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Babylonisches Übersetzungsmonster

Die neue Version der Übersetzungssoftware Babylon verspricht, ganze Texte übertragen zu können von und in 75 Sprachen. Babylon war bislang kostenlos, wurde von zahlreichen freiwilligen Programmierern unterstützt, bedient sich so mancher Open Source Quellen wie der Wikipedia, jetzt aber auch Duden, Langenscheidt, Oxford Dictionary, Pons & Co. Damit wird die Software in Version 8 kostenpflichtig.

Von Achim Killer |
    Jede Menge Neues bringt Babylon acht mit. Jörg Wunderer, dem Deutschland-Geschäftsführer des Unternehmens, fällt es denn auch hörbar schwer, zu entscheiden, was davon besonders wichtig ist:

    "Wahrscheinlich doch die Hauptfeatures sind: vollständige Übersetzung von Dokumenten und Web-Seiten und ja Verbesserung der Nutzbarkeit von Babylon."

    Eine neue Benutzerschnittstelle hat das Programm bekommen. Aber interessanter ist natürlich, wie Babylon es schafft, lange Texte von und aus über 50 Sprachen zu übersetzen. Bislang war die Software vor allem ein Zugriffswerkzeug auf digitale Wörterbücher. Jetzt soll es also ein veritabler Übersetzer sein. Der Text wird dabei nicht auf dem PC des Anwenders, sondern von einem Server im Internet verarbeitet. Der setzt verschiedene Techniken ein. Nadav Goshen, der stellvertretende Konzernchef:

    "Bei der statistischen Methode wird ein größerer Text genommen und nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit übersetzt. Beim Regel-basierten Ansatz wird die Grammatik miteinbezogen und der Satz entsprechend neu aufgebaut. Wir nutzen verschiedene Methoden. Andere hingegen verwenden nur eine. Welcher Ansatz die besten Ergebnisse liefert, hängt von der jeweiligen Sprache ab."

    Soviel zur Theorie. Jetzt zur Praxis: Einen alten Hit von Tim Hardin, später gecovert von Jonny Cash und den Small Faces, soll Babylon übersetzen – If I were a carpenter and you were a lady – und zwar aus der deutschen Übersetzung zurück ins Original:

    Wenn ich ein Zimmermann wäre und du eine Dame, würdest du mich trotzdem heiraten? – If I would be a carpenter and you have a lady, would you marry me nontheless?

    "Das aber ist grottenfalsch, was Babylon da radebricht. Im if-Satz steht nie "would". Jedem Englischlehrer würde derartiges die Zornesröte ins Gesicht treiben."

    If I was a carpenter. Genau. If I were a carpenter. Genau. Ja.

    Ja, es ist schwierig. Vielleicht klappt es mit den Beatles besser: Help! Interessant dabei, ob Babylon mit "any" und "some" richtig umgehen kann, also im verneinten Satz "any" und ansonsten "some" nimmt:

    Hilfe, ich brauche jemanden. Hilfe, nicht nur irgendjemanden. Help, I need someone. Help not only anybody.

    John Lennon hat es zwar anders formuliert. Aber "someone" und "anybody" hat das Programm richtig gesetzt im Unterschied zum totalen Versagen beim if-Satz. Man darf eben nicht zuviel von Übersetzungssoftware erwarten:

    I must not expect too much of translation-software. – Ich darf nicht zu viel erwartet der Übersetzungssoftware.

    Ist auch nicht schlecht. Er weiß zumindest, dass es "darf" heißt. Genau. Das ist richtig. "Must not", da denken viele, das heißt "muss nicht", ist natürlich was ganz anderes. Also insofern ist der Sinn schon richtig wiedergegeben. Und man kann sich dann schon denken, wie es korrekt heißen würde. Das Programm kann also beim Umgang mit Fremdsprachen durchaus hilfreich sein. Allerdings 100 Prozent korrekte und dann vielleicht auch noch schön formulierte Texte, die darf man von einem Stück Software nicht erwarten. Nadav Goshen drückt das so aus:

    "#Eine Maschine kann sicherlich keinen Menschen ersetzen. Das gilt für Übersetzungen und für alles andere. Es gibt keine Maschine, die komplexe Aufgaben besser erledigen kann als ein Mensch.#"

    Und deshalb wird sein Unternehmen demnächst eine weitere Neuerung einführen. Derzeit betreibt Babylon noch ein Wörterbuch-Wiki im Netz. LingoZ heißt das. Jeder, der mag, kann Erweiterungen vornehmen oder Einträge verbessern. Allerdings tun das nur wenige. Wörterbücher zu redigieren, ist eben nicht besonders spannend. LingoZ wird denn auch in einen Übersetzungsdienst umgewandelt. Software soll die Vorarbeit erledigen, aber anschließend sollen Menschen noch einmal über das Ergebnis schauen, eben weil sie durch Computer nicht ersetzt werden können. Was ja eigentlich sehr beruhigend ist.