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Baden-Württemberg
Schwäbische Maultaschen gegen TTIP

Die Nachricht, dass der Markenschutz für regionale Produkte in der EU wegen des Freihandelsabkommens mit den USA aufgeweicht werden könnte, ist in Baden-Württemberg wie ein Blitz eingeschlagen. Produzenten und Verbraucher reagieren empört - denn neben der Ehre geht es schließlich auch ums Geld.

Von Thomas Wagner | 06.01.2015
    Schwäbische Maultaschen in einem Teller mit Brühe.
    Schwäbische Maultaschen aus den USA? Für viele eine furchtbare Vorstellung. (Imago / Westend61)
    "Ich hätt' gerne Maultaschen." - "Wie viel darf ich Ihnen geben?" - "Vier Stück bitte." - "Mit Fleisch, Kräuter oder mit Fleisch und Spinat?"
    Metzgermeister Rainer Gössel aus Tettnang kommt manchmal mit der Fertigung seiner beliebten Maultaschen kaum hinterher. Die nämlich bereitet er nach original schwäbischer Rezeptur vor.
    "Schwäbische Maultasche. Da kommt Hackfleisch rein. Petersilie, Grünzeug, dann ein bisschen Knoblauch. Fleisch kommt rein. Das wird leicht angebraten und vermischt."
    Stopp! Das ganze Rezept mag Rainer Gössel, im Ehrenamt Obermeister der Metzgerei-Innung Bodenseekreis, nicht verraten. Schließlich könnten zukünftig, wenn der Markenschutz der Schwäbischen Maultasche erst einmal gefallen ist, amerikanische Burger-Konzerne mit Millionen und Abermillionen von Maultaschen aus Übersee den oberschwäbischen Markt überschwemmen. Diese mögliche Konsequenz aus dem geplanten europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen schmeckt Metzgermeister Gössel überhaupt nicht.
    "Das ist natürlich schon sehr bitter für uns kleine Betriebe, dass man hier den Markt so frei laufen läßt und auf die Kleinen gar nicht mehr achtet", sagt Metzgermeister Gössel aus dem Bodenseekreis, der sich deshalb so gar nicht für das viel diskutierte, von großen Wirtschaftsverbänden geforderte europäische-amerikanische Freihandelsabkommen mit dem für mittelständische Handwerkerohren geheimnisvoll klingenden Bezeichnung TTIP begeistern mag. Und das geht nicht nur den Metzgern so.
    Lange für Markenschutz gekämpft
    "Ich kann es nicht richtig einschätzen. Aber ich habe es mit Verwunderung zur Kenntnis genommen", sagt Jürgen Weishaupt, der zwar eine ganz andere, aber nicht minder wichtige Branche vertritt: Weishaupt ist Vorsitzender des Tettnanger Hopfenbauernverbandes. Tettnang im Bodenseekreis gilt nach der bayerischen Hallertau immerhin als zweitgrößtes deutsches Hopfenanbaugebiet.
    "Der Markenschutz der EU ist für Tettnang schon eine ganz große Sache. Wir haben 2010, nach siebenjähriger Prüfung sozusagen, den Markenschutz von der EU bekommen. Der Tettnanger Hopfen war eines der ersten Produkte in Deutschland überhaupt, das diesen Markenschutz bekommen hat."
    Ein Markenschutz, der nun, so fürchtet es Jürgen Weishaupt nach den Äußerungen des Bundeslandwirtschaftsministers, auf dem Altar des großen Freinhandelsabkommens wieder geopfert werden könnte. Und das sorgt bei den aus alter Tradition auf Sparsamkeit bedachten Schwaben nicht eben für Begeisterung. Neben der Ehre geht's hier schließlich auch ums Geld.
    "Die EU fördert diese besonderen Produkte, diese Regionalitäten, diese Spezialitäten, in Drittländern. Es hat eine aktuelle Bedeutung auch: Der Tettnanger Hopfen bereitet derzeit eine Absatz-Förderungskampagne für China vor. Die EU fördert bisher diese Produkte."
    Schweine, Wein und Schnaps betroffen
    Wohlgemerkt - bisher. Aber was wird sein, wenn der Markenschutz fällt und China dann, dem Freihandelsabkommen sei Dank, sein Bier dann doch aus anderem Hopfen als dem aus dem Schwabenland brauen muss - nicht auszudenken! Und so geht es vielen in Südwest, die sich zum Protest gegen eine Aufweichung des Markenschutzes rüsten: Die Züchter des Schwäbisch-Hallischen Qualitätsschweins, die Erzeuger von Filderspitzkraut bei Stuttgart, die Winzer, die wahlweise Schwäbischen Landwein oder Badischen Wein herstellen und nicht zuletzt die Brenner des original Schwarzwälder Kirschwässerle - die Liste geschützter Marken alleine in Baden-Württemberg läßt sich problemlos fortsetzen. Und das all das zukünftig auch fernab in Kentucky, Boston oder Portland nachgemacht und über den großen Teich nach Deutschland eingeführt werden könnte, da sei ... Der Grünen-Politiker Alexander Bonde vor, Agar- und Verbraucherschutzminister in Baden-Württemberg:
    "Der EU-Schutz für EU-Produkte wie der Schwäbischen Maultasche und vieles mehr sind natürlich Möglichkeiten für uns hier, mit regionalen Spezialitäten auch eine kleinräumige Landwirtschaft im Markt zu halten. Und ich halte es für völlig unakzeptabel, diesen Schutz dem Freihandel zum Opfer zu werfen. Das ist eine wirkliche Schnapsidee. Beim Essen hält der Spaß langsam auf."
    Zweifel an dem Amerikanern
    So sehen das auch viele Verbraucher in Baden-Württemberg. Dass in ihrem Lieblings-Maultäschle zukünftig Burger-Hackfleisch drin sein könnte als mögliche Folge eines fehlenden Markenschutzes, sorgt für leichte Verstimmung nicht nur in der Magengegend. Stimmen aus Friedrichshafen:
    "Das finden wir natürlich nicht gut, weil durch die Marke natürlich auch die Herkunft beweisen ist. Und wenn ich einen Schwarzwälder Schinken aus den USA habe, dann ist es für mich zum einen nicht mehr authentisch. Das hat mit dem Schwarzwald ja auch nichts mehr zu tun."
    "Find' ich nicht gut. Und wenn das so käme, hätte unsere Regionalität keinen Wert mehr."
    "Riesenkrampf auf jeden Fall, weil die deutsche Essenskultur unterwandert wird."
    Die Essenskultur unterwandern - das geht im Bundesland der Spätzle, Knöpfle und Maultaschen natürlich gar nicht. Wobei: Wie ausgeprägt diese Gefahr tatsächlich ist, darüber wird schon wieder kontrovers diskutiert. Trotz Freihandelsabkommen, trotz Diskussion über den Markenschutz, sieht Metzgermeister Gössel aus Tettnang der Zukunft doch einigermaßen zuversichtlich entgegen. Denn:
    "Also ob das überhaupt funktioniert, dass ein Amerikaner schwäbische Maultaschen macht? Da hab' ich schon meine Zweifel."