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Staatliche Hilfen wegen Dürreschäden
Schleswig-Holsteins Bauern geht es an die Substanz

Staubig trockene Wiesen, Futtermangel für Tiere: Die Landwirte in Schleswig-Holstein leiden unter der Hitze in Deutschland. Die Ernteverluste sind dramatisch. Dennoch stehen einige Bauern staatlichen Hilfen skeptisch gegenüber.

Von Johannes Kulms | 31.07.2018
    Eigentlich sind die Weiden auf dem Hof der Rieckerts nahe Kiel satt grün. Doch seit Monaten herrscht hier Dürre und die Kühe finden kein Futter mehr.
    Eigentlich sind die Weiden auf dem Hof der Rieckerts nahe Kiel satt grün. Doch seit Monaten herrscht hier Dürre und die Kühe finden kein Futter mehr. (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Über dem Hauseingang der Rieckens prangt ein Schriftzug aus früheren Zeiten. "Gott allein die Ehre" steht dort geschrieben. Auch für die Nachfahren Kerstin und Bert Riecken bietet der Glaube einen wichtigen Halt. Erst Recht in Zeiten der Dürre.
    "Wir sind gottesfürchtig auf jeden Fall. Ich finde schon, es hat biblische Ausmaße also für unseren Betrieb auf jeden Fall. Und schauen wir mal - wie Gott uns weiterträgt."
    Erst vor wenigen Monaten haben die Rieckens die Umstellung zum Bio-Milchviehbetrieb abgeschlossen. 70 Tiere zählt ihr Hof nahe Kiel normalerweise. Doch zwölf von ihnen mussten bereits vorzeitig geschlachtet werden. Die Ursache liegt auf den Weiden: Dort, wo eigentlich saftiges Grün schimmern müsste, herrscht nur noch verstaubte Trockenheit. Futter finden die Kühe hier nicht, die nun durchgängig im Stall sind.
    Bereits die Hälfte des Wintervorrats ist verbraucht
    Um die Tiere weiter zu ernähren greifen die Rieckens nun auf ihr Winterfutter zurück. Bereits die Hälfte des Vorrats ist verbraucht. Doch das Reservefutter sei deutlich weniger reichhaltig als das Weidegras. Damit sinken auch Milchproduktion und Umsatz.
    Bert und Kerstien Riecken auf ihrem Hof in Großbarkau.
    Bert und Kerstien Riecken auf ihrem Hof in Großbarkau (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    "Wir erzeugen jetzt mit diesem schwächeren Futter 20 Liter pro Kuh und Tag und wollen eigentlich 26 Liter pro Kuh und Tag."
    Immerhin: Wegen der anhaltenden Dürre erlaubt die Landesregierung in Kiel nun den Biobauern notfalls auch konventionelles Futter zu kaufen. Weil Schleswig-Holstein futtermäßig ausverkauft ist, hat Bert Riecken jetzt erstmal fünf Sattelschlepper Strohballen aus Sachsen-Anhalt geordert. Immerhin seien die bio.
    Vernünftige Erzeugerpreise wichtiger als staatliche Hilfen
    Eigentlich steht Riecken staatlichen Hilfen skeptisch gegenüber. Dass die Politiker von Bund und Ländern genau solche nun für die Bauern wegen der Dürreschäden prüfen findet er trotzdem gut. Auch wenn sein Hof ungeachtet der starken Verluste noch ganz ordentlich dastehe. Riecken führt das auch darauf zurück, dass der Großteil der Milch direktvermarktet wird - also vorbei an den konventionellen Handelswegen verkauft wird.
    "Wir werden so ein schwieriges Jahr auch überstehen, da werden wir uns durch dieses Jahr auch nicht einschüchtern lassen."
    Telefonzelle auf dem Hof von Bernhard von Bodelschwingh.
    Telefonzelle auf dem Hof von Bernhard von Bodelschwingh. (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Wenn wir denn weiter an Futter für die Kühe kommen, wirft Kerstin Riecken ein. Sie sieht das eigentliche Problem woanders. Die Bauern kämen besser durch die Dürrekrise, wenn die Preise für Agrarprodukte nicht so niedrig seien:
    "Und das ist mein Anspruch eigentlich an die Politik: Ich will kein Geld von denen, was ich wieder zurückzahlen muss. Ich möchte, dass die sich dafür einsetzen, dass vernünftige Erzeugerpreise gezahlt werden!"
    200 Hektar groß ist der Betrieb von Bernhard von Bodelschwingh nahe Neumünster. Der 51-Jährige setzt sowohl auf die Milchviehwirtschaft wie auch den Ackerbau.
    Beim Gang über seinen Hof zählt er die bisherigen Verluste auf: Etwa 40 Prozent beim Roggen und genausoviel bei der Wintergerste. Bei den Kartoffeln geht er gar von einem Einbruch von knapp 50 Prozent aus. Trotzdem bleibt Bernhard von Bodelschwingh skeptisch mit Blick auf staatliche Unterstützung in dieser Extremsituation:
    "Ich kann mir gut vorstellen wenn man tatsächlich Geld ausschüttet, also einen sogenannten Verlorenenzuschuss, das würde uns helfen. Wenn wir Kredite bekommen, die wir innerhalb von zwei Jahren wieder zurückzahlen müssen, das ist die Frage, ob wir das tatsächlich auch hinbekommen. Weil die Wetterkapriolen so stark sind. Also, ich bin sonst nicht so der Freund, auf staatliche Hilfen zu pochen."
    Bernhard von Bodelschwingh rettet einen Teil seiner Ernte durch künstliche Bewässerung.
    Bernhard von Bodelschwingh rettet einen Teil seiner Ernte durch künstliche Bewässerung. (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Seit Mai 80 Stunden Arbeit jede Woche
    Von Bodelschwingh begründet das mit dem unternehmerischen Risiko, dass die Landwirte nun mal durch ihren Beruf eingingen.
    Zu seinen Füßen liegt eine zischende oberschenkeldicke schwarze Schlange: Es sind Wasserleitungen, mit denen der Landwirt seit Monaten Tag und Nacht seine Felder beregnen lässt. Ohne die wären die Ernteausfälle noch viel höher.
    Rund 80 Stunden arbeite er seit dem 1. Mai jede Woche. An Familienfeiern oder einen kurzen Abstecher für ein Bad in der Ostsee sei da kaum zu denken. Auch wenn er so eine Dürre wie jetzt noch nie erlebt hat sagt von Bodelschwingh über seinen Job als Landwirt…
    "…der bringt mir Spaß. Der bringt mir Spaß, weil er so vielseitig ist. Aber in diesem Jahr ist er frustrierend."
    Seine Existenz sieht er noch nicht bedroht. Doch wenn es in den nächsten Wochen nicht noch mal kräftig regnet, könnte sich das ändern.