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Bärbel Höhn fordert Aufhebung der Öl-Gas-Preisbindung

Die EU erwartet steigende Preise für Energie, weil die Stromnetze saniert werden müssten. Grünen-Politikerin Bärbel Höhn kritisiert indes die deutschen Energieversorger, die schon heute "viel zu hohe Preise" nähmen.

10.02.2011
    Dirk Müller: Als seien die gestiegenen Benzinpreise nicht schon Ärgernis genug - mehr als 1,50 Euro muss der Autofahrer für den Liter Super derzeit an den Zapfsäulen berappen -, da kommt auch schon die nächste Hiobsbotschaft aus Brüssel. EU-Energiekommissar Günther Oettinger kündigt an, die Energiepreise in Europa werden in den kommenden Jahren kräftig steigen. Seine Begründung: Die europäischen Stromnetze brauchen dringend eine Modernisierung. 200 Milliarden Euro sollen demnach investiert werden in neue Hochspannungsleitungen und neue Speicherkapazitäten.

    O-Ton Günther Oettinger: Die Mehrzahl der Mittel müssen wir über den Strompreis aufbringen, im Interesse unserer eigenen Stromversorgungssicherheit.

    Müller: Die Kosten also werden die Verbraucher tragen. Der Kölner Versorger Rheinenergie beispielsweise bittet schon jetzt zum 1. April kräftig zur Kasse. Das Erdgas wird um neun Prozent teurer. Wie viel teuere Energie können wir uns noch leisten? – Darüber sprechen wollen wir nun mit der stellvertretenden Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Bärbel Höhn. Guten Morgen!

    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Frau Höhn, wünschen Sie sich immer noch eine neue Ökosteuer?

    Höhn: Ich habe, als ich im Bundestag gesagt habe, ich nehme mir mal diese unfairen, zu hohen Strompreise vor, weil ich ja aus dem Verbraucherschutz komme und weil ich einfach sehe, dass viele Menschen durch diese steigenden Energiepreise zunehmend auch sozial gebeutelt werden. Und ich muss sagen, dass wir uns in der Tat momentan eine Situation nicht leisten können, wo wir keinen Wettbewerb auf den Energiemärkten haben und wo die Verbraucher und auch die Mittelständler mittlerweile viel zu hohe Preise bezahlen, und dagegen muss man vorgehen.

    Müller: Also Sie reden bei den Stromkonzernen immer noch von einem Monopol?

    Höhn: Es ist eindeutig ein Monopol. Man sieht auch, dass die Gewinne dieser Unternehmen dramatisch gestiegen sind, von sechs Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 30 Milliarden Euro im letzten Jahr. Wer hat eine Verfünffachung seines Einkommens in so kurzer Zeit, in den letzten Jahren hier in Deutschland gehabt, also trotz Wirtschaftskrise? – Und man muss auch sehen, dass die Preissteigerungen – die haben Sie ja eben jetzt noch mal genannt -, die die meisten ja schon zum 1. Januar durchgeführt haben, da haben wir eine Studie machen lassen, dass diese Preissteigerungen nicht gerechtfertigt sind, denn die Strompreise sind in den letzten Jahren, seit 2008, gesunken, also die Einkaufspreise, und das muss sich irgendwann ja, selbst wenn man längerfristige Kontrakte macht, auswirken bei den Strompreisen bei den Verbrauchern. Bei den großen Unternehmen wirkt es sich mittlerweile aus, aber bei den Verbrauchern und den Mittelständlern nicht. Da werden viel zu hohe Preise genommen.

    Müller: Aber die Versorger argumentieren damit, die Beschaffungskosten haben sich erhöht und deswegen können wir gar nicht anders. Stimmt das gar nicht?

    Höhn: Sie haben ja eben jetzt mit dem Versorger argumentiert, der mit steigenden Gaspreisen argumentiert hat. Natürlich ist es bei jedem Versorger anders, weil der unterschiedliche Kontrakte hat, und es gibt immer noch die Preisbindung zwischen Öl und Gas, und wenn der Ölpreis steigt, steigt danach auch der Gaspreis. Das ist absolut mittlerweile überholt, weil der Gasmarkt mittlerweile mit dem Ölpreismarkt gar nichts mehr zu tun hat und weil man das absolut entkoppeln müsste. In vielen Bereichen ist es auch entkoppelt. Und weil einfach auch zum Beispiel der Gaspreis erheblich gesunken ist in den letzten Jahren, haben wir eher sinkende Preise. Wir haben also an den Spot- und Terminmärkten seit 2008 eine Preissenkung von 30 bis 40 Prozent und irgendwann mal müsste die eigentlich auch bei den Verbrauchern ankommen.

    Müller: Das hört sich aber, Frau Höhn, nach ganz klarer Abzocke an!

    Höhn: Es ist eindeutig so. Das sehen wir auch. Ich habe das mit mehreren Studien belegt, weil ich einfach gesagt habe, so was können wir nicht mehr hinnehmen. Und wir haben in der Tat die Situation, dass wir mit den vier großen – eigentlich sind es mittlerweile nur noch drei große – Energieversorgern in Deutschland, dass wir hier keinen Markt haben und dass die immer noch viele Möglichkeiten haben, unfaire Preise zu nehmen.

    Müller: Nun haben wir, Frau Höhn, in Deutschland wie auch in Europa ja Wächter des Wettbewerbs, die Kartellämter, das Bundeskartellamt jetzt konkret für unsere Situation hierzulande. Die haben im letzten Jahr nach einer Studie klipp und klar festgestellt, es gibt diese Preisabsprachen nicht, wir reden nicht von einem Monopol. Haben die sich geirrt?

    Höhn: Also auch das Bundeskartellamt ist mit uns einer Meinung – interessant, obwohl ja der Leiter sozusagen FDP-nah ist -, dass zum Beispiel über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke diese Monopolstruktur in Deutschland sich verstärkt hat und das sich deshalb auch negativ auf die Preise auswirkt. Und wenn Sie mal sehen: Die EU selber – es sind ja wirklich nicht die Grünen, sondern die EU-Kommission – hat ja ein Verfahren gegen E.ON vor einigen Jahren eingeleitet wegen Preisabsprachen, und E.ON war am Ende bereit, seine Netze zu verkaufen, einen großen Teil seiner Kapazitäten zu verkaufen, weil E.ON sonst eine milliardenschwere Strafe von der EU aufgebrummt bekommen hätte.

    Müller: Das wurde, Frau Höhn, ja als großer Durchbruch gefeiert, von den Verbraucherschützern in Deutschland, eben auch natürlich dann von den Kunden. Die Preise sind dennoch gestiegen. Warum?

    Höhn: Genau. Die Preise sind dennoch gestiegen, weil einfach die Möglichkeiten, gegen diese vier großen vorzugehen, weder vom Kartellamt, noch von der Bundesnetzagentur in Deutschland momentan ausreichend sind. Und deshalb ist einer der wesentlichen Punkte – das haben Sie eben mehrfach angesprochen – auch der Gaspreis. Der Gaspreis bestimmt letzten Endes den Strompreis, denn bei uns in Deutschland ist das System so, die letzte Kilowattstunde, die man noch braucht am Markt, die die Spitze abdeckt, die bestimmt den Preis, und diese letzte Kilowattstunde wird in der Regel und sehr häufig von Gaskraftwerken geliefert, die dann zugeschaltet werden. Deshalb ist der Gaspreis so entscheidend, und dieser Gaspreis, der hat sich eigentlich entspannt in den letzten Jahren. Entscheidender für den Strompreis wäre deshalb zum Beispiel: Kriegen wir eine andere, zweite Gasleitung, zum Beispiel die Nabucco-Leitung, wie ist es überhaupt mit den Anlieferungen von auch Flüssiggas, was ist mit Terminals. Das wird auch den Strompreis viel mehr beeinflussen als viele andere Punkte, über die wir momentan diskutieren.

    Müller: Es gibt ja die großen zwei Projekte, die Gas-Pipeline – Sie haben das auch gerade angesprochen, Frau Höhn -, aber im Moment und auch in den kommenden zwei, drei Jahren wird die Abhängigkeit von den Lieferungen aus dem Fernen, Nahen Osten ja immer noch vorhanden sein.

    Höhn: Ja, aber auch da muss man natürlich überlegen. Ich komme zum Beispiel aus dem Ruhrgebiet, und wenn Sie sich mal die Situation angucken, dann haben wir um das Ruhrgebiet große Kohlekraftwerke, die erzeugen nur Strom und können die Wärme gar nicht abgeben. Gleichzeitig wird Gas von Putin, wird immer so schön gesagt, also Gasleitung aus Russland, ins Ruhrgebiet reingebracht, um damit die Heizungen zu bedienen, und dann wundert man sich, dass man eine Abhängigkeit hat. Jetzt soll ja viel mehr auch mit der neuen Regierung darauf geachtet werden, dass man kleine Kraftwerke hat, Kraftwärmekopplungsanlagen, und damit sich letzten Endes auch am Markt entspannen kann. Wir haben also eine Struktur aufgebaut, die uns genau diese Abhängigkeit beschert und am Ende diese unfairen hohen Preise.

    Müller: Was kann die Politik jetzt ganz schnell tun, damit sich schnell etwas ändert?

    Höhn: Aus meiner Sicht muss auf jeden Fall diese Öl-Gas-Preisbindung aufgehoben werden. Das ist auch keine Sache der Politik, aber die Politik kann auf die Wirtschaft einwirken, denn das ist letzten Endes eine Vereinbarung der Wirtschaft, dass das endlich passiert. Das würde schon eine erhebliche Entspannung der Preise bedeuten.

    Müller: Die Grünen-Fraktions-Vizechefin im Bundestag, Bärbel Höhn, bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.