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Bankenabgabe ist "populistischer Rummel"

Banken sollen künftig von ihnen mitverursachte Krisen finanziell mittragen. Eine entsprechende Abgabe hat das Bundeskabinett beschlossen. "Das ist ein Symbol, und es ist nicht einmal ein besonders gutes Symbol", kritisiert Reinhard Schmidt.

    Sandra Schulz: Milliarden Euro an Garantien hat die Bundesregierung in die Rettung der Banken gesteckt, mit Milliarden hat sie die Konjunktur in Deutschland angekurbelt und gleichzeitig immer wieder betont, die Verantwortlichen sollen auch zur Verantwortung gezogen werden. Aber werden die Verantwortlichen nun wirklich zur Verantwortung gezogen mit der neuen Bankenabgabe, die pro Jahr ein Polster – das sind ältere Schätzungen – von rund einer Milliarde Euro schaffen soll? Den Gesetzentwurf dazu hat das Kabinett am Vormittag verabschiedet, gemeinsam mit neuen Vorschriften für angeschlagene Geldinstitute.
    Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Reinhard Schmidt, Professor für Internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität in Frankfurt. Guten Tag!

    Reinhard Schmidt: Guten Tag!

    Schulz: Jetzt soll die Sanierung von Banken künftig leichter werden. Heißt das, dass wir in eine Krise, so wie wir sie erlebt haben, künftig nicht noch einmal reinschlittern werden?

    Schmidt: Eine Sanierung soll leichter werden, eine Reorganisation soll leichter werden - Reorganisation ist das schärfere Geschütz als eine Sanierung -, und das ist auch gut so. Ob damit eine Krise in Zukunft verhindert werden kann, wie sie bisher stattgefunden hat, das ist eine ganz andere Frage. Dort wäre ich viel weniger optimistisch. Aber es ist wichtig, dass die Reorganisation leichter wird.

    Schulz: Das heißt, dass künftig die systemrelevanten Teile abgetrennt werden können, den Rest kann man dann sozusagen in die Insolvenz schicken? Aber öffnet man mit einer solchen Regel nicht gerade neuer Intransparenz auch Tür und Tor?

    Schmidt: Na ja, natürlich. Man weiß vorweg nicht, welche Teile die guten und welche Teile die schlechten sind. Trotzdem ist es sehr wichtig, in einer Krise Teile abtrennen zu können, und vor allem, dass in einer Krise jetzt die Möglichkeit bestehen wird, dass Gläubiger einer Bank, die nicht Einleger sind, sondern zum Beispiel andere Finanzinstitutionen, im Krisenfalle haften werden, und deswegen haben sie viel stärkeren Anreiz als bisher, vorsichtig zu sein – darin, was sie einer Bank zum Beispiel an Geld leihen.

    Schulz: Aber hat die Bank selbst denn auch größeren Anreiz, vorsichtig zu sein, wenn die Insolvenz künftig "viel einfacher geht"?

    Schmidt: Soweit die Bankmanager im Interesse der Aktionäre oder der Eigentümer der Banken allgemeiner gesagt handeln, haben sie einen stärkeren Anreiz, vorsichtig zu sein, weil die Folgen eines schlechten Managements jetzt die Eigentümer mehr treffen könnten, ja.

    Schulz: Jetzt hat die Regierung Hunderte Milliarden Euro zur Verfügung gestellt oder bereitgestellt für die Rettung der Banken und die Bankenabgabe, wenn wir darauf jetzt schauen, die soll pro Jahr jetzt ein Polster – das ist gerade in unserem Korrespondentenbericht vorgekommen – von ungefähr einer Milliarde pro Jahr bereitstellen. Ist das mehr als ein Symbol?

    Schmidt: Nein, das ist ein Symbol, und es ist nicht einmal ein besonders gutes Symbol. Es zeigt irgendwie, dass Banken belastet werden. Das ist populistischer Rummel, viel mehr ist das nicht. Es wird zwar offiziell geleugnet, dass das sozusagen eine Strafe für böse Untaten der Vergangenheit ist, aber das ist es de facto.

    Schulz: Die Sparkassen müssen obendrein auch noch heran. Ist das die richtige Entscheidung?

    Schmidt: Nein, ich glaube nicht. Die wesentliche Kunst einer entsprechenden Gesetzgebung ist, die Eigenkapitalvorschriften zu verschärfen, und zwar insbesondere für diejenigen Banken, die mit anderen intensiv verbunden sind, also systemisch relevant sind. Ich glaube, mit dem, was man bisher wusste, was ich jedenfalls weiß über den Plan, wird genau dieses Anknüpfen an der systemischen Relevanz kaum wirklich möglich sein.

    Schulz: Jetzt haben Sie diese Bankenabgabe gerade als Symbolpolitik kritisiert. Gleichzeitig sagt die Bundesregierung, sagen viele Banken ja auch, wenn es eine stärkere Belastung gäbe, dann wäre das für manche Bank vielleicht eine so starke Belastung, dass sie ihrerseits wieder ins Wanken käme. Ist das falsch?

    Schmidt: Ich glaube, das ist ein Lobby-Argument.

    Schulz: Ein Lobby-Argument, dem die Bundesregierung dann aufgesessen wäre?

    Schmidt: Möglicherweise schon. Ich meine, viele Lobby-Argumente sind dann zwingend, wenn sie auch ein bisschen was Wahres für sich haben. Natürlich ist das eine Belastung, aber es hängt im Wesentlichen davon ab, wie stark die Belastung ist - und die Belastung, die jetzt vorgesehen ist, ist nicht stark -, und es hängt natürlich auch davon ab, was mit dem Geld dann eigentlich passiert.

    Schulz: Heißt: Wenn die nächste Krise kommt, können sich die Banken immer noch nicht selbst retten?

    Schmidt: Nein! Aber die Wahrscheinlichkeit einer Krise wird ein klein wenig verringert, und das liegt nicht so sehr an der Bankenabgabe, sondern an den neuen Vorschriften für Bankinsolvenzen.

    Schulz: Den Fokus wollte ich gerade weiter spannen. Seit Ausbruch der Krise haben wir immer wieder gehört, die Verantwortlichen würden zur Verantwortung gezogen, wir würden uns rüsten auf eine neue Krise. Sind denn jetzt die richtigen Lehren gezogen aus der Krise, die wir erlebt haben?

    Schmidt: Das ist jetzt eine Lehre, die aus der Krise gezogen wird – ich meine damit nicht die Abgabe, sondern die Veränderung des Insolvenzrechts für Banken -, die absolut sinnvoll ist und dringend notwendig war. Das ist ein guter Schritt.

    Schulz: Reinhard Schmidt, Professor für Internationales Bank- und Finanzwesen der Universität in Frankfurt, heute in den "Informationen am Mittag". Haben Sie herzlichen Dank für diese Einschätzungen.

    Schmidt: Danke schön!