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Auto 4.0
Der lange Weg zum autonomen Fahren

Ob Lenkpilot oder Bremsassistent: Die ersten Schritte auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto sind bereits getan. Zurzeit werden Assistenzsysteme entwickelt, die den Fahrern immer mehr Arbeit abnehmen sollen. Doch bis hin zur Vollautomatisierung ist es noch ein weiter Weg. Dabei geht es nicht nur um die Technik - auch Gesetze müssen geändert werden.

Von Thomas Wagner |
    Ein mit Bosch-Technik ausgestattetes, autonom fahrendes Auto des Typs Jeep Cherokee
    Hände weg vom Lenkrad: Das selbstfahrende Auto soll das Steuern für den Fahrer übernehmen. (dpa / Britta Pedersen)
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt: "Das ist die größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Autos!" Was der Minister damit meint, wird derzeit auf der Autobahn A 81 rund um Sindelfingen bei Stuttgart deutlich:
    "Ich habe einen Lenkpiloten. Das heißt: Über eine Stereokamera und ein Radarsystem, die über ein Steuergerät miteinander kommunizieren, habe ich die Möglichkeit, dass das Fahrzeug selbstständig lenkt. Ich kann auch nachher zu Demonstrationszwecken das Lenkrad kurzzeitig loslassen."
    Katharina Kupferschmied arbeitet beim Autohersteller Daimler – und hat eine spannende Aufgabe: Das Auto der Zukunft mit entwickeln – ein Auto, das irgendwann einmal fahrerlos über Autobahnen und Landstraßen braust. Die Entwicklung des Lenkpiloten ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin:
    "Die Kurve muss ich nicht selber steuern. Er hat die Kamera und das Radar die Spur erkannt und den Vorausfahrer hier noch zusätzlich. Er hat überwacht, ob ihm die Nachbarspur frei genug erscheint, ob er die überwacht – und jetzt hat er gerade selbstständig einen Spurwechsel durchgeführt."
    Das Ziel ist das komplett selbstfahrende Auto
    Dennoch lässt Daimler- Entwicklerin Katharina Kupferschmid das Lenkrad nicht vollständig los: "Der Fahrer ist immer für alles verantwortlich, hat die Hände am Lenkrad zu halten."
    Nur ein paar Kilometer entfernt, auf dem Testgelände des Daimler-Werkes Sindelfingen: Entwickler Frank-Werner Mohn gibt mit einer E-Klasse mächtig Gas – und das, obwohl ein anderes Auto eher gemächlich voraustuckert: Der Abstand wird ständig geringer:
    "So, wir sind deutlich schneller. Vor uns fährt der Wagen: Warnung – Bremsung! Und – wow, hey, ich bin immer noch auf dem Gas. Haben Sie das gespürt? Der Unfall konnte vermieden werden."
    Hier der Lenkpilot, da der Notfall-Bremsassistent - das sind nur zwei von vielen Beispielen für Assistenzsysteme, die der Fahrerin oder dem Fahrer immer mehr Arbeit abnehmen. Das Ziel ist das komplett selbstfahrende Auto. Allerdings: Der Weg dorthin ist noch ein sehr langer:
    "Es sind aber noch einige Schritte notwendig. Zum Beispiel müssen wir uns überlegen, technisch aber auch organisatorisch, wie wir mit unerwarteten Situationen umgehen. Unerwartet heißt: Es kann ja mal etwas ausfallen. Oder ein Stein trifft auf das Fahrzeug, man bekommt plötzlich einen Riss in der Scheibe und die Kamera sieht nichts mehr. Was passiert dann?", erklärt Daimler-Entwickler Jochen Haab die nächsten Entwicklungsschritte – und liegt damit auf einer Linie mit dem Fünf-Stufen-Modell des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, das die Entwicklung hin zum voll automatisierten Fahren beschreibt.
    Verkehrsminister Dobrindt will Gesetze ändern
    Bei Stufe eins geht es um erste Assistenzsysteme, bei Stufe zwei wird teilautomatisiertes Fahren wie automatisches Einparken möglich. Bei Phase vier ist bereits die Vollautomatisierung erreicht; allerdings behält der Fahrer noch die Oberhoheit über das Auto. Stufe fünf schließlich ist derzeit noch Zukunftsmusik: Da geht es um das selbstfahrende Auto, das ohne Lenkrad – und Fahrer – auskommt. Jochen Haab ist sich mit den meisten anderen Fachleuten einig:
    "Die ersten Schritte, wenn wir dann wirklich Richtung hochautomatisiertes Fahren gehen, werden dann wirklich Richtung Straßentypen sein, die einfach sind. Einfach heißt: Da kommt typischerweise kein Fußgänger. Das heißt: Wir reden über Autobahnen oder gut ausgebaute Bundesstraßen. Das werden die nächsten Schritte sein. Am kniffligsten ist ganz klar der Stadtverkehr."
    Darüber hinaus müssen, um irgendwann einmal auch voll automatisiertes Fahren zu ermöglichen, die Gesetze geändert werden. Derzeit gelten noch die Regeln der "Wiener Konvention." Das ist eine internationale Vereinbarung, wonach der Fahrer in jeder Situation Herr über das Auto sein muss und grundsätzlich auch haftbar für alle Unfallschäden ist. Was aber, wenn es gar keinen Fahrer mehr im klassischen Sinn gibt? Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt schweben neue Regeln vor:
    "Der Fahrer ist von der Haftung freigestellt, wenn er ein automatisiertes System benutzt. Sprich: Er hat keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen, nur weil er ein automatisiertes System benutzt hat. Damit wird in einem Haftungsfall der Halter derjenige, der haftet."
    Und so sind auf dem Weg zum automatisierten Fahren nicht nur die Ingenieure, sondern auch die Juristen gefragt. All das kann dauern. Und deshalb will keiner eine präzise Prognose darüber abgeben, bis wann tatsächlich das erste Auto ohne Lenkrad über Deutschlands Straßen flitzt. Allerdings, so Daimler Entwickler Jochen Haab: "Jahrzehntelang wird das nicht mehr dauern."