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Bahn-Streik
Wann ist die Streikkasse leer?

Wie viel Geld in einer Streikkasse ist, behalten Gewerkschaften gerne für sich, um nichts über eine mögliche Dauer des Ausstandes preiszugeben. Aber es gibt Schätzungen darüber, wie lange die Lokführergewerkschaft GDL noch Streikgeld auszahlen kann, ohne Reserven aufzubrauchen.

Von Michael Braun | 04.05.2015
    Die Bahn tritt in einen fast einwöchigen Streik - hier ein Bild vom Stuttgarter Hauptbahnhof.
    Die Bahn tritt in einen fast einwöchigen Streik - hier ein Bild vom Stuttgarter Hauptbahnhof. (imago stock & people)
    Wenn's ums Geld geht, werden Gewerkschaften einsilbig. Ein Meister darin, Neugierige abzuwimmeln, und dennoch eine Botschaft zu vermitteln ist Jürgen Kerner, der Hauptkassierer der IG Metall. In ein paar Worten sagt er, was Sache ist mit der Kasse:
    "Die IG Metall ist finanziell gut aufgestellt und jederzeit handlungsfähig."
    Soll heißen: Streiks sind finanziell kein Problem. Wie viel in der Streikkasse ist, gehört zum bestgehüteten Geheimnis von Gewerkschaften - sie gäben dem Arbeitgeber sonst einen Hinweis, wie lange ein Streik durchhaltbar wäre, wann ihre Streikmacht also ende.
    Finanzielle Basis einer Gewerkschaft sind zunächst die Beitragseinnahmen. 0,65 Prozent ihres Einkommens zahlen die Lokführer als Gewerkschaftsbeitrag. Angenommen, die organisierten 34.000 Lokführer verdienten im Schnitt 3.000 brutto monatlich, kämen so monatlich gut 660.000 Euro Beitrag herein, im Jahr also knapp acht Millionen. Dem Vernehmen nach legen Gewerkschaften 15 Prozent ihrer Einnahmen in die Streikkassen. Das wären bei der GDL dann jährlich knapp 1,2 Millionen Euro. Kenner der Szene verweisen zudem darauf, dass die GDL die älteste deutsche Gewerkschaft ist und lange eine Beamtengewerkschaft war, die nicht streiken durfte. Da dürfte, das soll die Botschaft sein, ein hohes Vermögen erwachsen sein.
    Zudem gehört die GDL dem Zusammenschluss von Gewerkschaften im öffentlichen Dienst an, dem dbb beamtenbund und tarifunion. Dort beantragt die GDL regelmäßig eine Unterstützung für ihre Streikkasse. Die wird auch gewährt, und zwar in Höhe von 50 Euro pro Tag für jeden Streikenden. So hoch war bislang auch das Streikgeld, das die GDL ihren Lokführern zahlte. Im Herbst vorigen Jahres erhöhte sie auf 75 Euro pro Streiktag. Sind also 4.000 Lokführer pro Tag im Ausstand, müssen 300.000 Euro Streikgeld ausgezahlt werden, aber nur 100.000 Euro aus der GDL-Kasse, der größere Rest vom Beamtenbund. Zwölf Streiktage könnte die GDL also von den 1,2 Millionen Euro bezahlen, die sie aus den jährlichen Einnahmen für Streiks zurücklegt. Die Reserven wären dann noch nicht angegriffen.
    "Wir sind gut aufgestellt"
    Bisher ließ der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky keinen Zweifel daran, dass der Streikbereitschaft auch eine finanzielle Streikfähigkeit entspricht. Er sagte vor anderthalb Jahren:
    "Wir sind gut aufgestellt. Wir sind gut organisiert. Wir haben querbeet über die Republik 70 Prozent Organisationsgrad. Und mit diesem Organisationspotenzial sind wir in der Lage, über die Tarifautonomie vernünftige Einkommen zu schaffen."
    Der Beamtenbund sagt von sich, auch er sei ein wohlhabender Verband. Wenn er die GDL auffordere, einer Schlichtung näherzutreten, dann aus taktischen und tarifpolitischen Erwägungen, keineswegs aus Sorge um seine Reserven. Was anderes würden Gewerkschaften auch nicht sagen.