Freitag, 26. April 2024

Archiv

Baden-Württemberg
Die Gemeinschaftsschule bleibt Streitthema

Seit 2012 gibt es Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg. Ihre Zahl wächst stetig. Kultusminister Andreas Stoch sieht sie deshalb in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die CDU-Opposition aber hält an ihrer Kritik fest - sie will die Schulen wieder zum Thema im nächsten Wahlkampf machen.

Von Michael Brandt | 02.02.2015
    Abitur-Klausuren werden in Stuttgart im Regierungspräsidium sortiert und für die Zweitkorrektur verteilt.
    Gemeinsam lernen, egal wie der Abschluss einmal heißt, das ist das Konzept der Gemeinschaftsschule. (picture-alliance/ dpa / Franziska Kraufmann)
    Die Zahlen sind bemerkenswert: Im Sommer 2012 hat es mit 41 Gemeinschaftsschulen angefangen. Jedes Jahr sind seitdem neue dazugekommen. Für das kommende Schuljahr sind es zusätzliche 62, sodass es insgesamt zum Schuljahreswechsel 271 Gemeinschaftsschulen sein werden. Die Schulform sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, meint Kultusminister Andreas Stoch:
    "Für uns sind das ermutigende Zeichen. Wenn sie die Zahl 271 Schulen in Betracht ziehen, wir haben im Bereich der Realschulen knapp über 400 Schulen, wir haben im Bereich der Gymnasien etwa 470, das heißt, die Gemeinschaftsschule ist endgültig angekommen und ein stabiler Faktor in der Schullandschaft in Baden-Württemberg."
    Die öffentlichen Gemeinschaftsschulen waren früher Hauptschulen, Werkrealschulen oder Realschulen, die ein jeweils eigenes Konzept für das gemeinsame Lernen entwickelt haben und sich dann aus ganz unterschiedlichen Gründe als Gemeinschaftsschule beworben haben. Weil sie - ganz profan - so die Möglichkeit gesehen haben, attraktiver zu werden, mehr Schüler zu bekommen und gegebenenfalls den Schulstandort zu sichern; oder weil sie eben vom pädagogischen Konzept, dass Kinder mit unterschiedlichen Zielen gemeinsam unterrichtet werden, überzeugt sind.
    In der Gemeinschaftsschule lernen Kinder, die den Haupt-,Real- oder Gymnasialabschluss anstreben, gemeinsam. Frontalunterricht ist selten, stattdessen, werden die Schüler individuell gefördert und lernen selbstständig oder in Arbeitsgruppen.
    Ein Beispiel für eine erfolgreiche Gemeinschaftsschule ist die Mali Schule in Biberach. Hier wurden kürzlich drei Lehrer mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet. Es wird nach einem sogenannten Stockwerksmodell unterrichtet, die Klassenzimmertüren innerhalb eines Stockwerks der Schule bleiben offen.
    "Mit dem wir versuchen, die Heterogenität, mit der wir seit Jahren arbeiten, pädagogische Antworten zu finden. Wir haben zwischenzeitlich ein tragfähiges und pragmatisches Modell entwickelt, das übertragbar ist", so Dieter Maucher einer der preisgekrönten Lehrer. Will heißen, während bislang viele Schulen bei der Entwicklung des pädagogischen Konzepts eigene Wege gegangen sind, entwickeln sich nun zunehmend Strukturen, in denen die Schulen voneinander lernen können. Parallel dazu wird im Kultusministerium ein Konzept für neue Unterrichtsmaterialien und Lehrerfortbildung entwickelt.
    Der SPD-Kultusminister spricht bei der Gemeinschaftsschule also von einem Erfolgsmodell, was sich auch daran ablesen ließe, dass an den bestehenden Gemeinschaftsschulen die Anmeldezahlen kontinuierlich steigen. Auch die Lehrergewerkschaft GEW, bei der die meisten Gemeinschaftsschullehrer organisiert sind, gehört zu den klaren Befürwortern der Schulform.
    Die Opposition allerdings hält dagegen und kündigt an, dass die Bildungspolitik beim bevorstehenden Landtagswahlkampf eines den Wahlkampfthemen werden soll.
    Für den neugewählte Oppositionsführer Guido Wolf kommt die Gemeinschaftsschule, wenn, dann nur unter "ferner liefen". "Wir wollen starke Realschulen, starke Gymnasien, starke berufliche Schulen, wir wollen den guten Hauptschulen bei uns im Land eine Perspektive geben."
    Falls die CDU im März 2016 wieder an die Regierung kommt, will er die Gemeinschaftsschulen nicht weiter ausbauen, sondern, wie er sagt, Real- und Berufsschulen stärken.
    Während es noch im November nach der Stärkung der Realschulen durch die Landesregierung nach einer Art Schulfrieden zwischen Regierung und Opposition aussah, stehen die Zeichen derzeit eher auf Schulkampf – und klar ist: Im Mittelpunkt werden die Gemeinschaftsschulen stehen.