Freitag, 29. März 2024

Archiv

Backhaus (SPD)
Dürrehilfe: Kriterien für Förderung entwickeln

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus plädierte für schnelle und unkomplizierte Unterstützung des Bundes für die Bauern. Die Finanzhilfen sollten jedoch an klare Bedingungen geknüpft werden, sagte der SPD-Politiker im Dlf.

Till Backhaus im Gespräch mit Christiane Kaess | 31.07.2018
    Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus
    Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (dpa/picture alliance/Guido Kirchner)
    Christiane Kaess: Das gibt es nicht oft in Deutschland, in manchen Regionen hat es seit Monaten kaum mehr geregnet. Gefühlt herrscht dort Wüstenklima. Alle spüren die Konsequenzen, die Menschen ächzen unter der Hitze, die Wildtiere finden zu wenig Wasser, und den Bauern vertrocknet die Ernte, und zwar in einem solchen Maß, dass sie Alarm schlagen. Getreide muss mit Noternten früher vom Feld geholt werden, damit die viel zu kleinen Körner überhaupt noch irgendwie verwertet werden können, bevor sie ganz vertrocknet sind. Kühe geben wegen weniger Futter auch weniger Milch, und auf manchen Bauernhöfen muss sogar notgeschlachtet werden. Heute treffen sich in Berlin Vertreter von Bund und Ländern, um über die Lage zu beraten.
    Am Telefon ist jetzt Till Backhaus von der SPD. Er ist Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern. Guten Morgen!
    Till Backhaus: Guten Morgen!
    Kaess: Herr Backhaus, wie dramatisch ist die Lage in Ihrem Bundesland?
    Backhaus: Es ist schon so, wir haben seit April, wenn man so will, seit Ostern im Wesentlichen keinen Niederschlag mehr gehabt, und wir rechnen hier tatsächlich mit doch erheblichen Einbußen von deutlich über 30 Prozent, sodass ich davon ausgehe, dass ja nicht nur Mecklenburg-Vorpommern, sondern Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen betroffen sind und ich wirklich von einer Notsituation ausgehe von nationalem Ausmaß.
    Insofern ist meine Hoffnung - ich habe ja darum gebeten, dass wir heute auf Bundesebene uns zusammensetzen und mal analysieren - und ich gehe davon aus, dass die Arbeitsebene heute Abend auch mit dem Ergebnis zurückkommt und sagt, ja, wir haben eine Notsituation, und wir müssen jetzt den Landwirten helfen, insbesondere denjenigen, die Tiere halten, weil das Futter knapp wird, und die im Übrigen auch Menschen beschäftigen. Und wir alle brauchen die Landwirtschaft zum Leben, das ist, glaube ich, in dieser Situation auch mal wichtig, mal wieder deutlich zu machen, dass die Landwirtschaft auch ein wichtiger Volkswirtschaftszweig ist.
    "So etwas habe ich noch nicht erlebt"
    Kaess: Herr Backhaus, lassen Sie uns gleich noch genauer über die Maßnahmen sprechen. Ich möchte noch mal kurz auf das Ausmaß, Ihnen dazu eine Frage stellen, denn Sie sind mit 20 Jahren im Amt dienstältester Landesminister. Haben Sie so was schon mal erlebt?
    Backhaus: Nein, ich hab so was noch nicht erlebt. Und dann bin ich auch noch Landwirt und hab auch selber noch nicht erlebt, dass am 1. August, also morgen, die Getreideernte, die Halmfruchternte, also Getreide und Raps, in meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen wird im Wesentlichen. So was hab ich noch nicht erlebt. Insofern ist der Klimawandel sicherlich präsent, oder wir haben es eben mit diesen besonderen Wetterkapriolen zu tun.
    Sie sehen den trockenen Boden eines Weizenfeldes.
    Ein ausgetrocknetes Weizenfeld in Thüringen (dpa)
    Kaess: Jetzt haben Sie das Treffen heute schon angesprochen, und eigentlich soll das ja erst einmal eine Bestandsaufnahme sein. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, erwarten Sie sich bis heute Abend schon ganz konkrete Beschlüsse, und, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass der Notstand ausgerufen wird.
    Backhaus: Ich denke, wir müssen deutlich erkennen, dass die Ernte, die Halmfruchternte im Wesentlichen abgeschlossen ist. Wir wissen, dass das Grünland mehr oder weniger den ersten Schnitt nur zu 50 Prozent erbracht hat und wir keinen weiteren Futterschnitt aus dem Grünland bekommen im Wesentlichen im Norden. Und damit wird deutlich, dass wir ganz erhebliche Probleme haben. Und die Landwirte - ich weiß, dass in der Bevölkerung es immer wieder in Diskussionen gibt - Landwirte jammern immer.
    Aber in dieser Situation muss ich wirklich ganz ausdrücklich sagen - ich bin auch Umweltminister -, es leidet ja nicht nur die Landwirtschaft, sondern die gesamte Umwelt, und das bedeutet unterm Strich, dass es den Landwirten, den Familienbetrieben, die insbesondere Tiere halten, die viele Menschen beschäftigen und die auch mit Sonderkulturen arbeiten, dass wir diesen ausdrücklich helfen müssen, und zwar möglichst schnell und unkompliziert.
    Kaess: Und da noch einmal die Nachfrage: Sie gehen davon aus, dass nach diesem Treffen heute schon es zu einem Entschluss kommt, dass man sagt, das ist eine Notstandssituation? Denn das wäre ja die Voraussetzung, um dann den Bauern schnell zu helfen.
    Backhaus: Ich glaube, dass wir heute Abend diese genaue Entscheidung noch nicht haben. Aber ich denke, dass es wichtig ist, dass die Ländervertreter deutlich machen, dass in den einzelnen Bundesländern wirklich dramatische Entwicklungen stattfinden und dies gegebenenfalls auch zu erheblichen Problemen in den landwirtschaftlichen Familienunternehmen kommt oder auch in den größeren Unternehmen und wir jetzt tatsächlich auch Lösungen finden müssen.
    Wir haben ja in Mecklenburg-Vorpommern schon im Juni angefangen, ich habe eine Dürre-Arbeitsgruppe schon im Juni eingesetzt. Ich glaube, das war goldrichtig. Andere fangen da jetzt mit an, sodass ich ziemlich genau weiß, wie die Lage sich für uns darstellt.
    "Es gibt hier eine Notsituation"
    Kaess: Jetzt sagt aber Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, sie will erst mal bis Ende August warten und dann entscheiden, wenn die Ernteergebnisse feststehen. Macht das Sinn, oder brauchen die Bauern eben tatsächlich viel schneller Hilfe?
    Backhaus: Zum einen ist es richtig, was Frau Klöckner sagt, dass sie analysieren muss und dass die Länder in der Pflicht sind, die einzelnen Länder haben ja auch bestimmte Maßnahmen bereits eingeleitet. Bei uns gibt es ein Sechs-Punkte-Programm, das beginnt bei den Steuerstundungen und auch den Vorauszahlungen, die reduziert werden. Das geht über die Pachtstundung weiter, und es hört auf bei zinsgünstigen Darlehen oder Ankauf von Flächen.
    Kaess: Aber Herr Backhaus, Entschuldigung, wenn ich da unterbreche, aber noch mal konkret die Frage: Haben wir Zeit, bis Ende August zu warten?
    Backhaus: Nein, ich glaube, nicht. Es ist auch wichtig, dass die Bundesministerin am Mittwoch im Kabinett berichten wird über die Lage. Ich habe das bereits bei uns in der letzten Woche getan, und ich wünsche mir sehr, dass die Bundesregierung die Entscheidung trifft, dass es hier eine Notsituation gibt in Deutschland und dass damit auch Bundesmittel einfach freigemacht werden.
    Kaess: Dann reden wir über die Summen. Der Bauernverband fordert eine Milliarde Euro. Ist das gerechtfertigt?
    Backhaus: Da bin ich vorsichtig. Da bedarf es wirklich einer klaren Analyse. Eines ist vollkommen klar: Nach den nationalen Grundlagen ist es so, dass wenn die Landwirtschaftsbetriebe im fünfjährigen Mittel 30 Prozent weniger Ertrag haben, können hier Ausgleichszahlungen bereitgestellt werden. Das muss man sich jetzt genau anschauen. Wir analysieren in unserem Land zurzeit einen Verlust von um die 300 bis 350 Millionen Euro, allein in Mecklenburg-Vorpommern. Davon wird einen Großteil die Landwirtschaft selbst tragen müssen. Aber ich denke, es ist wirklich wichtig, dass wir entwicklungsfähige Betriebe tatsächlich weiter unterstützen, damit sie im nächsten Jahr wieder eine vernünftige Ernte einfahren können.
    21.07.2018, Brandenburg, Worin: Ein Mähdrescher erntet Winterroggen auf einem Feld des Präsidenten des Landesbauernverbandes Brandenburg, Wendorff (Luftaufnahme mit einer Drohne). Brandenburgs Landwirte haben sich nach der wochenlangen Hitze und der andauernden Trockenheit erste Überblicke über Ernteschäden verschafft. «Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt», sagte Wendorff. Stellenweise liege der Ertrag bei nur noch 50 Prozent eines normalen Jahres. Die Verluste auf den Äckern in der «märkischen Streusandbüchse» mit humusarmen sandigen Böden seien nach ersten Befragungen immens.
    Deutschlands Bauern haben mit großen Ernteverlusten zu kämpfen (dpa / Patrick Pleul)
    Kaess: Und wie viel von diesen Millionen, Herr Backhaus, die Sie jetzt gerade genannt haben, können Sie vom Land aus selbst zahlen, und was wollen Sie davon vom Bund haben?
    Backhaus: Wir sind dabei, mit dem Finanzministerium darüber zu verhandeln. Ich möchte jetzt hier ausdrücklich keine Zahlen nennen, aber ich gehe davon aus, dass es uns gelingen sollte, zwischen dem Bund und den Ländern zu einer Art 50-50-Regelung, also 50 Prozent Mittelbereitstellung, die Bitte an den Bund, und die anderen 50 Prozent durch das Land Mecklenburg-Vorpommern. Und wir haben ja Erfahrung auch mit diesen Dürresituationen aus dem Jahr '92, 2003, 2012. Insofern sollte man da die Zahlen orientieren.
    "Das Grundproblem ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel die Preise dermaßen drückt"
    Kaess: Es gibt mehrere Einwände gegen diese Hilfen. Einer lautet zum Beispiel, die Landwirte haben eben auch ein unternehmerisches Risiko, dass ihre Erträge schwanken. Das haben ja andere Unternehmer auch, und denen wird auch nicht mit Steuergeld geholfen.
    Backhaus: Ja, selbstverständlich ist das eine Aussage, die ich auch kenne. Ich teile sie aber nur bedingt, denn eins muss man ganz klar sagen. Wir subventionieren ja heute die Landwirtschaft, um preiswerte Lebensmittel in Deutschland zu haben. Ob das richtig ist, daran zweifle ich auch. Wir haben einfach preiswerte Lebensmittel. Wenn Sie heute sich anschauen, dass wir einen Preisindex der 50er-Jahre beim Rohstoff in der Landwirtschaft haben - also ein Doppelzentner Weizen, der heute 17 Euro kostet, für 100 Kilogramm Weizen, der produziert wird, da ist der Anteil an einem Brötchen, sind knapp fünf Prozent.
    Wenn ich das mal übertrage auf ein Auto oder wie auch immer, dann müssten wir das Zehnfache heute eigentlich bekommen in der Landwirtschaft für den Rohstoff. Das Grundproblem ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel die Preise dermaßen drückt und wir damit in der Landwirtschaft keine auskömmlichen Rohstoffpreise haben.
    Kaess: Aber Herr Backhaus, wenn ich Sie da richtig verstehe, dann stellen Sie die Subventionen an Bauern in Frage.
    Backhaus: Nein, die stelle ich nicht in Frage, sondern wir müssen einfach dafür sorgen, dass das Geld, dass wir vom Staat als Steuerzahler bereitstellen, wirklich in der Landwirtschaft direkt ankommt. Denn heute ist es so, dass im Wesentlichen diese Subventionen dazu führen, dass wir entweder Lebensmittel subventionieren oder der Bodeneigentümer subventioniert wird und damit der Rohstoff, den die Landwirtschaft produziert, nämlich hochwertige Lebensmittel, dass dieses Geld nicht in der Form, wie es sein müsste, bei der Landwirtschaft ankommt.
    Und ich stelle auch diese europäische Diskussion auf den Prüfstand, weil ich glaube, dass die allgemeine Bevölkerung auch bereit ist, für Lebensmittel mehr zu bezahlen, wenn denn wir sauberes Wasser haben, wenn wir hochwertige Lebensmittel haben, wenn die Artenvielfalt auf Vordermann kommt und wenn die Landwirtschaft einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. Und da müssen wir weiterkommen.
    "Die Landwirtschaft ist ja mit dabei, umzudenken"
    Kaess: Genau das wäre meine nächste Frage, denn es gibt jetzt genau in diesem Zusammenhang die Forderung, dass die Hilfszahlungen an die Bauern einhergehen sollten mit Reformen in der Landwirtschaft, die dann eben auch den Klimawandel berücksichtigen, weil auf der einen Seite diese Wetterextreme zunehmen werden und weil ja auch die Landwirtschaft zum Klimawandel beiträgt zum Beispiel durch die Treibhausgase in der Tierhaltung oder die Monokulturen auf den Äckern. Die brauchen dann wieder mehr Pestizide, da wird wieder die Umwelt belastet und so weiter. Ist es Zeit, in der Landwirtschaft endlich umzudenken?
    Backhaus: Ich denke, da ist die Landwirtschaft - wenn man selber in dem Metier lange ist, dann ist die Landwirtschaft ja mit dabei, umzudenken. Und die Gesellschaft, die allgemeine Gesellschaft …
    Kaess: Aber das ist doch der kleinste Teil im Moment noch.
    Backhaus: Ja, das stimmt. Aber wenn ich mir unser Land anschaue, dann sind wir deutlich beim ökologischen Landbau vorangekommen. Wenn ich Herrn Habeck in Schleswig-Holstein noch höre, dann sollte er mal eine Bilanz ziehen. Wir sind da gut vorangekommen. Wir haben im Übrigen auch Fruchtfolgeprogramme aufgelegt, die hervorragend angenommen werden.
    Kaess: Und würde man eventueller noch besser und noch schneller vorankommen, wenn man eben jetzt diese Hilfszahlungen an Bauern an diese Reformen knüpft?
    Backhaus: Ich denke, ja. Ich denke, wir sollten hier klare Kriterien entwickeln, und da habe ich auch der Bundeslandwirtschaftsministerin und der Bundesumweltministerin gestern noch mal angeboten, im Dialog - ich bin der Auffassung, wir müssen den tierhaltenden Unternehmen helfen, weil die eine hohe Wertschöpfung und gleichzeitig auch Menschen beschäftigen. Und zum anderen müssen wir Betriebe, die bäuerlich geprägt sind und die eine wirklich deutliche Verbindung zu ihren Gemeinden und im ländlichen Raum haben, diese sollten wir unterstützen. Ich sag mal, die übergroßen Betriebe, die auf reine Monokultur oder -energie setzen, ich glaube, die müssen selber klarkommen.
    Kaess: Sagt Till Backhaus von der SPD. Er ist Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen, Herr Backhaus!
    Backhaus: Sehr gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.