicht gegeneinander kämpfen wird, sondern dass man von beiden Seiten her an einem friedlichen Übergang interessiert ist und diese beiden wichtigen politischen Köpfe innerhalb der Fatah-Bewegung an einem Strang ziehen werden. Das halte ich gerade für die wichtigsten Indikatoren dafür, dass es eben auch zu einem friedlichen Übergang kommt.
Heuer: Ich verstehe Sie aber richtig, dass Sie Mahmud Abas für den Friedensprozess an der Spitze Palästinenser für die bessere Besetzung hielten. Würden denn dadurch die Chancen auf einen Frieden im Nahen Osten insgesamt und auch langfristig steigen?
Sterzing: Man kann nur spekulieren, aber vollkommen klar ist, dass wir vorgestern abend die Entscheidung der Knesset gehabt haben. Der entscheidende Grund für Scharons unilaterales Vorgehen ist die These, dass es keinen Partner auf der anderen Seite gibt. Mit Abas oder Masen ändert sich das schlagartig, die Begründung für das einseitige Vorgehen Israels würde wegfallen. Insofern werden die Karten hier neu gemischt und es gibt eine ganz neue strategische Situation, auch für die israelische Seite, die hier mit einem neuen Ministerpräsidenten umgehen werden. Dies verändert das politische Koordinatensystem im Nahen Osten und der engagement-plan wird sicherlich noch mal neu überdacht werden müssen. Es besteht eine große Chance, ich glaube, dass durchaus, so traurig das jetzt unter anderen Gesichtspunkten ist, sich mit einer Präsidentschaft von Mahmud Abas durchaus neue Möglichkeiten eröffnen. Man darf hier in dieser trostlosen Situation die Hoffnung nie aufgeben und insofern hoffe ich, dass sich da eine neue Möglichkeit eröffnet.
Heuer: Wie zuversichtlich sind Sie denn, wenn es dann zu einem Wechsel an der palästinensischen Spitze kommt, dass die Israelis wirklich ehrlich verhandeln möchten mit dieser neuen Spitze?
Sterzing: Die israelische Regierungspolitik ist von der Annahme getragen dass es auf der anderen Seite keinen Partner gibt. Ich habe das immer kritisiert, weil das auch eine self-fullfilling-prophecy ist. Es kommt auch darauf an, ob man jemanden finden will, mit dem man verhandeln kann und da gibt es wohl berechtigte Zweifel, die man auf der israelischen Seite anmelden kann. Arafat macht es ihr aber im Augenblick auch sehr bequem. Insofern verändert sich dieses Umfeld und die Israelis werden auch international erheblich unter Druck geraten, diesen engagement-plan nicht mehr unilateral durchzuführen, sondern eben in Verhandlungen zu treten. Ich glaube, dass das für Israel ein Machtwechsel in Ramallah ganz erhebliche Folgen haben wird, auch wenn man das sicherlich nicht gerne sieht in der israelischen Regierung, aber der internationale Druck wird wachsen, wenn einer der zentralen Vorwürde an die israelische Regierung bezüglich dieses Rückzugsplans aus dem Gazastreifen war ja immer: warum verhandelt ihr nicht? Wenn ihr verhandelt kann man viel besser für einen geordneten Übergang sorgen, dass dies ein Schritt ist, der in die richtige Richtung führt. Ein erster Schritt und nicht ein abschließender wie sich das vielleicht Herr Scharon vorstellt.
Heuer: Müssen aus Ihrer Sicht die USA vor allem diesen internationalen Druck dann erhöhen und neuen Einfluss nehmen auf Israel?
Sterzing: Das wäre natürlich hilfreich. Gott sei Dank sind bald Wahlen in den USA und wir hoffen ja alle sehr, dass sich damit auch die Spielräume für eine pro-aktive Haltung der amerikanischen Regierung verbessern. Aber ganz wesentlich richtet sich im Augenblick die Frage an die Europäer. Sie müssen endlich aus ihrer Zurückhaltung herausfinden und in dieses Vakuum stoßen. Wir müssen sehen, auch eine mögliche neue Administration in den USA wird Monate brauchen, um wirklich arbeitsfähig zu sein. Hier ist die Entwicklung so rapide, dass es dringender, schneller Unterstützung bedarf, hier stehen lokale Wahlen und wichtige Reformen an, hier muss die Entwicklung on the ground, der Bau der Mauer, der Ausbau der Siedlungen gestoppt werden. All dies ruft die Europäer auf dem Plan und ich hoffe sehr, dass Anfang November Javier Solana den EU-Außenministern einen realistischen Aktionsplan vorschlagen wird. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die EU bereit ist, doch eben wieder etwas mehr in Aktion zu treten.
Heuer: Sie sind so nah dran - für wie ernst halten Sie die jüngste Erkrankung Arafats?
Sterzing: Ich glaube schon, dass es sich um eine ernste Erkrankung handelt. Sicherlich können wir das nur an Indikatoren ablesen, einer ist sicherlich, dass sich eigentlich die palästinensische politische Elite in Ramallah einfindet, soweit ihr das möglich ist, also PLC-Abgeordnete sind aus dem Ausland zurückgekehrt, es finden hektische Gespräche innerhalb der politischen Gruppen statt. Es geht ganz offensichtlich um den Tag danach und ich glaube, dass es das nicht gäbe, wenn nicht tatsächlich Anlass zur Sorge um Arafats Leben wäre.
Heuer: Reagieren tun natürlich auch die Palästinenser, die nicht zur politischen Elite gehören. Wie erleben Sie die Stimmung in Ramallah?
Sterzing: Es ist ruhig, ich bin vor wenigen Minuten an der Mukata vorbeigefahren, dort ist kein Volksauflauf mehr, wie heute nacht. Alles wartet sehr gespannt, man hängt an Radio oder Fernseher und wartet auf Nachrichten. Man merkt, dass die Leute die Geschehnisse sehr eng verfolgen und Nachrichten gierig aufnehmen.
Heuer: Nach Ihren Erfahrungen, sollte Arafat tatsächlich sterben, sind Unruhen in Ramallah dann vorprogrammiert?
Sterzing: Ich glaube nicht, dass das unbedingt der Fall sein muss. Alle politischen Kräfte, ich habe heute morgen mit einigen Abgeordneten aus dem Parlament gesprochen, sind bemüht, für einen reibungslosen Übergang zu sorgen. Jeder hat eigentlich ein großes Interesse daran, Unruhen, lange Machtauseinandersetzungen zu vermeiden. Ob das gelingt, ist sicherlich noch mal eine zweite Frage, aber im Augenblick werden eben hier die Gespräche geführt, wie ein solcher Übergang auch in konstitutioneller Form ermöglicht werden kann und insofern glaube ich, deutet im Augenblick nichts darauf hin, dass es hier ein Chaos gibt, dass bürgerkriegsähnliche Zustände ausbrechen werden. Es gibt sicherlich heftige Auseinandersetzungen, Machtkämpfe innerhalb der palästinensischen Selbstverwaltung, innerhalb von Fatah und anderen politischen Kräften, die hier eine Rolle spielen, aber von einem drohenden Bürgerkrieg oder militärischen Auseinandersetzungen kann man wohl nicht reden.
Heuer: Wenn Sie von Machtkämpfen sprechen und darüber, dass die Nachfolgeregelung jetzt besprochen wird. Wer glauben Sie, wird sich dabei durchsetzen? Im Gespräch sind ja mehrere Namen, unter anderem Ahmed Kurei und Mahmud Abas.
Sterzing: Das angesprochene Triumvirat ist ja von der Mukata selbst dementiert worden. Nach meinem Eindruck ist ganz wesentlich, dass Abu Masen, also Mahmud Abas der erste Premierminister, in die politische Arena zurückgekehrt ist und offenbar bereit ist, eine entscheidende Rolle zu spielen. Es gibt sehr viele politische Kräfte, die nur ihm zutrauen, eigentlich für einen geordneten Übergang zu sorgen. Er gehört zwar zur alten Garde, aber er ist derjenige, der auch Reformen verkörpert, der eine Veränderung der Verhältnisse will und dies ja auch versucht hat während seiner Zeit als Premierminister, wenn er dann auch gescheitert ist. Das ist der ganz entscheidende Faktor. Der zweite wesentliche Punkt ist, dass der erzeitige Ministerpräsident Kurei sich offensichtlich mit Mahmud Abas geeinigt hat, dass man nicht gegeneinander kämpfen wird, sondern dass man von beiden Seiten her an einem friedlichen Übergang interessiert ist und diese beiden wichtigen politischen Köpfe innerhalb der Fatah-Bewegung an einem Strang ziehen werden. Das halte ich gerade für die wichtigsten Indikatoren dafür, dass es eben auch zu einem friedlichen Übergang kommt.
Heuer: Ich verstehe Sie aber richtig, dass Sie Mahmud Abas für den Friedensprozess an der Spitze Palästinenser für die bessere Besetzung hielten. Würden denn dadurch die Chancen auf einen Frieden im Nahen Osten insgesamt und auch langfristig steigen?
Sterzing: Man kann nur spekulieren, aber vollkommen klar ist, dass wir vorgestern abend die Entscheidung der Knesset gehabt haben. Der entscheidende Grund für Scharons unilaterales Vorgehen ist die These, dass es keinen Partner auf der anderen Seite gibt. Mit Abas oder Masen ändert sich das schlagartig, die Begründung für das einseitige Vorgehen Israels würde wegfallen. Insofern werden die Karten hier neu gemischt und es gibt eine ganz neue strategische Situation, auch für die israelische Seite, die hier mit einem neuen Ministerpräsidenten umgehen werden. Dies verändert das politische Koordinatensystem im Nahen Osten und der engagement-plan wird sicherlich noch mal neu überdacht werden müssen. Es besteht eine große Chance, ich glaube, dass durchaus, so traurig das jetzt unter anderen Gesichtspunkten ist, sich mit einer Präsidentschaft von Mahmud Abas durchaus neue Möglichkeiten eröffnen. Man darf hier in dieser trostlosen Situation die Hoffnung nie aufgeben und insofern hoffe ich, dass sich da eine neue Möglichkeit eröffnet.
Heuer: Wie zuversichtlich sind Sie denn, wenn es dann zu einem Wechsel an der palästinensischen Spitze kommt, dass die Israelis wirklich ehrlich verhandeln möchten mit dieser neuen Spitze?
Sterzing: Die israelische Regierungspolitik ist von der Annahme getragen dass es auf der anderen Seite keinen Partner gibt. Ich habe das immer kritisiert, weil das auch eine self-fullfilling-prophecy ist. Es kommt auch darauf an, ob man jemanden finden will, mit dem man verhandeln kann und da gibt es wohl berechtigte Zweifel, die man auf der israelischen Seite anmelden kann. Arafat macht es ihr aber im Augenblick auch sehr bequem. Insofern verändert sich dieses Umfeld und die Israelis werden auch international erheblich unter Druck geraten, diesen engagement-plan nicht mehr unilateral durchzuführen, sondern eben in Verhandlungen zu treten. Ich glaube, dass das für Israel ein Machtwechsel in Ramallah ganz erhebliche Folgen haben wird, auch wenn man das sicherlich nicht gerne sieht in der israelischen Regierung, aber der internationale Druck wird wachsen, wenn einer der zentralen Vorwürde an die israelische Regierung bezüglich dieses Rückzugsplans aus dem Gazastreifen war ja immer: warum verhandelt ihr nicht? Wenn ihr verhandelt kann man viel besser für einen geordneten Übergang sorgen, dass dies ein Schritt ist, der in die richtige Richtung führt. Ein erster Schritt und nicht ein abschließender wie sich das vielleicht Herr Scharon vorstellt.
Heuer: Müssen aus Ihrer Sicht die USA vor allem diesen internationalen Druck dann erhöhen und neuen Einfluss nehmen auf Israel?
Sterzing: Das wäre natürlich hilfreich. Gott sei Dank sind bald Wahlen in den USA und wir hoffen ja alle sehr, dass sich damit auch die Spielräume für eine pro-aktive Haltung der amerikanischen Regierung verbessern. Aber ganz wesentlich richtet sich im Augenblick die Frage an die Europäer. Sie müssen endlich aus ihrer Zurückhaltung herausfinden und in dieses Vakuum stoßen. Wir müssen sehen, auch eine mögliche neue Administration in den USA wird Monate brauchen, um wirklich arbeitsfähig zu sein. Hier ist die Entwicklung so rapide, dass es dringender, schneller Unterstützung bedarf, hier stehen lokale Wahlen und wichtige Reformen an, hier muss die Entwicklung on the ground, der Bau der Mauer, der Ausbau der Siedlungen gestoppt werden. All dies ruft die Europäer auf dem Plan und ich hoffe sehr, dass Anfang November Javier Solana den EU-Außenministern einen realistischen Aktionsplan vorschlagen wird. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die EU bereit ist, doch eben wieder etwas mehr in Aktion zu treten.