Donnerstag, 25. April 2024

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Band Aid 30
"An einen guten Zweck würde ich mich gerne verkaufen"

Mit Band Aid 30 sammeln Musiker drei Jahrzehnte nach dem ersten Erfolg von "Do they know it's Christmas" Geld für die Ebola-Hilfe. In Deutschland sind die Toten Hosen verantwortlich für das Geldof-Projekt. Gitarrist Michael "Breiti" Breitkopf spricht im DLF über den neuen Sound und politisches Engagement von Musikern.

Michael "Breiti" Breitkopf im Gespräch mit Thielko Grieß | 22.11.2014
    Breiti (Michael Breitkopf) von der Band Die Toten Hosen in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) auf dem Rasen der Esprit Arena.
    Michael "Breiti" Breitkopf ist mit den Toten Hosen am Projekt "Band Aid 30" beteiligt. (picture alliance / dpa - Caroline Seidel)
    Michael Breiti Breitkopf: Guten Morgen!
    Grieß: Im Popgedusel, das wir gerade gehört haben, sind Sie ja eigentlich überhaupt nicht zuhause. Wie schlimm war es, dieses Lied einzuspielen?
    Breitkopf: Dieses Lied in dieser Version einzuspielen, war überhaupt nicht schlimm. Es war ein bisschen schwierig, das in eine Version und Fassung zu bekommen, dass wir wirklich auch Spaß daran haben, weil vom Text her, der Inhalt, der ist ja ziemlich vorgegeben, und dann hängt es oft von kleinen Änderungen in den Zeilen ab, ob man das dann so ausdrückt, wie man's auch im Gefühl hat, oder ob es eher an der Originalversion orientiert ist, die ja jetzt schon 30 Jahre alt ist und wo ein paar Sachen so ausgedrückt sind, wie wir das heute nicht mehr machen würden. Aber letztendlich mit der Musik jetzt in der Version und dem Text sind wir, glaube ich, alle glücklich, und letztendlich geht's auch nicht um dieses Lied. Es hat noch immer jeder das Recht, das irgendwie mittelmäßig oder nicht ganz so toll zu finden, weil es geht um die Sache und es geht ums Geld einsammeln und es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man die Menschen, die davon jetzt hart getroffen sind, nicht alleine lassen sollte.
    Grieß: Darüber reden wir auch gleich noch. Aber bleiben wir kurz doch noch mal beim Lied. Das haben Sie ja nun so gemacht. Zum Beispiel mit welcher Zeile haben Sie sich schwergetan? Welche haben Sie umdichten müssen?
    Breitkopf: Wir haben das letztendlich so gelöst, dass wir die Strophen auf Deutsch gemacht haben und den Refrain auf Englisch gelassen haben. Der hat ja auch einen Wiedererkennungswert und das ist ja auch der Sinn der Sache oder war der Sinn der Sache, dieses Lied noch mal aufzunehmen, weil das war schon mal ein Megahit. Und wenn man möglichst viel Geld einsammeln will, dann bedient man sich doch bei einer Nummer, wo man weiß, die hat schon mal funktioniert, anstatt was ganz Neues zu machen. Und jetzt mit den Zeilen in den Strophen, den deutschen, und auch mit diesem Rap-Part, der da drin ist, glaube ich, das kommt gut. Wir hatten beim Aufnehmen, glaube ich, alle die da waren, hatten eine gute Zeit sowieso untereinander und jeder ist auch sehr gut mit dem klar gekommen, was er da gesungen hat.
    Den Hörgewohnheiten angepasst
    Grieß: An welcher Stelle haben Sie den Sound verändert? Es klingt ja ein bisschen weniger, ich darf sagen, kitschig als das Original.
    Breitkopf: Ja. Wie gesagt, das Original ist 30 Jahre her, als das gemacht wurde, und in den Hörgewohnheiten oder in dem, wie man weiß, wie man so ein Lied auch aufnehmen kann, hat sich doch einiges geändert. Und es ging darum, einen interessanten Beat zu finden, interessante Sounds, und dass es auch vielleicht beim zweiten und dritten Mal Hören noch Spaß macht.
    Grieß: Also es ist Ihnen nicht peinlich?
    Breitkopf: Überhaupt nicht!
    Grieß: Und Sie haben sich auch nicht verkauft, zusammen mit Campino?
    Breitkopf: An wen verkauft jetzt genau?
    Grieß: An den guten Zweck.
    Breitkopf: An einen guten Zweck würde ich mich gerne verkaufen. Der Ausdruck passt nicht so ganz. Ich denke, mit dem Lied sind wir tatsächlich zufrieden bis glücklich. Wie gesagt, das Lied ist letztendlich zweitrangig. Wichtig ist, was damit ausgedrückt wird und ob es den Zweck richtig transportiert.
    Grieß: Wenn man liest zu diesem Projekt, was so geschrieben wird in diesen Tagen in Zeitungen, online und so weiter, da wird immer wieder genannt, Sie mussten überredet werden. Stimmt das?
    Breitkopf: Wer jetzt Sie?
    Grieß: Sie! Sie, Breiti, und Sie, Campino und ...
    Tote Hosen übernahmen die Organisation für Geldof
    Breitkopf: Nein, überhaupt nicht, weil es war ja so, dass Bob Geldof, der die ganze Sache angestoßen hat und der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema auseinandersetzt und beschäftigt und darin sehr auskennt, mit jemandem von der UNO gesprochen hatte, der gesagt hat, tu was, und das erste und naheliegendste, was ihm eingefallen ist als Sänger, ist, ein Lied zu singen und andere dazu einzuladen, wie es in der Vergangenheit ja auch schon mal gemacht worden ist. Und der hat uns dann angerufen und gefragt, könnt ihr das übernehmen, das in Deutschland zu organisieren, und wir sind mit dem schon seit Jahren freundschaftlich verbunden. Wir haben schon so manche Aktion mit dem gestartet. Und natürlich haben wir dann gesagt, ja klar!
    Grieß: Warum eigentlich Ebola? Ich meine, es ist nicht schwierig zu argumentieren, warum man sich ausdenkt, in dieser Situation Hilfe leisten zu wollen. Aber es gäbe ja nun auch noch andere Krisen, die älter sind, die weiß Gott noch sehr viel mehr Tote fordern und wo es auch völlig unklar ist, wo der Ausweg ist - denken wir an Syrien oder, wer nicht so weit gucken will, an die Flüchtlinge im Mittelmeer.
    Breitkopf: Tatsächlich gibt es eine Aktion der Welthungerhilfe jetzt gerade, die uns angesprochen hatten, die sich darum bemühen, den Flüchtlingen aus Syrien und dem nördlichen Irak das Überwintern möglich zu machen und Zelte, warme Kleidung, Öfen und Nahrung für diese Menschen, die jetzt überhaupt gar keine Möglichkeit haben, für sich selber zu sorgen, zu beschaffen, wo wir auch gerne unseren Namen gegeben haben und das auch gerne auf unseren Internet-Kanälen posten und verbreiten. Man kann als Band nicht die Welt retten. Es wird einem immer unterstellt, dass man das machen wollte. Das will man aber gar nicht, sondern wenn es eine Möglichkeit gibt, sich an irgendeinem Punkt mal nützlich zu machen und sein Mosaiksteinchen dazu beizutragen, sich für andere Menschen nützlich zu machen, warum soll man das dann nicht machen. Alles geht nicht, aber manchmal geht was und das kann auf verschiedene Art und Weise stattfinden.
    Grieß: Ja, es stimmt natürlich, dass gerade die Toten Hosen auch in der Vergangenheit mit Pro Asyl zum Beispiel zusammengearbeitet haben, oder mit Oxfam, ...
    Breitkopf: ..., was wir auch immer noch machen.
    Grieß: Mir ist nur aufgefallen, dass es jetzt beim Stichwort Ebola dann doch offenbar möglich ist, 30 Musiker ungefähr, waren es ja wohl, zusammenzuholen, und bei den vielen anderen Krisen passiert das irgendwie nicht, und das ist doch bemerkenswert.
    Viele Bands haben ein bestimmtes Thema
    Breitkopf: Nein, das ist nicht bemerkenswert, sondern man kann so was nicht dauernd und immer wieder wiederholen. Auch wenn man sich um zehn Sachen kümmern würde in der Form oder sich bemühen würde, dann würden immer noch 180 übrig bleiben, wo dann wieder einer fragt, was ist denn damit, warum macht ihr das nicht auch noch. Manchmal kann man zusammenkommen und so eine Aktion starten.
    Was auch immer wieder untergeht oder nicht beachtet wird oder Sie jetzt auch anscheinend nicht so auf der Uhr haben ist: Es gibt sehr, sehr viele Bands, die haben so ein Thema gefunden, was sie sehr beschäftigt, und für dieses Thema engagieren sie sich dann über Jahre. Die Toten Hosen oder alle, die da jetzt mitmachen, die sind nur ein Eckchen eines Eisbergs, die eine Haltung haben, die Positionen einnehmen, die eine Meinung haben und die dann auch bei passender Gelegenheit immer mal wieder äußern.
    Grieß: Die Szene ist also politisch?
    Breitkopf: Es gibt ganz, ganz viele Bands, die politisch interessiert sind. Ein kleines Beispiel: Ich war im Sommer bei dem Festival am Chiemsee. Das ging über fünf Tage, da haben 180 Bands gespielt. Von denen habe ich mir in fünf Tagen, keine Ahnung, vielleicht 50 oder 60 angesehen. Mindestens zwei Drittel von denen, die hatten irgendein Lied oder ein Statement oder beides zu einer Aktion oder zu einem Thema, was sie über Jahre beschäftigt, wozu sie sich geäußert haben, und ich denke, dass das bei einem Publikum im Alter zwischen 15 und 35 Jahren seine Wirkung hat, und wenn es nur das ist, dass man sieht, okay, da sind ein paar Tausend Leute, die sind auch der Meinung, und ich bin nicht alleine damit, wenn ich mich an meinem Arbeitsplatz oder in der Schule oder im Sportverein oder auf der Straße zum Beispiel mit Neonazis herumschlagen muss, sondern es gibt noch andere, die meinen, dass das Arschlöcher sind und dass man für Freiheit und Demokratie was tun sollte.
    Grieß: Kommen wir noch einmal zurück zu diesem Song und zur Seuche Ebola. Was passiert mit dem Erlös, wenn ich oder andere oder wer auch immer diesen Song jetzt runterlädt, kauft und sich anhört?
    Band Aid Trust verwaltet die Einnahmen
    Breitkopf: Es gibt den Band Aid Trust. Den gibt es schon seit vielen Jahren. Der wird dann letztendlich darüber entscheiden, wo das Geld, wenn es dann ankommt, am dringendsten benötigt wird, und das dann an Organisationen weiterleiten wie Ärzte ohne Grenzen, Oxfam und Organisationen und Fachleute, die da vor Ort im Einsatz sind und diese Mittel benötigen. Man kann auch im Internet genauestens nachlesen, wo in der Vergangenheit, in den letzten Jahren und Jahrzehnten solche Gelder hingegangen sind, an welche Organisationen aus welchen Ländern, und wie die die verwendet haben.
    Grieß: ..., sagt Breiti, einer der Gitarristen bei den Toten Hosen, bei uns im Deutschlandfunk. Dankeschön für das Gespräch!
    Breitkopf: Ja! Danke fürs Interesse.
    Grieß: Und jetzt haben wir so viel darüber geredet; jetzt hören wir noch einmal rein in diesen Versuch der Band Aid 30 Germany, Ebola mit Pop-Harmonien zu heilen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.