Spengler: Welcher Kundenkreis ist denn das?
Engel: Es ist vor allen Dingen der Kundenkreis der Geschäftsreisenden und derjenigen, die häufig über kürzere Strecken unterwegs sind, und die, weil sie beispielsweise die Rückfahrt nicht kalkulieren können, sich nicht um Vorbuchungsfristen und ähnliche andere Konditionen kümmern wollen.
Spengler: Das heißt, denen nützen diese Frühbucherrabatte nichts, sondern denen hat die alte BahnCard genutzt?
Engel: Das ist richtig. Sie fahren sehr häufig hin und her, gerade zu Besprechungen oder anderen Terminen, und da möchte man genauso flexibel sein, wie man das von seinem Auto gewohnt ist.
Spengler: Ist es aber nicht ein bisschen teuer? Man hört, dass die alte BahnCard nun 400 Euro für die erste Klasse und 200 Euro für die zweite Klasse kosten wird.
Engel: Dieser Kundenkreis fährt wirklich sehr häufig und ist wahrscheinlich auch wirklich bereit, diesen Preis zu zahlen. Wir gehen davon aus, dass ein erheblicher Teil der bisherigen BahnCard-Inhaber dieses Angebot nutzen wird. Es haben sehr viele Fahrgäste erklärt, wenn ich keine alte BahnCard mehr bekomme, dann fahre ich mit dem Auto, und haben sich kurz vor Weihnachten des letzten Jahres noch massenhaft mit den alten BahnCards eingedeckt.
Spengler: Nun gibt es ja auch die neue Bahncard, bei der es auch bleiben soll. Die gewährt 25 Prozent Rabatt und hat den Vorteil, dass sie mit dem Frühbucherrabatten, die vor einem guten halben Jahr eingeführt wurden, kombiniert werden kann. Da soll es auch bei bleiben. Sind sie damit einverstanden?
Engel: Auch das ist eine interessante Variante für Fahrgäste, die relativ selten reisen und die vor allen Dingen keinen hohen Einstandspreis bezahlen wollen. Auch die neue BahnCard mit 25 Prozent rechnet sich schon nach einigen Fahrten.
Spengler: Und Sie sind auch damit einverstanden, dass diese Frühbucherrabatte etwas gestraft werden, wie man hört?
Engel: Die Frühbucherrabatte sind in der jetzigen Konstruktion noch zu unübersichtlich. Die Erfahrung zeigt, dass ausländische Eisenbahnunternehmen, aber auch die Fluglinien dazu übergegangen sind, diese Frühbucherrabatte drastisch zu vereinfachen, beispielsweise auch für Einzelfahrten höhere und teilweise auch sehr hohe Rabatte anzubieten, wenn eine bestimmte Verbindung wenig nachgefragt ist.
Spengler: Wie viel Rabatt sollte es denn geben?
Engel: Für schwach ausgelastete Züge könnte es tatsächlich einen Rabatt bis zu zwei Drittel des Grundpreises geben. Das ist beispielsweise in Frankreich durchaus üblich.
Spengler: Aber davon ist jetzt noch nicht die Rede?
Engel: Davon wissen wir noch nichts. Wir gehen davon aus, dass solche Anpassungen erst nach einem längeren Zeitraum und nach Vorüberlegungen möglich sind, denn dafür muss auch das EDV-System leisten können, dass diese Rabatte zuggenau gewährt werden.
Spengler: Was sollte denn sonst noch reformiert werden?
Engel: Wir vermissen bisher in den Überlegungen der Bahn ein Angebot insbesondere für die Jugendlichen. Wenn sie 18 sind - und das ist genau der Zeitpunkt, wo sie ihren Führerschein bekommen - sollen sie genau das Gleiche bezahlen, die bereits im vollen Lohn stehen. Das ist eine sehr interessante Kundengruppe für die Zukunft, die besser umworben sein sollte. Wie ein solcher Rabatt aussehen kann, dafür gibt es viele Varianten. Wir hatten früher sowohl eine BahnCard für diese Jugendlichen zu einem günstigeren Preis als für die Erwachsenen. Wir hatten aber auch ein Angebot unter dem Stichwort Twenticket mit 25 Prozent Rabatt. Solche Rabatte sind bei den Fluglinien und auch bei ausländischen Eisenbahnunternehmen durchaus üblich. Das heißt, hier ist es der unternehmerischen Einfallsfähigkeit der DB überlassen, wie sie dieses Problem löst und angeht.
Spengler: Wird denn dann nicht ein Versprechen, das man sich im letzten Jahr gegeben hat, nämlich dass das System der Preisgestaltung übersichtlicher werden soll, ins Gegenteil verkehrt? Es wird immer unübersichtlicher.
Engel: Benutzerspezifische Angebote machen das System nicht unbedingt unübersichtlich. Hier liegt das Problem vor allen Dingen in vielen anderen Bereichen, beispielsweise bei unterschiedlichen Grundpreisen für praktisch dieselbe Verbindung oder ähnlichen Kleinigkeiten. Ganz benutzerspezifische Angeboten werden auch von diesen Gruppen dann wahrgenommen und führen nicht unbedingt zur Unübersichtlichkeit. Ein zweiter Punkt, der ganz wichtig ist, das Datenverarbeitungs- und Auskunftssystem muss diese Preise beherrschen, und da liegt noch sehr viel im Argen.
Spengler: Müsste man da nicht vielleicht ein ganz neues Grundpreissystem einführen?
Engel: Ein neues Grundpreissystem wäre tatsächlich sehr hilfreich, denn heute gibt es für manche Verbindungen bis zu 14 unterschiedliche Preise, die kein Fahrgast versteht. Nur: Dieses Grundpreissystem würde in der Bearbeitung etwas länger dauern, denn dafür müssen wirklich umfangreiche Überlegungen und auch datentechnische Vorbereitungen getroffen werden.
Spengler: Das neue Preissystem war ein Fiasko für die Bahn. Zwei Vorstände mussten gehen. Wie konnte sich die Bahn Ihrer Ansicht nach so vertun?
Engel: Wir gehen davon aus, dass die, die das Preissystem in dieser Form erfunden haben, zuwenig Praxis beim Fahrkartenkauf hatten. Wenn sie selber an den Schaltern gestanden hätten, dann hätten sie viele Dinge erkannt, die wir als Fahrgäste tatsächlich täglich erleben in der Praxis durch Beschwerden, durch Briefe, aber auch durch eigene Nutzung des Verkehrsunternehmens. Es hat auch viel damit zu tun, dass ein sehr einfaches Liniennetz wie bei den Fluglinien dem zu Grunde liegt. Das Eisenbahnnetz ist aber komplex und reicht ja tief in die Region hinein, und dafür müssen andere Methoden gefunden werden, wie man ein solches Preissystem bewältigt.
Spengler: Speziell zwischen Pro Bahn und Herrn Mehdorn gab es ja Krach. Sie haben ihn ja heftig kritisiert. Er hat sie im Gegenzug als "Pro-Meckerer" bezeichnet. Ist dieser Krach ausgestanden?
Engel: Noch ist dieser Krach nicht ausgestanden und auch noch nicht vollständig ausgeräumt, aber es gibt erste Signale, dass bei jetzt bei der DB doch versteht, dass unsere Kritik nicht aus bösem Willen, sondern tatsächlich aus Fachkunde geäußert wird und dass es uns tatsächlich darum geht, eine bessere Bahn zu bekommen. Sie muss nicht unbedingt im eigentlichen Sinne billig sein, sondern sie soll gut und preiswert sein, und das ist eigentlich für jedes Unternehmen das Erfolgsrezept.
Spengler: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio