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Bachelor-Anerkennungsprobleme in den USA

Auf die Presseberichte, nach denen in den USA die deutschen Bachelor-Abschlüsse nicht anerkannt werden, reagieren gerade diejenigen an den Universitäten gelassen, die langjährige USA-Erfahrungen haben: Studierende, die beide Bildungssysteme kennen und Professoren, die an Hochschulen sowohl in den Staaten als auch in Deutschland unterrichten oder unterrichtet haben. Ihre Botschaft lautet: Im Zweifel wird in den USA sehr individuell geprüft, was jemand kann oder nicht. Was ist der deutsche Bachelor in den USA wert? Ein Stimmungsbericht aus Mainz und Darmstadt.

23.10.2004
    Bernhard Einig ist an Universität Mainz für den Bereich Studium und Lehre verantwortlich. Zur Zeit nimmt er des öfteren besorgte Anrufe von Eltern entgegen, die sich erkundigen, ob ein Bachelor-Studium wirklich die richtige Wahl ist, wenn der Abschluss zum Beispiel in den USA nicht anerkannt werde:

    Und die Frage, ist ein Bachelor tatsächlich einem regulären Diplom, das man als Elternteil ja auch kennt, wirklich gleichwertig, die wird da schon ernsthaft aufgenommen. Die Artikel, die da skeptisch sind, die sorgen schon für erhebliche Unruhe und Nachfrage.

    Bernhard Einig erklärt den besorgten Eltern dann, dass es international immer schon gewisse Anerkennungsprobleme mit Bildungsabschlüssen gab - zum Beispiel auch mit dem Abitur oder dem Magister. Die weltweit existierenden Bildungssysteme seien eben nur bedingt standardisierbar, damit müsse man einfach leben:

    Internationale Standards in den Bachelor- und Masterstudiengängen existieren in der Tat nicht. Das ist jetzt nicht nur ein europäisches Problem, sondern sogar zwischen Australien und Amerika gibt es keine Abstimmung, selbst innerhalb Amerikas gibt es keine zwingenden Standards, so das sich jedes mal neu das Anerkennungsproblem stellt.

    Das sei aber auch gar nicht so schlimm - im Gegenteil, meint Thomas Walter, Professor am Institut für angewandte Physik in Darmstadt. Walter hat jahrelang an einer Universität in Texas unterrichtet und dort die Erfahrung gemacht, dass die Studienleistungen und Abschlüsse jedes Bewerbers aus dem Ausland im Zweifel sehr individuell beurteilt werden:

    Auch in den USA, wenn Sie innerhalb der USA einen Bachelor-Abschluss von einer Universität haben, um dann an die andere Universität zu wechseln, um dann einen Master-Studiengang zu beginnen, wird immer nicht nur auf den einfachen Abschluss geguckt, sondern Sie müssen sich ganz genau anschauen, welche Kurse hat der Student denn nun wirklich belegt, von welcher Schule kommt er, sie müssen alle einen normierten Eingangstext machen und aufgrund dieser Einschätzung, den Ergebnissen dieser Tests wird der Student im Studium platziert und es kann sogar sein, dass dieser Student verpflichtet wird, noch zusätzlich Bachelor-Kurse zu belegen, um dann eben eventuell vorhandene Wissenslücken auszugleichen.

    Für den Studierenden, der die Hochschule wechselt, kann es also durchaus eher von Vorteil sein, wenn die Anerkennung nicht allzu formal läuft, sondern genau geschaut wird, was er kann oder nicht kann. Der Darmstädter Student Jonas Kammler, der im 3.Semester Physik mit dem Ziel Bachelor studiert, findet es aber zur Sicherheit ganz gut, dass zumindest in Darmstadt eine gewisse Vergleichbarkeit von alten Diplom- und neuen Bachelor- bzw. Masterabschlüssen gewährleistet bleibt:

    Man kriegt ja, wenn man Master studiert und bestanden hat, kriegt man extra ne Bescheinigung, dass das mit dem Diplom äquivalent ist. Das ist ja erst Mal von den Lehrinhalten mehr oder weniger dasselbe.

    Sein Professor Thomas Walter hat aber in den USA die Erfahrung gemacht, dass man manchmal auch als Deutscher gar keinen Abschluss braucht, um dort Karriere zu machen. Er erzählt die Geschichte zweier Mainzer Informatik-Studenten im 6. Semester, die ganz ohne Abschluss in Texas für den Master - Studiengang angenommen wurden, nachdem man sich angeschaut hatte, welche Bücher sie gelesen und welche Kurse sie in Mainz belegt hatten:

    Die waren dann sogar so gut, dass meine amerikanischen Kollegen sich um sie gestritten haben, wer sie jetzt in seine Gruppe aufnehmen darf und die zwei Studenten sind dann in den USA geblieben, um dort eben direkt zu promovieren.

    Den anderen Weg, nämlich aus den USA an die Uni Mainz, hat Christopher Goodson gewählt. Der amerikanische Staatsbürger steht nach einem sechssemestrigen Bachelor-Studium am Rhein nun vor einem Abschluss als Informatiker.
    Dass sein deutscher Bachelor gerade in den USA auf gewisse Anerkennungsprobleme stößt, erklärt Christopher Goodson damit, dass man sich dort wenig um die Entwicklungen in anderen Ländern kümmere:

    Man sieht auf allen Ebenen der Politik und des alltäglichen Lebens, dass gerade die Amerikaner sich um sich kümmern und sonst um keinen und wenn er was von denen will, muss sich er sich selbst drum kümmern. Das ist schon immer so gewesen und wird auch so bleiben, dass heißt dann liegt es schon ein bisschen auf deutscher oder auf europäischer Seite, zu schauen, dass diese Anerkennung stattfindet oder gewährleistet ist.

    Eine gewisse Hilfe für die Hochschulen können die Akkreditierungsagenturen sein, die dafür sorgen, dass ein Bachelor- oder Masterstudiengang an einer deutschen Hochschule gleichzeitig auch international anerkannt wird, glaubt Hans-Jürgen Schröder, der als akademischer Direktor am Mainzer Institut für Informatik für die Studienberatung zuständig ist:

    Es gibt Akkreditierungsagenturen hier in Deutschland, die gleichzeitig die Akkreditierung auch für die USA mit durchführen. Dann ist dieses Problem nicht mehr gegeben, die werden gleichzeitig auch in den USA anerkannt.