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Automobilsalon Genf
Ohne Lenkrad in die Zukunft

In Genf beginnt am Donnerstag der 86. Internationale Automobilsalon. Ein Trend ist klar erkennbar: In Zukunft werden die Autos zunehmend selbst fahren. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung neuer Technologien für das Auto, sondern auch um eine entsprechende Neugestaltung der Infrastruktur auf den Straßen.

Von Thomas Wagner | 02.03.2016
    Das Google Car: ein selbstfahrendes Auto im Test.
    Auch das Google Car braucht aktuelle Informationen zur Verkehrslage, um sicher fahren zu können (picture alliance / dpa / Google Handout)
    "Ich drücke die PTD-Taste. Das steht für 'Push-to-drive.': Das Lenkrad faltet sich zusammen und zieht sich automatisch zurück ...."
    Wenn der Schweizer Autodesigner Frank Rinderknecht auf dem Fahrersitz des Protyps von "Ethos" Platz nimmt, spielen sich gespenstisch anmutende Dinge ab: Das Lenkrad verschwindet im Armaturenbrett - vollständig.
    "Wenn Sie sich mal ins Auto setzen und vorstellen, das Auto würde alleine fahren, dann sehen Sie relativ schnell, dass das Lenkrad im Weg ist."
    Autonomes Fahren geht ohne Lenkrad
    Erklärt Sven Schaub, Entwickler beim Autozulieferer ZF-TRW die Funktion des ersten vollständig einfahrbaren Lenkrades - auch dies ein Prototyp. "Autonomes Fahren" ist das Stichwort: Wenn Ethos, ausgestattet mit acht HD-Kameras, einer Fülle von Sensoren und einem leistungsfähigen Bordcomputer seinen Weg über Straßen und Wege bahnt, braucht es kein Lenkrad. "Autonomes Fahren" - das scheint mit Ethos, einem Auto mit hochmodernem Design, ein Stückweit Wirklichkeit geworden. Doch: Ethos wird so nie in Serie gehen. Vielmehr haben sich eine Fülle von Automobilzulieferern zusammengetan, um an einem Prototyp zu demonstrieren, wie autonomes, selbstständiges Fahren funktionieren kann - in gar nicht mal allzu ferner Zukunft.
    "Also ich schätze, dass wir das in den nächsten vier, fünf Jahren sehen auf den Autobahnen, bis man da autonom fahren kann. Es ist ja so: Das autonome Fahren wird ja schrittweise stattfinden."
    So Hans Roth vom Autozulieferer Harmann. Und dabei ist das autonome Fahren auf Autobahnen in etwa fünf Jahren bereits der zweite Schritt. Was viel schneller kommen wird auf Deutschlands Straßen ist das sogenannte "pilotierte Fahren".
    Pilotiertes Fahren geht mit einem Lenkrad in petto
    "Pilotiertes Fahren ist, wenn der Fahrer jederzeit eingriffsbereit ist, sodass ich das Lenkrad jederzeit in die Hand nehmen kann, dass ich sofort die Kontrolle zurückhabe."
    Will heißen: In diesem ersten Schritt des autonomen Fahrens darf der Fahrer die Hände zwar vom Lenkrad lassen, muss aber, nach einem Warnsignal, jederzeit bereit sein, die Steuerung des Autos wieder zu übernehmen. Nach der zweiten Stufe des autonomen Fahrens auf Autobahnen wird die dritte und letzte Etappe, nämlich autonomes Fahren in Städten, noch Jahrzehnte auf sich warten lassen, glaubt Autodesigner Frank Rinderknecht im Einklang mit den meisten übrigen Fachleuten:
    "Wenn man dann in die Stadt reingeht, wird das Thema schon sehr sportlich. Ich muss erkennen, wer was wie wann machen möchte. Und dann kommen noch die Fahrradfahrer, die mir bei Rot über die Ampel schießen."
    Um in der zweiten Phase, dem autonomen Fahren auf der Autobahn anzukommen, bedarf es nach Ansicht der Experten einer deutlichen Verbesserung der digitalen Infrastruktur entlang der Straßen - und darüber hinaus, erläutert Elektroniker Hans Roth:
    Präzise Karten mit aktueller Verkehrslage müssen digital verfügbar sein
    "Die normale Navigation ist da nicht mehr ausreichend. Man braucht hochpräzise Karten. Man braucht hochpräzise Positionierung. Und das Ganze muss immer up to date sein, mit den aktuellsten Informationen über den Straßenzustand. Und da rede ich grade über sekundengenaue Information, damit das Fahrzeug sich jederzeit drauf einstellen kann."
    So kompliziert sich das auch anhören mag: Alle großen Automarken setzen auf diese Technologie.
    "Dazu kommt das Thema autonomes und autonomisiertes Fahren, das wieder ganz neue Möglichkeiten eröffnen wird.", so Pietro Zolino, Sprecher der Volkswagen AG.
    "Das Fahrzeug kann überholen, die Spur wechseln. Es ist riesiger, weiter Schritt in Richtung autonomes und teilautonomes Fahren."
    So Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler-AG. Das Unternehmen hat gerade seine neue E-Klasse vorgestellt, die zumindest auf Autobahnen ohne das Zutun des Fahrers unterwegs sein könnte, wenn sie denn dürfte:
    "Sie dürfen heute mit seinem Serienfahrzeug auf öffentlichen Straßen nicht teil- oder ganz autonom fahren."
    Ethische Fragen bei Unfällen sind noch ungeklärt
    Wer ist verantwortlich, wenn es zum Unfall kommt? Fährt ein computergesteuertes Auto eher einen Rentner oder ein Kind über den Haufen, wenn es keine andere Alternative gibt? Solche rechtlichen und ethischen Fragen sind längst noch nicht geklärt - und bis dahin muss beim Protyp Ethos und seinem im Armaturenbrett verschwunden Lenkrad wohl noch eine zweite Taste gedrückt werden.
    "Im Umkehrschluss, wenn Sie das Fahren wieder nehmen wollen, kommt das Lenkrad wieder raus. Und Sie können die Hände anlegen und den Fahrauftrag wieder selber wahrnehmen."