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Auto-Klimaanlagen
Wie gefährlich ist das Kältemittel Tetrafluorpropen?

Seit knapp anderthalb Jahren sind Autos mit dem Kältemittel Tetrafluorpropen in Klimaanlagen unterwegs. Doch die Chemikalie ist umstritten. So soll sie leicht brennbar sein und gesundheitsschädliche Flusssäure bilden. Der ADAC rät daher, die Klimaanlagen lieber mit CO2 zu kühlen. Doch auch das hat seine Tücken.

Von Volker Mrasek | 07.06.2018
    Interner Wärmetauscher einer CO2-Klimanalage wird vor den Motor eines Erprobungsfahrzeugs gehalten
    Nicht entzündbar: Wärmeaustauscher einer CO2-Klimanalage (dpa/ Franziska Kraufmann)
    R1234yf oder Tetra-fluor-propen - diese Chemikalie steckt heute in fast allen Klimaanlagen neuzugelassener Pkw und Kleinlaster auf dem europäischen Markt. Dabei gab es große Bedenken gegen die Einführung des Kältemittels, so auch bei der Bundesanstalt für Materialforschung und beim Umweltbundesamt. Denn die Substanz ist brennbar. Schon vor Jahren hatten Versuche gezeigt: Ausströmendes Tetrafluorpropen kann sich am heißen Motorblock entzünden.
    Dieses Risiko bestehe nach wie vor, sagt die Physikerin Gabriele Hoffmann vom Umweltbundesamt: "In anwendungsnahen Szenarien ist es zu Bränden gekommen. Und dies kann auch weiterhin passieren."
    Laut ADAC noch keine Fälle bekannt
    Mehr noch: Im Brandfall entsteht aus Tetrafluorpropen stark ätzende Flusssäure. "Flusssäure ist eine sehr giftige Säure. Und sie ist relativ heimtückisch, weil sie tief in den Körper eindringt und man erst sehr spät Schmerzen bekommt. Im Jahr 2016 hat ein Lkw gebrannt, der Chemikalien hatte, die Flusssäure gebildet haben. Und es ist erst später klar geworden, dass Flusssäure entstanden ist. Und die Leute mussten dann alle behandelt werden."
    Doch das war ein Chemikalien-Transporter. Wie aber sieht es mit R1234yf aus? Seit knapp anderthalb Jahren sind Autos jetzt mit dem Kältemittel unterwegs. Ist die umstrittene Substanz in der Praxis tatsächlich so gefährlich wie befürchtet? Der Allgemeine Deutsche Automobilclub ADAC hat dafür bisher keine Anhaltspunkte, wie er auf Anfrage erklärt:
    "Die Fahrzeughersteller haben es offensichtlich geschafft, R1234yf (sprich: R zwölf vierundreißig y f) so sicher in Auto-Klimaanlagen zu verbauen, dass keine Brandgefahr besteht. Dem ADAC ist kein einziger Fall bekannt, in welchem es Verbrennungen oder Vergiftungsfälle gegeben hätte, die auf den Einsatz des Kältemittels zurückzuführen sind."
    "Der Stoff ist einfach brennbar"
    Berufsverbände aus dem Rettungsgwesen äußern sich ähnlich zu Tetrafluorpropen und der möglichen Bildung gesundheitsschädlicher Flusssäure, so etwa die Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte:
    "Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Hinweise darauf, dass bei Bränden derartige Schäden aufgetreten sind. Es gibt auch keine Aussagen aus dem klinischen Bereich."
    Für Gabriele Hoffmann vom Umweltbundesamt ist es aber noch zu früh, um sich beruhigt zurückzulehnen: "Bisher sind die Anlagen ja noch relativ neu. Und irgendwann kommen dann die Anlagen auch in die Werkstatt oder werden irgendwo rissig oder bekommen ein Leck, so dass da durchaus immer noch das Gefahrenpotenzial da ist. Der Stoff ist einfach brennbar!"
    Auch der ADAC sieht Tetrafluorpropen durchaus kritisch, wie aus seiner Stellungnahme hervorgeht: "Im Sinne einer Risikominderung empfehlen wir den Einsatz eines natürlichen, umweltfreundlichen und ungefährlichen Kältemittels."
    Damit hebt der Automobilclub auf Klimaanlagen ab, die mit CO2 laufen - mit Kohlendioxid. Bei ihnen kann sich das Kältemittel nicht entzünden. Allerdings erfordern sie einige technische Veränderungen: Die Kühlung mit CO2 verlangt höhere Arbeitsdrücke, wie Umweltphysikerin Hoffmann sagt. Es mussten neue Komponenten entwickelt und getestet werden.
    "Heute kann man CO2-Klimaanlagen schon kaufen in einigen Automodellen: der Mercedes-S-Klasse und der E-Klasse und dem Audi A8."
    Kaum umdenken und wenig ändern
    Doch was ist aus den Ankündigungen führender Vertreter der deutschen Autoindustrie geworden? Schon vor gut zehn Jahren verkündeten sie, die Zukunft gehöre ganz allgemein den CO2-Klimaanlagen!
    "Parallel zu der CO2-Entwicklung hat die chemische Industrie aber neue Stoffe entwickelt. Einer dieser Stoffe hat sich dann durchgesetzt. Das 1234yf hatte den Vorteil, dass man nicht so sehr umdenken musste und auch die Anlagen nur wenig ändern musste, so dass die Autoindustrie dann auf diesen Stoff zurückgegriffen hat."
    Auf ein Kältemittel, das noch andere Nachteile hat. Denn wenn Tetrafluorpropen aus Klimaanlagen entweicht, was durchaus normal ist, entsteht Trifluoressigsäure - ein sehr stabiler Stoff, der sich in der Umwelt anreichert und auch im Trinkwasser auftaucht. Zudem wird Tetrafluorpropen aus Flussspat hergestellt. Dieser Rohstoff gilt als kritisch, große Lagerstätten existieren nur in China und Mexiko. Und schließlich ist das neue Kältemittel zwar viel klimafreundlicher als sein Vorgänger R 134a, aber immer noch viermal so schädlich wie Kohlendioxid.
    Auto-Klimaanlagen auf Basis von CO2 wären also weiterhin die bessere Lösung.