Donnerstag, 25. April 2024

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Bannons Anti-EU-Denkfabrik
"Man muss Widerstand leisten"

Ex-Trump-Berater Stephen Bannon will in Brüssel einen Thinktank gegen die EU in Stellung bringen. Proeuropäische Kräfte müssten sich entschieden dagegen stellen, forderte der EU-Parlamentarier Jo Leinen (SPD) im Dlf. Etwa indem sie den Bürgern klarmachten, was Europa alles für sie leiste.

Jo Leinen im Gespräch mit Peter Sawicki | 25.07.2018
    Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen
    Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen (imago / Yex Pingfan)
    Peter Sawicki: Die kommende Europawahl, sie steht in etwa zehn Monaten an. Sicher ist dabei schon jetzt, dass das ein richtungsweisender Urnengang sein wird. Parteien und Politiker aus Großbritannien werden wegen des Brexit dann nicht mehr antreten, und die Zusammensetzung des EU-Parlaments dürfte sich dadurch deutlich verändern. Mitmischen möchte da jetzt auch ein Mann von außen: Stephen Bannon, der Ex-Berater von Donald Trump. Er will bei der Europawahl seine rechtspopulistischen Sinnesgenossen gewissermaßen unterstützen, die sich derzeit ja im Aufwind sehen.
    Über Bannons Europapläne sprechen wir jetzt mit Jo Leinen. Er sitzt seit vielen Jahren für die SPD im Europaparlament. Schönen guten Morgen, Herr Leinen.
    Jo Leinen: Guten Morgen, Herr Sawicki.
    Sawicki: Haben Sie Angst vor Stephen Bannon?
    Leinen: Wir merken, dass die Europäische Union angegriffen wird – nicht nur von innen, sondern auch von außen. Wir sehen, dass seit Jahren Putin europaskeptische und europafeindliche Kräfte unterstützt, und jetzt kommt auch dieser Angriff aus den USA. Die Europäische Union befindet sich geradezu in einem Bodycheck von Westen wie von Osten, und das ist für mich gefährlich.
    "Bannon will den Umsturz in Europa"
    Sawicki: Worin sehen Sie genau die Gefahr bei diesem Angriff von außen?
    Leinen: Herr Bannon hat ja gesagt, er will eine rechtspopulistische Revolte gegen Europa inszenieren, und hat sich gewundert, wie leicht das in Europa zu machen ist. Mit sieben Millionen Pfund ist es gelungen, den Brexit zu organisieren. Er hat sich gewundert, dass in Italien noch weniger Geld notwendig war, um die Lega Nord an die Regierung zu bringen. Und er will den Umsturz in Europa, also, wenn man so will, das Zerstören der europäischen Idee, der europäischen Zusammenarbeit und zurück zum Nationalismus. Das ist erklärte Ansage.
    Sawicki: Bannon hat ja die Firma Cambridge Analytica mitgegründet, die direkte Wählerbeeinflussung zum Beispiel in den USA per Social Media durchgeführt hat. Ist Europa darauf vorbereitet?
    Leinen: In der Tat gibt es ausgefeilte Wahlkampfstrategien, was sich bei der Wahl in den USA ja gezeigt hat, wo Herr Trump auch deswegen als Sieger hervorging. Wir können erwarten, dass es die simplen Botschaften gibt, wir gegen die, wir gegen die anderen, und natürlich das Volk gegen die Eliten. Das ist bei der Europapolitik ja noch leichter zu organisieren als bei einer nationalen Wahl. Und dann gibt es Cambridge Analytica, was Sie erwähnt haben, dass man mit Hilfe des Internets genau auf Wählergruppen hin solche Botschaften verbreiten kann, und ich denke, unsere Parteien müssen sich wirklich anstrengen, dieser Herausforderung zu begegnen.
    "Klarmachen, dass Europa auch ein Schutz ist"
    Sawicki: Dann sprechen wir mal darüber, wie man dem begegnen kann. Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat ins Spiel gebracht, Stephen Bannon ein EU-Visum zu verweigern. Reicht das, um da gegenzuhalten?
    Leinen: Wir haben auch im Europaparlament Europagegner. Wir sind eine Demokratie in Europa und keine Diktatur oder kein autokratisches System. Herr Bannon wird in Brüssel seine Denkfabrik aufschlagen. Das weiß man. Insofern muss man der Sache Widerstand leisten und es geht darum, dass die europäischen Parteien ebenfalls klare Botschaften an die Bürger aussenden, warum wir die Europäische Union mehr denn je brauchen in der turbulenten Zeit von heute und was auch die Europäische Union alles leistet für die Menschen. Europa ist ein Sehnsuchtsort. Ich glaube, nirgendwo ist die Lebensqualität so hoch wie bei uns und der Frieden und die Freiheit. Wir können ja stolz sein auf vieles. Das muss jetzt in den nächsten zehn Monaten auch vermittelt werden.
    Sawicki: Trotzdem stellen wir fest, in vielen Ländern sind rechtspopulistische Rechtsaußen-Parteien im Aufwind, zum Teil jetzt in Regierungsverantwortung. Offenbar gibt es dort große Unzufriedenheit mit der Europapolitik. An welchen Themen muss man jetzt ansetzen? Wie soll man das vermitteln?
    Leinen: Man muss klarmachen, dass Europa auch ein Schutz ist für die Menschen. Wir können uns schützen gegen unfaire Handelspraktiken aus China. Wir können uns schützen gegen die Datenkraken aus den USA, Google und andere. Wir tun vieles zusammen für den Klimaschutz. Das kann einer allein nicht machen. Ich will gar nicht reden von dem Terrorismus.
    Da gibt es dann natürlich die offene Wunde der Migration. Ich denke, dass da vieles gemacht worden ist und hoffentlich die Migration nicht im Mittelpunkt des Europawahlkampfs im nächsten Jahr stehen muss, weil vieles bereits unterwegs ist. Und es gibt natürlich in dieser Welt des Wandels, auch des technologischen Wandels die Sorge um Arbeitsplätze, die erhöhten Mieten. Es gibt soziale Themen, die man ansprechen muss und auch zeigen muss, was wir zusammen in Europa dafür tun können.
    Vorsprung der Populisten in sozialen Netzwerken
    Sawicki: Und wie soll man das umsetzen? Muss man im Internet mehr Präsenz zeigen, oder wie stellen Sie sich das vor?
    Leinen: Die nächste Europawahl wird mehr denn je eine Wahl, die über die sozialen Medien mitentschieden wird. Die Parteien müssen sich da besser organisieren, müssen aktiver in den sozialen Medien sein. Das darf man nicht den Populisten und den Nationalisten überlassen. Die sind dort hoch präsent. Die Volte bei denen ist wesentlich höher als bei den demokratischen Parteien. Nicht zuletzt deshalb haben ja auch die Bundestagsparteien jetzt mehr Geld in die Hand genommen, um sich für das Internet wirklich vorzubereiten.
    Sawicki: Sie sagen, die anderen, die rechtspopulistischen Parteien sind dort präsenter bislang. Haben die anderen Parteien, zum Beispiel die sozialdemokratischen, die konservativen Parteien, diesen Trend verschlafen?
    Leinen: Alle Parteien sind irgendwo im Internet. Aber ich sehe auch, dass auf gewissen Homepages wirklich die Parolen der Nationalisten, der Rassisten, der Populisten verbreitet werden in einem Maße, wie proeuropäische Botschaften nicht ausgesandt werden. Wir haben noch Zeit, der Wahlkampf ist noch nicht entschieden. Aber diese Wahl 2019 ist eine Weggabelung für Europa. Entweder bleiben wir ein weltoffener Kontinent, eine liberale Demokratie, oder wir kehren zurück zur Kleinstaaterei, zur Abschottung, zum Protektionismus und letztendlich auch zum Rassismus. Das ist ja mit den Händen zu fühlen, dass auch hinter dem Protektionismus viel Rassismus sich verbirgt.
    Mehr Kooperation proeuropäischer Kräfte
    Sawicki: Die rechtspopulistischen Parteien in Europa, die wollen ja dann auch stärker im Europaparlament zusammenarbeiten, eine größere Fraktion bilden. Stellt sich dann auch für zum Beispiel die Sozialdemokratische Partei die Frage, ob man dann neue Bündnisse eingehen möchte, eingehen muss?
    Leinen: Wir haben ja im Europaparlament sowieso die Lage, dass niemand die Mehrheit besitzt und man für Mehrheiten kämpfen muss immer mit anderen. Da gab es mal zeitweise eine Große Koalition; die ist jetzt nicht mehr da. Es gibt einen Linksblock und einen Rechtsblock. In dem Maße, wie Nationalisten und Populisten stärker werden, müssen natürlich proeuropäische Kräfte noch mehr miteinander kooperieren. Und ich wünsche mir nicht, dass nach Frau Le Pen und nach Herrn Farage wir noch mehr von diesen Figuren bekommen, weil sie sind nicht konstruktiv, sie sind regelrecht destruktiv. Sie wollen nicht Europa verbessern, sondern Europa zerstören, und das müssen die Bürger wissen und darum geht es im Mai 2019.
    Sawicki: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der SPD-Europapolitiker Jo Leinen. Danke, dass Sie heute Früh für uns Zeit hatten.
    Leinen: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.