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Bahnfahren billiger und Fliegen teurer?

Meurer: Die Grünen sind diese Woche 25 Jahre alt geworden. Vor einem Vierteljahrhundert also gründeten sie sich auf einem Parteitag in Karlsruhe. Für manche sind die Grünen inzwischen in die Jahre gekommen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sieht die Grünen dagegen mit nun 25 Jahren noch immer in der Phase der Spätpubertät, weil sie immer wieder Attacken gegen das Auto starten. In Wörlitz, in Sachsen versuchten SPD und Grüne gestern Abend die letzten knapp zwei Jahre bis zur Bundestagswahl noch inhaltlich abzustimmen. Ein Thema schob sich aber auch nach vorne: Der Rücktritt des SPD-Abgeordneten Jansen, wegen seiner Nebeneinkünfte bei VW. An dem Treffen gestern in Wörlitz teilgenommen hat auch SPD-Fraktionsvize und der Umweltexperte Michael Müller. Herr Müller, was sagen Sie zu der Entscheidung Ihres Fraktionskollegen Jansen, sein Mandat nieder zu legen?

Moderation: Friedbert Meurer |
    Müller: Das kommt für mich auch sehr überraschend, denn ich kenne Jann-Peter Jansen nur als jemanden, der eher sehr korrekt ist. Ich habe nie erlebt, dass er den VW-Mann herauskehrt, ganz im Gegenteil, da ich ja doch mit vielen verkehrs- und umweltpolitischen Fragen zu tun habe. Er hat nie interveniert, insofern, dass da eine Interessenkoalition aufgetreten ist, das habe ich nicht gemerkt.

    Meurer: So etwas kann man ja auch in einer Art und Weise tun, die nicht nach außen auffällt.

    Müller: Irgendwo geht es ja um Entscheidungen. Wenn man an Entscheidungen beteiligt ist, dann kann man das ja nicht verbergen und wie gesagt, ich war an den Entscheidungen mit beteiligt und habe das nie erlebt. Das hat mich doch sehr überrascht.

    Meurer: Die Entscheidung, wie beispielsweise die Einführung des Rußfilters, das wird ja tatsächlich als ein Beispiel genannt, bei denen die Interessen des VW-Konzerns berührt waren.

    Müller: Das ist nie mit der Person Jann-Peter Jansen verbunden worden. Jedenfalls habe ich es nicht erlebt und ich war dafür federführend. Auch die anderen Beispiele stimmen nicht. Es hat ein Problem gegeben, das ist richtig, im Gegensatz zur französischen Automobilindustrie hat VW auf innermotorische Lösungen bei den ganzen Fragen des Rußfilters, oder der Rußpartikel, gesetzt. Das ist offenkundig sehr viel schwieriger, jedenfalls langwieriger, zu verwirklichen als der Filter. Da hat VW offenkundig auf eine Strategie gesetzt, die länger dauert, aber das hat dann dazu geführt, dass man im Grunde genommen bei den politischen Institutionen der Verwaltung interveniert, aber nicht unbedingt beim Parlament.

    Meurer: Warum sollte VW einen Bundestagsabgeordneten bezahlen, mit komplettem Gehalt, wenn es keine Gegenleistung gibt?

    Müller: Ich glaube, das liegt eher an seiner Betriebsratstätigkeit und weniger an dem, was er in Bonn beziehungsweise dann anschließende in Berlin gemacht hat. Aber da muss man dann mit VW und mit dem Betroffenen reden. Ich spreche ja jetzt nur von der Einflussnahme. Bei Jann-Peter Jansen wusste man nur, er ist von VW, deshalb war es auch klar, wo er steht. Das ist ja auch legitim. Er ist erstens keiner gewesen, der Einflussnahme genommen hat und zweitens ist das mir immer noch lieber, als diejenigen, bei denen ich gar nicht weiß, wessen Interessen die vertreten.

    Meurer: Die SPD hat Laurenz Meyer ziemlich scharf angegriffen, als er dann zurücktreten musste. Ist das nicht genau dasselbe, was jetzt in den Reihen der SPD passiert?

    Müller: Nein, das sehe ich nicht. Das war ja schon ein sehr fragwürdiger Vorgang für leistungslose Vorgänge, um in bestimmten Funktionen mit Einfluss zu sein. Das war nun keinesfalls bei Jann-Peter Jansen der Fall.

    Meurer: Ist sein Rücktritt richtig und konsequent?

    Müller: Das kann ich nicht beurteilen. Mich hatte er überrascht. Ich habe eher den Eindruck, dass er mit dem Druck nicht fertig wird. Das kann ich wiederum nachvollziehen.

    Meurer: Am Dienstag wird es ein Treffen aller Fraktionen in Berlin darüber geben, wie man und ob man bei den Nebeneinkünften von Abgeordneten schärfer vorgehen soll, als bislang. Was ist Ihre Meinung?

    Müller: Ich bin persönlich der Meinung, dass man auf zwei Feldern auf jeden Fall etwas tun sollte. Das ist ersten in der Erhöhung der Transparenz. Manche Begriffe sind unklar. Da kann man eine Menge mit interpretieren, insbesondere berufliche Funktionen. Es ist noch lange nicht klar, die Angabe einer beruflichen Funktion, was das bedeutet. Wenn da steht Rechtsanwalt, was heißt das? Ist er Vertreter für irgendjemanden, also beispielsweise Justitiar in einer Firma, nebenbei. Das möchte ich schon gerne wissen. Und zweitens: Bei Verstößen sind mir die Sanktionsmechanismen nicht klar. In diesen beiden Punkten muss was geschehen. Aber darüber hinaus muss man sehen, dass die Richtlinien sehr viel mehr hergeben, als es in der Öffentlichkeit zum Teil bekannt ist und das es auch ganz wichtig ist, dass hier in Berlin, im Bundestag, doch eine Menge getan wurde in den letzten Jahren, um mehr Transparenz zu schaffen. Das sollte man nicht vergessen.

    Meurer: Zu dem Thema, das vor allem die Grünen in dieser Woche bewegt hat, nämlich "Weg vom Öl", so lautet ein Papier: Die Grünen fordern zwar nicht, dass im Moment die Ökosteuer angehoben werden soll, aber das Bahn fahren soll billiger werden, zum Beispiel, und Flüge sollen teurer werden. Unterstützen Sie als Umweltpolitiker der SPD die Kollegen von den Grünen?

    Müller: Unabhängig davon, dass die Strategie "Weg vom Öl" sehr viel älter ist - ich bin beispielsweise in der Umweltbewegung sehr viel länger als die Grünen. Es war insbesondere eine Forderung, seit die Grünen überhaupt existieren, es war eine Strategie, die, und das weiß ich nun noch ziemlich genau, in den Siebzigerjahren beispielsweise in meiner Partei sehr viele Kongresse, Tagungen hervorgerufen hat, mit denen ich auch viel verknüpft hatte.

    Meurer: Aber jetzt wird die SPD ja an dem gemessen, was sie heute tut.

    Müller: Ja klar, und wir haben auch eine ganze Menge Strategien in den letzten Jahren zu dem Thema entwickelt. Es gibt aber einen Unterschied. Der Unterschied ist, dass wir dieses Thema nicht alleine mit der Frage einer Ökosteuer verbinden, sondern sehr viel stärker mit technologischen Innovationen. Sie wissen, dass wir im letzten Jahr das Thema Innovationen versucht haben, nach vorne zu rücken und ein zentraler Teil dieser Innovationen muss das ganze Thema Neuordnung der Energieversorgung sein. Ich will nur einen Punkt nennen: So sehr ich es für richtig finde, dass man eine Ökosteuer fortentwickelt, dass man in der Frage des Subventionsabbaus bei umweltschädlichen Abschreibungen, Steuern, et cetera, weiter voran kommt, dass man auch Anreizsysteme verbessert, glaube ich, der entscheidende Punkt ist, dass man das heute sehr viel stärker auch in einem sozialen Zusammenhang und in einem ökonomischen Zusammenhang stellt. Die Zeit, dass man Ökosteuer isoliert diskutiert hat, sollte eigentlich vorbei sein. Und hier wird auch unser Schwerpunkt sein. Ich halte es für richtig, dass man die Chancenungleichheit zwischen den Verkehrsträgern beseitigt und bei dem Thema Flugbenzin, das betrifft also in erster Linie die Bahn, und beim Thema Flugbenzin kann ich nur sagen, dass Hans Eichel sehr intensiv auf der EU-Ebene verhandelt, um eine gemeinsame Lösung hinzukriegen. Beim Thema Kerosinsteuer gibt es den einvernehmlichen Beschluss aller Parteien im Bundestag, dass da was verändert werden muss.

    Meurer: Und die Mehrwertsteuer für Flüge, ist das nicht alleine national zu regeln?

    Müller: In bestimmten Bereichen, ja, aber Sie werden danach natürlich erhebliche Differenzen bekommen, weil es natürlich möglicherweise andere Anbieter gibt. Aber auch dies steht in einem Zusammenhang mit der Gesamtlösung. Da sind wir dran und ich glaube auch, dass wir einer Lösung im Rahmen dieses Jahres hinkriegen werden.

    Meurer: Bahnfahrten billiger zu machen wäre auch sozial. Halber Mehrwertsteuersatz bedeutet, wenn ich richtig rechne, sogar neun Prozent billigere Bahnkarten. Sind Sie dafür, für den halben Mehrwertsteuersatz? Soll der noch in dieser Legislaturperiode kommen?

    Müller: Ja, wir sind da alle dafür, denn es ist ja auch ein Teil der Koalitionsvereinbarung, und die haben wir bewusst geschlossen. Die Frage ist die Finanzierung. Und da muss man an einem Konzept arbeiten. Die Forderung alleine zu erheben, das ist ja noch keine Lösung.

    Meurer: Die Grünen sagen, wir finanzieren mit der höheren Mehrwertsteuer die Auslandsflüge.

    Müller: Ja, da ist dann wiederum die europäische Regelung dran. Sie haben ja selbst gesagt, dass die Mehrwertsteuer national geregelt werden muss, aber die Kerosinfrage, die muss europäisch geregelt werden. Ich weiß von Hans Eichel, dass er da verhandelt, aber Schwierigkeiten wohl mit zwei Länder hat, wo insbesondere also die nationalen Fluggesellschaften ihren Einfluss wahrnehmen, um zu blockieren.

    Meurer: Das klingt dann doch so, dass es in dieser Legislaturperiode nicht mehr den halben Mehrwertsteuersatz geben wird.

    Müller: Das glaube ich nicht, denn, wie gesagt, das waren früher sehr viel mehr Länder, die dagegen waren. Der Widerstand ist schon deutlich geringer geworden.