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"Banalisierung des Missbrauchs"

DDR-Dopingopfer haben in einem offenen Brief die Stiftung Deutsche Sporthilfe aufgefordert, die im kommenden Monat Mai mögliche Aufnahme belasteter DDR-Athleten in die "Hall of Fame" zu verwerfen. Konkret richtet sich die Kritik gegen Sprint-Olympiasiegerin Renate Stecher und Radsport-Ex-Weltmeister Täve Schur.

Von Thomas Purschke | 27.04.2011
    Bei der Ruhmeshalle des Sports geht es laut Stiftung Sporthilfe um ein "bleibendes Forum für Persönlichkeiten, die durch Leistung, Fair Play und Miteinander Vorbild geworden sind". Somit dürften Renate Stecher und Täve Schur dort auf gar keinen Fall Aufnahme finden. Im Fall der Doppel-Olympiasiegerin von München 1972 über 100 und 200 Meter weisen die Geschädigten des DDR-Staatsdopings darauf hin, dass ihr Doping-Missbrauch bereits als 20-Jährige in der Stasi-Unterlagenbehörde klar dokumentiert und mehrfach belegt sei; der Deutschlandfunk hatte darüber exklusiv berichtet.

    Die Doping-Opfer stellen der Sporthilfe die rhetorische Frage, "Ist es legitim, dass eine Athletin Eingang in Ihre Ruhmeshalle erhält, die ihre vergiftete Vergangenheit so kategorisch verleugnet?" Und sie verlangen eine Erklärung, warum die Deutsche Sporthilfe "die über viele Jahre geleistete Aufarbeitung zum DDR-Sport und die unleugbare Aktenlage derart hintergeht".

    Über DDR-Rad-Weltmeister Täve Schur schreiben die Doping-Geschädigten in ihrem offenen Protestbrief, er sei "so viel hoch dekorierter Sportheld wie zentrale Propagandafigur des kriminellen DDR-Sports" gewesen. Mehr als 30 Jahre war er Abgeordneter in der Volkskammer der DDR. Im Bundestag habe Schur "gegen die Aufklärung des Körperlaboratoriums DDR sowie gegen eine Entschädigung der Opfer des DDR-Sports votiert". Daher fragen die Opfer: "Ist ein notorischer Geschichtsverleugner der richtige Kandidat für Ihre Ruhmeshalle?" Und: "Wie kann der deutsche Sport seine Zukunft gewinnen, wenn er Personen inthronisiert, die das missbräuchliche Tun im DDR-Sport derart banalisieren und die Opfer kalt diskreditieren?" Der Protestbrief der staatlich anerkannten DDR-Dopingopfer schließt mit dem dringenden Appell an die Sporthilfe: "Verhindern Sie, dass Ihre 'Hall of Fame' einmal mehr durch völlige Geschichtslosigkeit implodiert."

    Der Vorstandsvorsitzende der Sporthilfe, Michael Illgner, erklärte dem Deutschlandfunk auf Anfrage, man stelle sich dieser Diskussion und werde den Protestbrief der Dopingopfer in den nächsten Tagen beantworten.

    DDR-Läuferin Renate Stecher als Kandidatin für die Hall of Fame