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Autoindustrie
Fiat Chrysler zieht Fusionsangebot zurück

Die Fusion vom italienisch-amerikanischen Konzern Fiat Chrysler mit dem französischer Autobauer Renault ist geplatzt. Grund dafür scheint Widerstand der französischen Regierung zu sein. Frankreich ist mit 15 Prozent Anteilseigner an Renault. Dabei hätte eine Fusion durchaus Sinn gemacht.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Christiane Kaess | 06.06.2019
Logos der Autohersteller Fiat Chrysler und Renault
Eine mögliche Kooperation zwischen Fiat Chrysler und Renault hätte nicht die Synergien, die eine Fusion hätte (imago / Andre M. Chang)
Christiane Kaess: Fiat Chrysler zieht sein Angebot für eine Fusion mit Renault zurück. Die Mitteilung kam heute Nacht. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion: eine Überraschung?
Klemens Kindermann: Das kann man wohl sagen. Weil der italienisch-amerikanische Autobauer Fiat Chrysler es ja selbst war, der Renault das Angebot einer Fusion Anfang vergangener Woche gemacht hat. Ziel war es, mit den Franzosen zusammen den drittgrößten Autokonzern der Welt zu schmieden mit einer Produktion von knapp neun Millionen Fahrzeugen im Jahr. Es wäre eine Unternehmensgruppe entstanden, die das Zeug gehabt hätte, den anderen beiden Großen in der Autowelt Paroli zu bieten, nämlich Toyota und vor allem Volkswagen, dem bislang in Europa größten Autokonzern.
Renault ist auch profitabler als Fiat
Kaess: Warum jetzt der Rückzug von Fiat Chrysler?
Kindermann: Die "politischen Voraussetzungen" in Frankreich seien nicht gegeben, so heute Morgen die Mitteilung von Fiat Chrysler. Im Klartext heißt das: der Widerstand der französischen Regierung gegen eine solche Fusion scheint zu groß zu sein. Der französische Staat ist mit 15 Prozent Anteilseigner an Renault, an ihm vorbei geht gar nichts. Und Paris hatte seit Bekanntwerden der Fusionspläne darauf gedrungen, dass es Garantien geben müsse für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Industrieanlagen.
Das Problem ist, dass die Renault-Werke weitaus besser ausgelastet sind als die von Fiat in Italien. Renault ist auch profitabler als Fiat, verdient also pro Auto mehr als Fiat. Daher hat Paris auf eine höhere Bewertung gedrängt, auf mehr Einfluss in einem neuen fusionierten Unternehmen. Und dazu war Fiat Chrysler offenbar nicht bereit.
Kaess: Hätte eine Fusion denn Sinn gemacht?
Kindermann: Aus Sicht von Fiat auf jeden Fall. Hinter Fiat steht die Unternehmerfamilie Agnelli, die versucht, ihre Auto-Beteiligungen herunterzufahren. Bei einer Fusion unter Gleichen, und nur davon war die Rede: also ein Kapitalanteil von 50 Prozent für Fiat und für Renault, hätten sich die Anteile der Familie Agnelli halbiert und hätten unter dem Schwellenwert von 15 Prozent leichter verkauft werden können.
Auch für die Franzosen hätte eine Fusion Sinn gemacht, vor allem weil sie nicht gut genug auf den Weltmärkten vertreten sind, zwar gut in Europa und in den Schwellenländern, dagegen in den USA nur über den Partner Nissan. Da ist Fiat Chrysler inzwischen gut positioniert.
Kooperation möglich
Kaess: Wie geht es jetzt weiter – ist das heute Nacht der klare Schnitt gewesen?
Kindermann: Was nicht ausgeschlossen ist: dass beide Autobauer in Zukunft kooperieren. Denn beide sind alleine zu klein, um die hohen Kosten zu stemmen, die durch den Wandel zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren entstehen. Renault ist bei den Elektroautos schon weiter. Aber solche Kooperationen bringen natürlich nicht die Synergie-Effekte, die eine Fusion gebracht hätte.
Kaess: Die gescheiterte Fusion mit Fiat – nicht das einzige Problem für Renault?
Kindermann: Nein, weiß Gott nicht: Renault hat auch noch die Affäre um seinen früheren Spitzenmanager Carlos Ghosn am Hals. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat jetzt im Fernsehsender BFM angekündigt, es werde Anzeige erstattet:
"Wir haben diese internen Untersuchungen verlangt. Jetzt haben wir die Ergebnisse und sie zeigen strafbare Handlungen auf. Die Ergebnisse werden der Justiz übermittelt und diese wird ein Urteil fällen.
Finanzielle Intransparenz, unter anderem offenbar zweifelhafte Kosten für Flugreisen – der Skandal bei Renault könnte sich noch auswachsen.