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Autobahnbau
Mehrkosten durch Privatisierung?

Um beim Ausbau von Autobahnen zu sparen, kooperiert der Bund mit privaten Firmen. Im Falle der A1 ist es die Betreibergesellschaft A1 Mobil - die nach Medienberichten allerdings kurz vor der Pleite steht. Weil nicht nur dieses Projekte viel teuer werden könnte als geplant, werden nun Rufe laut, die öffentlich-privaten Partnerschaften zu überdenken.

Von Paul Vorreiter | 23.08.2017
    Straßenbaumaschinen verlegen Flüsterasphalt auf der A52 in Essen
    In öffentlich-private Partnerschaften kooperiert der Bund mit Privatunternehmen, an die der Ausbau von Autobahnen übergeben wird. (imago / Rupert Oberhäuser)
    Den Steuerzahler entlasten - davon ist oft die Rede, wenn sich die öffentliche Hand für öffentlich-private Partnerschaften, kurz ÖPP, entscheidet, etwa wenn der Ausbau von Autobahnen an private Betreiber übergeben wird, der Staat dabei zwar sparen soll, sich dann aber über Jahrzehnte hinweg verpflichtet, die Firmen mit Erlösen zu belohnen.
    Doch offenbar scheint diese Symbiose nicht immer so gut zu funktionieren - vor einer möglichen Pleite innerhalb schon weniger Monate steht nun offenbar das größte Projekt des Bundesverkehrsministeriums, der bereits erfolgte Ausbau der A1 zwischen Hamburg und Bremen, die sog. "Hansalinie".
    Mauteinnahmen offenbar ausgeblieben
    Das legt zumindest ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" nahe. Demnach kann sich die Betreibergesellschaft A1 Mobil nicht länger über Wasser halten. Sie soll ihre Baukosten von einer halben Milliarde Euro wett machen durch den Erlös von LKW-Mauteinnahmen, über einen Zeitraum von 30 Jahren. Doch weil im Zuge der Finanzkrise 2007 der Güterverkehr rapide abgenommen habe, seien die Einnahmen offenbar ausgeblieben. Das Autobahnstück ist zwischen 2008 und 2012 auf einer Länge von 73 Kilometern sechsspurig ausgebaut worden.
    Die SZ berichtet von einem Brief, den das Bundesverkehrsministerium von dem Betreiberkonsortium, einem mittelständischen Bauunternehmen und einem britischen Infrastrukturfonds erhalten habe. Darin ist von einer "existenzbedrohenden Situation" die Rede.
    Klage über 640 Millionen Euro
    Das Konsortium habe Anfang der Woche eine Klage über 640 Millionen Euro an den Bund eingereicht. Ein bestehendes Schlichtungsverfahren mit dem Bund scheint aussichtslos zu sein. Das Verkehrsministerium weigere sich, den Betreiber zu bezahlen.
    Muss die Koalition nun ihre Haltung zu öffentlich-privaten Partnerschaften überdenken?
    Der SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol: "Minister Dobrindt hat einen Fetisch, hat immer mehr Projekte als ÖPP umgewidmet und vorgeschlagen, insgesamt elf Projekte in seiner Amtszeit. Wir haben das kritisch begleitet. Grade jetzt wo wir mehr Geld für Infrastruktur haben, sollte man hinterfragen, ob ÖPP der richtige Weg ist."
    Projekte fallen teurer aus als geplant
    Der Teilausbau auf der A1 ist laut SZ nur einer von mehreren ÖPP-Autobahnprojekten, die bisher ausgebaut wurden, daneben gibt es noch unter anderem die Abschnitte A8 zwischen Ulm und München oder die A4 bei Gotha.
    Das Versprechen, die Projekte seien für die öffentliche Hand günstiger, trifft zumindest nach Meinung des Bundesrechnungshofes nicht zu. Laut Bericht fielen die ersten dieser Projekte um knapp zwei Milliarden Euro zu teuer aus. Sieben weitere Projekte über sechs Milliarden Euro seien angeschoben.
    Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms rechnet damit, dass auf den Bund auch noch bei diesen Projekten Mehrkosten zukommen könnten.
    "Dieses A1 Konsortioum ist ein speziell für diese Zwecke gegründetes Konsortium. Das heißt, die können sich das in Ruhe anschauen, im Zweifel lassen wir das Ding insolvent gehen, und dann ist der Bund dafür wieder zuständig, und er hat die zusätzlichen Kosten gehabt, also Entschuldigung, das ist nichts weiter als Veralberung ÖPP, man macht praktisch eine teure Vorfinanzierung."
    Umstrittene Infrastrukturgesellschaft für mehr Effizienz
    Bund und Länder haben sich in dieser Legislaturperiode auf die Gründung einer Autobahngesellschaft geeinigt. Der Bund will sich dabei die Zuständigkeit für die bisher von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Bundesautobahnen zurückholen. Mit dieser Infrastrukturgesellschaft, die auch innerhalb der großen Koalition lange umstritten war, will der Bund für mehr Effizienz in Planung, Bau und Betrieb der Autobahnen und Bundesstraßen sorgen.
    Ob mit dieser Autobahngesellschaft derlei Probleme wie nun mit der A1 nicht mehr auftauchen werden?
    SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol: "Ich hoffe, dass die neue Autobahngesellschaft so effizient arbeiten kann, dass ÖPP in Zukunft als Instrument überhaupt nicht mehr nötig ist. Ich glaube aber auch, wir sollten eine klare politische Botschaft senden. ÖPP sollte nicht mehr das Instrument der Wahl sein. "