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Banken mit Beipackzettel

Während der Finanzkrise gerieten die Banken auch in die Kritik, weil sie die Kunden oft mangelhaft beim Kauf ihrer Produkte beraten haben. Ab heute müssen sie bei der Anlageberatung einen Beipackzettel aushändigen. Dort sollen die Risiken und Kosten kurz und knapp zusammenfasst werden.

Von Dieter Nürnberger | 01.07.2011
    In der Regel zwei DIN-A-4-Seiten, maximal drei. Länger oder umfangreicher soll der sogenannte Beipackzettel für Finanzprodukte oder das Produktinformationsblatt - wie die offizielle Bezeichnung lautet - nicht sein. So zumindest die Vorgabe des Gesetzgebers.

    Der Beipackzettel gilt für Produkte wie Aktien, Unternehmensanleihen, Zertifikate oder etwa andere Schuldverschreibungen. Übersichtlich, verständlich und transparent sollen die Blätter sein. So hat sich beispielsweise der Zentrale Kreditausschuss ZKA, dem unter anderem die Sparkassen und Landesbanken sowie auch die privaten und Volks- und Raiffeisenbanken angehören, auf ein einheitliches, standardisiertes Informationsblatt geeinigt. Kerstin Altendorf ist Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Banken:

    Ganz wichtig ist die Beschreibung des Produktes: Es gibt zusätzliche Produktdaten, Informationen über Risiken und Chancen. Auch die Kosten, beispielsweise über die Provisionen, die fällig werden. Angaben zur Besteuerung und ähnliches.

    Mit den Informationsblättern soll - als Lehre aus der Finanzkrise - vor allem verhindert werden, dass Bankkunden Finanzprodukte kaufen, die sie nicht verstehen. Das ist bei der Anzahl der verschiedensten Produkte am Markt schon eine Mammutaufgabe. Es gebe allein zig-tausende von Zertifikaten, sagt Hermann-Josef Tenhagen, der Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest".

    Wir haben uns schon ein paar angeschaut. Das ist generell noch nicht so toll vergleichbar. Ich bin auch nicht sicher, ob wir für alle Produkte auf dem Markt diese Beipackzettel schon jetzt bekommen. Der erste Schritt sollte auch sein, dass Produkte, für die es noch keinen Beipackzettel gibt, überhaupt verkauft werden dürfen. Es gibt ja unendlich vieler solcher Finanzprodukte - und für alle gibt es wohl diesen Zettel noch nicht.

    "Vor allem die Vergleichbarkeit von Finanzprodukten liegt Verbraucherschützern am Herzen. Allerdings decken die Beipackzettel beispielsweise Investmentfonds nicht ab. Hier gilt eine europäische Richtlinie, die ein anderes, spezielles Infoblatt nur für Fonds vorsieht."

    Generell weist der Bankenverband darauf hin, dass die Beipackzettel auch künftig nur ein erster Schritt der Information für den Kunden sein können.

    "Ein Produktinformationsblatt kann nicht die Anlageberatung, das Gespräch mit dem Bankberater ersetzen. Sie sollten zum Berater gehen, sich Informationen einholen, sie bekommen bei der Anlageberatung zudem ja auch ein Protokoll. Das alles sollten Sie sich dann noch einmal in Ruhe anschauen. Erst dann sollte entschieden werden. Hier hilft die alte Regel: Was ich nicht verstehe, kaufe ich auch nicht!"

    Trotz übergeordneter, einheitlicher Standards bleibt den Banken zudem einiger Spielraum, die Blätter individuell zu gestalten. Und ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal wird wohl auch die sprachliche Formulierung auf den Beipackzetteln sein. Hermann-Josef Tenhagen hofft auf eine klare Sprache beispielsweise über Chancen und Risiken eines Finanzprodukts - doch auch dies müsse erst einmal richtig verstanden werden:

    "Wenn gesagt wird, hier besteht eine Möglichkeit von 99 Prozent, dann muss man wissen, es bleibt eine Unsicherheit von einem Prozent. Wenn ich also ganz sicher gehen will, dann darf ich ein solches Produkt nicht kaufen."

    Ab heute also werden die Beipackzettel bei der Anlageberatung verbindlich. Einige Banken werden sie auch nicht nur beim Kundenberatungsgespräch aushändigen, sondern generell in das Internet stellen. Das ist für all jene interessant, die den Kauf online abwickeln - ohne Bankberater. Schade nur, dass dies nicht alle Banken tun, denn dann wäre eine Vergleichbarkeit der Produkte für alle potenziellen Interessenten noch besser gewährleistet. Aber, so Kerstin Altendorf, vom Bundesverband Deutscher Banken, der Anfang sei gemacht. Und es werde auch eine Kontrolle oder Überprüfung der Beipackzettel geben:

    "Das wird sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auch genau angucken. Dies hat sie angekündigt - auch schon in den ersten zwei Wochen. Hier wird es Stichproben geben. Gegebenenfalls wird also auch Nachholbedarf angemahnt werden: Wenn die Beipackzettel beispielsweise nicht deutlich genug sind, nicht verständlich genug oder auch die Vergleichbarkeit nicht so gewährleistet ist."