Zu erzählen wäre von Christoph Voll als einem süddeutschen Herrgottsschnitzer des 20. Jahrhunderts, einem Arme-Leute-Bildhauer, dessen Herzrührende Empathie der Produktion heroischer Skulpturen in großer Zeit im Wege stand. Erzählen könnte man auch die Geschichte eines "Réaliste exceptionel", eines hervorragenden expressiven Realisten, dem die Schnauze eines Vater Zille und die Niedertracht eines Otto Dix ebenso abgingen wie die idealistische Noblesse eines Gerhard Marcks. Man könnte die Geschichte des Bildhauers Christoph Voll aber auch erzählen als die eines begabten Künstlers, der durch die Katastrophen-Raster des 20. Jahrhunderts fiel, traumatisiert im Ersten Weltkrieg, bewegt durch den Aufbruch der Weimarer Zeit und verfemt durch den Nationalsozialismus. Alle Geschichten laufen auf ein und dasselbe hinaus: Christoph Voll, der - schon damals kaum bemerkt - im deutschen Schicksalsjahr 1939 an Krebs starb, wurde geradezu radikal vergessen: Man könnte ihn einen der großen Unbekannten der deutschen Bildhauerei des 20. Jahrhunderts nennen. Und genau dies war für den Bremer Kurator Arie Hartog ein Motiv für diesen Werküberblick im Gerhard-Marcks-Haus.
Wer in einem der wenigen Kataloge die Abbildungen von Volls Bildwerken betrachtet, mag zunächst denken, dass da ein Armenhaus-Schnitzer nahe am Sozialkitsch gebaut hat: magere Knaben mit weit aufgerissenen Augen und hohlen Wangen von Hungerleidern, pummelige Dirnen mit Kopftuch oder blinde Bettler, die wie proletarische Agitatoren gestikulieren. Bleibt das nicht alles weit zurück hinter der in den 20er Jahren aufkommenden Neuen Sachlichkeit, dem Pathos eines Lehmbruck, der Eleganz eines Kolbe? Deswegen ist es gut, dass nun im Gerhard-Marcks, diesem intimen Museum figürlicher Bildhauerei, Volls leibhaftige Skulpturen versammelt sind. Nicht nur die gelegentlich gezeigten Schnitzereien aus Eiche, die dem harten Holz erstaunliche Weichheit und Lebendigkeit menschlichen Ausdrucks abgewinnen, sondern auch eine beeindruckende Reihe geradezu monumentaler Plastiken. massige weibliche Akte zumal, die Christoph Voll in jahrelanger Arbeit aus einem der härtesten Materialen meißelte, an die Bildhauer sich überhaupt heranwagen. Roter schwedischer Granit, kaum grob belassen, sondern allerfeinstens mattiert, oder poliert schimmern die Volumen der breit Sitzenden, Raumverdrängend Stehenden, sich dem Stein entwindenden weiblichen Körper. Hier ist Christoph Voll ganz weit entfernt vom Kuhle-Wampe-Genre proletarischer Elendsgestalten, derentwegen man in der DDR sich seines Erbes zumindest gelegentlich besann.
Neben der Dominanz gegenstandsloser Kunst nach 1949 im Westen liegt wohl hier auch der Grund, dass der leidenschaftliche Menschendarsteller hierzulande ins Abseits geriet. 1897 in München geboren, verschlägt es Christoph Voll nach Bildhauerlehre und Kriegsdienst 1919 in den Kreis der "Dresdner Secession" um Dix und Felixmüller. Im Dialog mit Lachnit und Nagel, Schlichter und Grosz entwickelt er seinen realistischen Stil, der ihm gar den Spitznamen "Tolstoi der Holzskulptur" einbringt. Und er hat Erfolg: Schon mit 27 Jahren wird er Professor an der jungen Staatlichen Kunstschule Saarbrücken, wo seine veristischen Holzplastiken entstehen. 1928 geht er an die Badische Landeskunstschule in Karlsruhe. Hier wendet er sich den harten Steinen, der großen Form zu. Ein gleichsam beruhigter, dabei unheroischer, eigensinniger Realismus. Von den Nazis wurde ihm dies als "Verhässlichung" angekreidet, so geriet er ins Vorfeld der Aktionen gegen die "Entartete Kunst". Obwohl er als Lehrer einen ausgezeichneten Ruf hatte, wurde er 1937 endgültig entlassen. Zwei Jahre später stirbt er 42-jährig an Krebs.
So beleuchtet die Bremer Ausstellung auch ein Stück Kunst- und Zeitgeschichte, vor dem das erstaunliche Profil eines vergessenen deutschen Bildhauers entsteht: Die großen Steine und vielgestaltigen Hölzer, auch eine Handvoll eckig-ungelenke Graphiken aus Privatbesitz und Nachlasses ergänzen das kaum erforschte Terrain zwischen Expressionismus und Realismus in Deutschland. Und da ist Christoph Volls lebensgroßes "Selbstporträt" aus Eichenholz: In seiner selbstbewussten Größe und selbstverständlichen Bescheidenheit zeigt es vielleicht augenfällig die vitale Kraft und Intensität dieses zu Unrecht verlorenen Künstlers.
Service: Die Ausstellung "Christoph Voll (1897-1939) - Skulptur zwischen Expressionismus und Realismus" ist bis 11. November 2007 im Bremer Gerhard-Marcks-Haus zu sehen.
Wer in einem der wenigen Kataloge die Abbildungen von Volls Bildwerken betrachtet, mag zunächst denken, dass da ein Armenhaus-Schnitzer nahe am Sozialkitsch gebaut hat: magere Knaben mit weit aufgerissenen Augen und hohlen Wangen von Hungerleidern, pummelige Dirnen mit Kopftuch oder blinde Bettler, die wie proletarische Agitatoren gestikulieren. Bleibt das nicht alles weit zurück hinter der in den 20er Jahren aufkommenden Neuen Sachlichkeit, dem Pathos eines Lehmbruck, der Eleganz eines Kolbe? Deswegen ist es gut, dass nun im Gerhard-Marcks, diesem intimen Museum figürlicher Bildhauerei, Volls leibhaftige Skulpturen versammelt sind. Nicht nur die gelegentlich gezeigten Schnitzereien aus Eiche, die dem harten Holz erstaunliche Weichheit und Lebendigkeit menschlichen Ausdrucks abgewinnen, sondern auch eine beeindruckende Reihe geradezu monumentaler Plastiken. massige weibliche Akte zumal, die Christoph Voll in jahrelanger Arbeit aus einem der härtesten Materialen meißelte, an die Bildhauer sich überhaupt heranwagen. Roter schwedischer Granit, kaum grob belassen, sondern allerfeinstens mattiert, oder poliert schimmern die Volumen der breit Sitzenden, Raumverdrängend Stehenden, sich dem Stein entwindenden weiblichen Körper. Hier ist Christoph Voll ganz weit entfernt vom Kuhle-Wampe-Genre proletarischer Elendsgestalten, derentwegen man in der DDR sich seines Erbes zumindest gelegentlich besann.
Neben der Dominanz gegenstandsloser Kunst nach 1949 im Westen liegt wohl hier auch der Grund, dass der leidenschaftliche Menschendarsteller hierzulande ins Abseits geriet. 1897 in München geboren, verschlägt es Christoph Voll nach Bildhauerlehre und Kriegsdienst 1919 in den Kreis der "Dresdner Secession" um Dix und Felixmüller. Im Dialog mit Lachnit und Nagel, Schlichter und Grosz entwickelt er seinen realistischen Stil, der ihm gar den Spitznamen "Tolstoi der Holzskulptur" einbringt. Und er hat Erfolg: Schon mit 27 Jahren wird er Professor an der jungen Staatlichen Kunstschule Saarbrücken, wo seine veristischen Holzplastiken entstehen. 1928 geht er an die Badische Landeskunstschule in Karlsruhe. Hier wendet er sich den harten Steinen, der großen Form zu. Ein gleichsam beruhigter, dabei unheroischer, eigensinniger Realismus. Von den Nazis wurde ihm dies als "Verhässlichung" angekreidet, so geriet er ins Vorfeld der Aktionen gegen die "Entartete Kunst". Obwohl er als Lehrer einen ausgezeichneten Ruf hatte, wurde er 1937 endgültig entlassen. Zwei Jahre später stirbt er 42-jährig an Krebs.
So beleuchtet die Bremer Ausstellung auch ein Stück Kunst- und Zeitgeschichte, vor dem das erstaunliche Profil eines vergessenen deutschen Bildhauers entsteht: Die großen Steine und vielgestaltigen Hölzer, auch eine Handvoll eckig-ungelenke Graphiken aus Privatbesitz und Nachlasses ergänzen das kaum erforschte Terrain zwischen Expressionismus und Realismus in Deutschland. Und da ist Christoph Volls lebensgroßes "Selbstporträt" aus Eichenholz: In seiner selbstbewussten Größe und selbstverständlichen Bescheidenheit zeigt es vielleicht augenfällig die vitale Kraft und Intensität dieses zu Unrecht verlorenen Künstlers.
Service: Die Ausstellung "Christoph Voll (1897-1939) - Skulptur zwischen Expressionismus und Realismus" ist bis 11. November 2007 im Bremer Gerhard-Marcks-Haus zu sehen.