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Bankenverband begrüßt Wiederwahl Bernankes

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Manfred Weber, wertet die Wiederwahl von US-Notenbankchef Ben Bernanke positiv. Die Entscheidung stehe für Kontinuität in der amerikanischen Geldpolitik.

Manfred Weber im Gespräch mit Bettina Klein | 29.01.2010
    Bettina Klein: Viel Macht bündelt sich im Posten des Chefs der Notenbank in Washington. Namen stehen auch hier für politische Strategie. Das Deuten von Alan Greenspans Mimik etwa war legendär. Der Nachfolger hieß Ben Bernanke und seine Rolle in der jüngsten Finanzkrise war gelinde gesagt umstritten. Das hat sich auch ausgedrückt in der lange unsicheren Zustimmung des US-Senats für eine weitere Amtszeit. Die Entscheidung ist nun gestern am späten Abend gefallen.

    Am Telefon begrüße ich Professor Manfred Weber, geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband deutscher Banken, dort zuständig für die Finanz- und Geldpolitik. Guten Morgen, Herr Weber.

    Manfred Weber: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Vier weitere Jahre Ben Bernanke. Eine uneingeschränkt gute Entscheidung?

    Weber: Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung. Es ist eine Entscheidung, wie sie an den Märkten erwartet wurde. Sie steht für Kontinuität in der Geldpolitik in Amerika, und das ist für sich genommen eine gute Sache.

    Klein: Aber so viele Gegenstimmen wie wohl noch nie im US-Senat. Ist die Souveränität Bernankes damit eingeschränkt nach Ihrer Meinung?

    Weber: Das würde ich nicht so sehen. Ich will ein Beispiel aus der etwas ferneren Vergangenheit nehmen. Paul Volcker, der ja Zentralbankchef in Amerika unter Jimmy Carter war, hat auch schon einmal 16 Gegenstimmen bekommen - aus ganz anderen Gründen. Er war eher kritisiert worden wegen einer harten Anti-Inflationspolitik. Das hat seine Amtsführung nicht beeinträchtigt.

    Also wir müssen sehen, dass hier natürlich auch einige andere Dinge eine Rolle spielen. Nach der Nachwahl in Massachusetts ist es für Präsident Obama im Verhältnis zum amerikanischen Parlament nicht einfacher geworden. Die Gesundheitsreform in Amerika hängt zurzeit ein bisschen. Also hier wird auch an der Person Bernanke und an dieser Personalentscheidung manch anderes festgemacht.

    Das heißt nicht, dass auch die amerikanische Fed als Institution und ein Stück weit auch deren Präsident natürlich sich sagen lassen muss - aber wer muss das nicht gegen sich gelten lassen -, dass wir zu spät erkannt haben, welch globale Krise hier auf uns zukommt, und dass deshalb auch nicht früh genug gegengesteuert wurde.

    Klein: Allerdings - das sind ja die Argumente der Kritiker Bernankes - er habe eben Mitschuld getragen an der Finanzkrise, er habe sie nicht richtig gemanagt. Weshalb sollten diese Zweifel nicht mehr zählen, auch aus Ihrer Sicht nicht, denn Sie haben gerade betont, es sei eine gute Entscheidung mit Blick auf die Kontinuität?

    Weber: Ja. Diesen Vorwurf teile ich nicht. Als offenbar wurde, dass wir es wirklich mit einer fundamentalen Krise zu tun haben, hat die Fed wie die anderen Notenbanken, beispielsweise die EZB auch, das einzig Richtige getan. Sie haben die Märkte mit Liquidität geflutet und haben somit verhindert, dass es noch schlimmer gekommen ist.

    Im Übrigen sollten wir auch nicht vergessen, dass gerade Ben Bernanke jemand ist, der sich intensivst mit Krisen beschäftigt hat, und von daher, glaube ich, auch einer derjenigen war, der die internationale Diskussion, wie gehen wir mit der Krise um, was sind geeignete Maßnahmen, um sie in den Griff zu bekommen, entscheidend mitgeprägt hat.

    Klein: Sie haben es angesprochen: Für Liquidität wurde gesorgt, soll wo möglich jetzt auch noch weiter in der näheren Zukunft gesorgt werden in den Vereinigten Staaten. Die Politik der niedrigen Zinsen bei Unterschätzung, wie manche meinen, der Inflationsgefahren: Ist das noch der richtige Kurs?

    Weber: Nein, das wäre nicht der richtige Kurs. So notwendig und alternativlos - würde ich sagen - die Liquiditätsmaßnahmen gewesen sind, so wichtig ist es auch, rechtzeitig den Ausstieg mit in den Blick zu nehmen. Das gilt für die Fed in Amerika genauso wie bei uns für die Europäische Zentralbank.

    Die Maßnahmen können nicht auf Dauer so weitergehen. Wir müssen zum richtigen Zeitpunkt - und das ist der Knackpunkt in dieser ganzen Frage -, zum richtigen Zeitpunkt wieder zu einem Zustand der Normalität zurückfinden. Ich glaube, das ist den Amerikanern bewusst, das ist der EZB ganz bestimmt bewusst. Die EZB hat ja schon erste Schritte durchaus eingeleitet. Beispielsweise können sich Banken bei der EZB nicht mehr über zwölf Monate refinanzieren, demnächst auch nicht mehr ab März über sechs Monate. Hier sind also erste Schritte schon erfolgt.

    In Amerika ist die Situation insofern schwieriger, als dort die Liquiditätsausweitung deutlich größer gewesen ist als bei uns im Euro-Raum. Sie sehen es an den Bilanzsummen der beiden Zentralbanken. Gegenüber Anfang 2007 ist die Bilanzsumme der Fed in Amerika um 150 Prozent gewachsen, die der EZB im gleichen Zeitraum nur um 50 Prozent.

    Klein: Ja. Herr Weber, Sie sprechen davon, ein rechtzeitiger Ausstieg muss kommen. Wann ist der richtige Zeitpunkt wofür, in den USA zunächst mal?

    Weber: Da können sie heute keinen konkreten Zeitpunkt nennen. Ich halte es nach wie vor für zu früh, auf die Bremse zu treten, richtig auf die Bremse zu treten. Wir haben nach wie vor zwar eine Stabilisierung der Situation, aber wir haben noch keinen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung. Das gilt für uns in Deutschland, das gilt für den Euro-Raum, das gilt auch für Amerika.

    Wir müssen hier auf Sicht fahren und dann jeweils abwägen, ob man wieder einen Schritt tun kann. Das technische Instrumentarium ist vorhanden, darüber verfügen die Notenbanken, aber das Timing, das ist in der Tat der Knackpunkt.

    Klein: Sie können nicht mal sagen, ob es jetzt um Monate, oder um Jahre geht, die noch vergehen sollten?

    Weber: Es wird nicht um Jahre gehen, Frau Klein. Wir haben allerdings auch keinen unmittelbaren Handlungsdruck. Ich sehe nicht die großen Inflationsgefahren aktuell. Für Deutschland beispielsweise erwarten wir eine Inflationsrate von unter 1,5 Prozent für das Jahr 2010. Aber wir müssen die Liquidität wieder einsammeln bei Zeiten.

    Klein: Welchen Spielraum hat die Europäische Zentralbank an der Stelle? Wo kann sie anders und unabhängig entscheiden mit Blick auf die Fed, auf die amerikanische Notenbank?

    Weber: Hier gibt es natürlich Zusammenhänge. Wir reden, wenn wir über die Fed sprechen, über die wichtigste Notenbank der Welt, die Notenbank der größten Volkswirtschaft dieser Welt, und natürlich hat das Auswirkungen: Auswirkungen auf den Wechselkurs des US-Dollars, Auswirkungen auf das Zinsniveau dort, und das muss man mit in den Blick nehmen, wenn man auch in Europa geldpolitische Entscheidungen trifft. Das aber weiß die EZB und ich habe großes Zutrauen gerade in die EZB, nicht nur, dass sie sich dessen bewusst ist, sondern dass sie diese Aufgabe letztlich auch meistern wird.

    In Amerika ist das etwas schwieriger, wenn Sie so wollen aus politischen Gründen. Die dortige Zentralbank hat ein doppeltes Mandat. Sie ist der Preisstabilität verpflichtet, aber auch einer hohen Beschäftigung, und es ist immer schlecht, zwei Herren auf einmal dienen zu wollen. Bei der EZB ist das anders. Hier gibt es ein eindeutiges Mandat. Hier gibt es vielleicht auch etwas weniger politischen Einfluss, als das in Amerika traditionell der Fall ist. Von daher bin ich durchaus zuversichtlich, dass wir diese Aufgabe meistern können. Es ist nicht einfach, es wird nicht leicht werden, das wird die eigentliche Bewährungsprobe auch für die Fed und Ben Bernanke werden.

    Klein: Herr Weber, Sie sprachen gerade den Kurs Euro/Dollar an. Um da kurz noch mal nachzufragen: Womit rechnen Sie? Der Euro sinkt ja im Augenblick.

    Weber: Ja, das ist die aktuelle Entwicklung. Im Trend, glaube ich, müssen wir davon ausgehen, dass wir durchaus einen etwas stärkeren Euro sehen werden in der nächsten Zeit. Das hat auch mit den großen weltwirtschaftlichen Ungleichgewichten, insbesondere zwischen Amerika und Asien zu tun. Aber das hängt eben auch sehr, sehr stark davon ab, wann, zu welchem Zeitpunkt welche geldpolitischen Maßnahmen in Amerika ergriffen werden. Das müssen gar nicht sofort Zinserhöhungen sein. Die Zentralbanken verfügen auch über Instrumente, die Liquidität auf anderem Wege wieder einzusammeln.

    Klein: Die Finanzmärkte hatten angesichts der Ungewissheit über Bernankes Zukunft zeitweise ja verrückt gespielt. Unabhängig von der konkreten Person, ist es richtig, dass einer einzelnen Figur eine so entscheidende Rolle zukommt?

    Weber: Er hat eine wichtige Position inne. Natürlich entscheidet er nicht alleine, sondern das entsprechende Führungsgremium bei der Fed, das Board of Governors letztlich, dann das Open Market Committee, das es dort gibt, aber natürlich ist der Mann an der Spitze wichtig. Wichtig ist auch, dass er das Vertrauen des Präsidenten hat, denn ohne enge Abstimmung mit der Politik, wenn es hier keinen Gleichklang geben sollte, ist es nicht getan.

    Wir haben ja nicht nur das Problem, die Liquidität wieder einzusammeln und auf Normalmaß zurückzuführen; wir haben auch das Problem, dass die Staatshaushalte natürlich einen enormen Anstieg der Staatsverschuldung zu verzeichnen haben. Auch das kann auf Dauer nicht so bleiben. Hier muss Hand in Hand vorgegangen werden.

    Klein: Professor Manfred Weber, geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband deutscher Banken. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Weber.

    Weber: Vielen Dank!
    Ben Bernanke
    Ben Bernanke (AP)