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Bafög-Erhöhung
Sieben Prozent mehr und Kritik der Opposition

Kai Gehring im Gespräch mit Sandra Pfister | 19.08.2014
    Sandra Pfister: Für fast jeden, der eine feste Stelle hat, gibt es alle paar Jahre Tariferhöhungen, sodass die Löhne steigen oder zumindest die Inflation ausgeglichen wird. BAföG-Empfänger sind seit Jahren leer ausgegangen. Jetzt hingegen gibt es einen großen Schluck aus der Pulle, damit brüstet sich zumindest Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Genauer gesagt: Das BAföG wird um sieben Prozent steigen. Das heißt beim Höchstsatz, es gibt 735 Euro im Monat maximal statt 670. Kleiner Haken: Das Ganze gilt erst ab 2016. Morgen nun will Johanna Wanka ihre BAföG-Reform endgültig auf die Zielgerade bringen, sie bringt sie ins Kabinett ein. Und das ist für uns der Zeitpunkt, noch mal Wasser in den Wein zu gießen. Das übernimmt gerne die Opposition und für uns der bildungspolitische Sprecher der Grünen Kai Gehring. Herr Gehring, sieben Prozent mehr BAföG, das hört sich doch super an! Was stört Sie?
    Kai Gehring: Natürlich sind richtige Schritte auch in dieser Reform. Aber die Koalition plant die Ausbildungsförderung erst zum Herbst 2016 zu verbessern, und das finde ich weder generationen- noch chancengerecht. Denn Ministerin Wanka steckt Schüler und Studierende damit um mehr als zwei weitere Jahre in die Warteschleife und verordnet ihnen also vier Semester Nullrunden. Und das ist nicht akzeptabel.
    Pfister: Also kommt zu spät, das ist der Hauptkritikpunkt. Gibt es noch andere?
    "Sätze müssen unverzüglich steigen"
    Gehring: Ja, also, dass, gerade wenn man weiter zuwartet, dann würde das bedeutet, dass die Koalition billigend in Kauf nimmt, dass der Anteil der BAföG-Geförderten bis dahin, also bis zum Herbst 2016 weiter sinkt und damit auch der Bildungsaufstieg von Arbeiterkindern blockiert wird. Also ganz klar: Die Sätze müssen unverzüglich steigen, nicht erst im Herbst 2016. Denn es handelt sich hier ja auch um einen ganz klaren Rechtsanspruch für gleiche Chancen, das BAföG ist kein Almosen. Deshalb sollten wir bei dieser Reform auch wirklich darüber nachdenken, ähnlich wie bei Tarifsteigerungen oder auch in der Rentenform auch über eine automatische Anpassung der BAföG-Sätze zu diskutieren. Und viele Punkte werden mit dieser Novelle eben nicht angegangen.
    Pfister: Der Punkt, den auch das Studentenwerk am weitesten nach vorne schiebt, den haben Sie gerade angesprochen, nämlich dass die Sätze automatisch erhöht werden sollen. Was wäre der Vorteil?
    Gehring: Wenn man eine automatische Anpassung hat, dann gibt es nicht bei jedem Erhöhungsschritt eine große Diskussion, es muss nicht immer wieder hart errungen werden, dass sich beim BAföG was tut. Und wir haben eben auch eine Planungs- und Verlässlichkeit für die junge Generation. Und wenn eine Koalition wie jetzt eben die Große Koalition zuwartet, dann rutschen immer mehr raus. Und offensichtlich ist es so, dass die Studierenden jetzt die ersten Sparopfer von Schäubles schwarzer Null werden, und das ist bildungsfeindlich.
    Pfister: Sparopfer trotz sieben Prozent BAföG-Erhöhung, sagen Sie ...
    Gehring: Ab 2016.
    Pfister: Das ist der Punkt.
    Gehring: Gucken wir mal, was bis dahin passiert!
    Pfister: Es gibt noch eine andere strukturelle Problematik beim BAföG, die ausgelöst wurde durch die Bologna-Reform, durch die Zweiteilung des Studiums in Bachelor und Master. Das macht mit dem Studium häufiger Probleme, weil jetzt doch sehr viel mehr als gedacht den Master machen wollen, und weil die ihren gewünschten Master oft nicht auf Anhieb bekommen, müssen sie dann ein paar Monate oder sogar ein ganzes Semester in der Warteschlange stehen und überbrücken. Dann sind sie oft beim BAföG einfach rausgefallen. Passt das neue BAföG stärker zu dieser neuen Form der Studiengänge?
    Versuch einer Änderung
    Gehring: Das neue BAföG versucht, dort eine Änderung vorzunehmen. Wir müssen noch genau prüfen, ob das ausreicht. Aber der Schlüssel, den wir ja auch in der Hand haben, ist, dass wir beim Übergang vom Bachelor zum Master einfach auch für mehr Masterstudienplätze fighten müssen und die Länder noch stärker hier in den Ausbau hinein müssen, dass man realistische Übergangsquoten zwischen Bachelor und Master zugrunde legt. Das ist, glaube ich, hier das A und O. Und gleichzeitig in der Studienfinanzierung zu schauen, dass man eben keinen Zeit- oder Geldverlust hat, wenn es nicht sofort gelingt.
    Pfister: Also jetzt in jedem Fall ist die Übergangsphase auf zwei Monate verlängert, in der man BAföG erhält, auch wenn man noch nicht in einem neuen Studiengang eingeschrieben ist. Es gibt ja keine Änderung bei den BAföG-Altersgrenzen. Mit 35 fällt man aus dem BAföG raus. Ist das ein Problem?
    Gehring: Ich glaube, dass das BAföG jetzt wirklich auch für das lebenslange Lernen fit gemacht werden muss. Wir haben als Grüne vor Jahren schon ein Weiterbildungs-BAföG vorgeschlagen, denn diese Altersgrenzen muss man weiterentwickeln, man muss denjenigen, die im Job sind, die in späteren Lebensphasen studieren wollen oder sich weiterbilden wollen, auch eine Finanzierungsmöglichkeit eröffnen, weil wir eben in einer Wissensgesellschaft leben. Und deshalb ist dies, was wir jetzt in der BAföG-Novelle erleben, ein kleiner Schritt, aber keine große Reform, wenn man auch das lebenslange Lernen und Weiterbildung wirklich im Blick behält.
    Pfister: Als kleiner Schritt müssen wir aber auch positiv noch erwähnen, dass BAföG-Empfänger ab 2016 immerhin mehr dazuverdienen dürfen, 450 Euro statt 400 Euro im Monat. Und das Wohngeld beim BAföG wird erhöht. Gleichwohl, wenn Johanna Wanka die BAföG-Reform morgen offiziell ins Kabinett einbringt, lässt sich da überhaupt noch irgendwas nachbessern von dem, was Sie vorgeschlagen haben?
    Gehring: Es scheint mir hier vor allem auch, dass Herr Schäuble im Hintergrund da die Fäden mitgezogen hat, weil an vielen Stellen durchblitzt, das ist nicht die beste Lösung, die gefunden wurde, sondern das ist auch der Tatsache geschuldet, dass man in diesem Haushaltsjahr 2015 die schwarze Null ins Schaufenster stellen möchte. Und da ist es eben sehr bedauerlich, dass die Studierenden, dass die junge Generation hier erst mal in die Röhre guckt und erst im Herbst 2016 Verbesserung erhält.
    Pfister: Aber das heißt im Endeffekt, Sie sind nicht optimistisch, dass Sie da als Opposition noch großartig was drehen können?
    "Aufzeigen, wo es besser geht"
    Gehring: Als Opposition werden wir selbstverständlich diese BAföG-Novelle weiter kritisieren und aufzeigen, wo es besser geht, Alternativen einbringen. Und dann werden wir mal sehen. Ich glaube nicht, dass alle in der SPD mit dieser BAföG-Reform so auch zufrieden sein können, da werden wir auf jeden Fall weiter nachhaken und dann gucken wir mal, ob es nicht noch besser geht.
    Pfister: Kai Gehring war das, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Danke Ihnen ganz herzlich, Herr Gehring, für dieses Interview zur BAföG-Reform!
    Gehring: Ja, ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.